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Er nannte sie Apostel

ER NANNTE SIE APOSTEL

 

 

“Geht hinaus in die ganze Welt,

und verkündet das Evangelium

allen Geschöpfen.”

(Mk 16,15)

 

 

 

 

WIR, DIE ZWÖLF,

an die Schreibfeder, die unsere Gedanken niederschreibt:

Wir entschuldigen Deine Verwegenheit und Deine Inkompetenz, da Du nur unpassend und bruchstückhaft das Sehnen unserer Herzen wiedergibst.

Wir sind Dir allerdings dankbar für die Tatsache, daß Du unsere Namen verwendet hast, um JESUS die Ehre zu geben und IHN ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Für IHN haben wir das Leben gegeben, für IHN opfern wir auch gerne diese weitere Herabsetzung unserer Heiligkeit.

(Die Feder, die diese Seiten geschrieben hat, ist nur eine, aber das Erzählte ist die Erfahrung vieler.)

 

 

SIMON PETRUS

(vom Gehorsam)

„...ein anderer wird dich gürten und dich führen,

wohin du nicht willst.“

(Joh 21,18)

Ich war nunmehr überzeugt von meiner Würde und von meiner Aufgabe.

Der Meister hatte mir die Schlüssel des Himmelreichs gegeben, und allmählich hatten sich alle mit der Situation abgefunden: Ich, der Erste, der Führer.

Ich könnte ein begehrtes und gefürchtetes Wort gebrauchen: Autorität.

Ich, die Autorität.

Aber an jenem Tage hatte Jesus mir einen Satz gesagt, der mich zum Nachdenken brachte, mir den Sinn des Lebens zeigte und meine Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung lenkte: „... ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst.“

Damals habe ich verstanden, daß ich mich an den Gehorsam gewöhnen muß.

Und so habe ich es versucht. Als echter Führer habe ich die Aufgabe, den anderen ein Beispiel für ihre Berufung zu geben. Die Jünger meines Meisters sind zum Gehorsam berufen. Haben sie kein gehorsames Herz, dann gleichen sie nicht Jesus.

Haben wir kein gehorsames Herz, sind wir nicht Söhne, so wie Jesus Sohn ist - Gottes und des Menschen. Das gehorsame Herz ist Jesus ähnlich, dem Herrn und Meister. Er war immer auf die Wünsche des Vaters ausgerichtet. Er tat nie etwas aus dem Geist der Unabhängigkeit und Selbständigkeit heraus. Er tat immer alles in Einheit mit dem Vater. Bevor er irgend etwas unternahm, wartete er auf Seine Zeichen.

Ja, ich bin der “Führer“ der Jünger Jesu, aber ich bin zugleich auch Jünger. Der Gehorsam muß in meinem Herzen wohnen.

Nur Gott ist des Gehorsams würdig! Dessen bin ich gewiß und ich will es dir auch sagen. Aber Gott kann durch Menschen zu mir reden. Er kann mich direkt inspirieren, wenn Er will, aber ich habe begriffen, daß Er es im allgemeinen vorzieht, mir Seinen Willen durch konkrete Dinge, durch bestimmte Vorfälle und durch Brüder zu offenbaren.

Deshalb muß ich auf die Brüder hören. Hätte ich nicht auf sie geachtet und hätte ich nicht auf ihre Unterscheidungsgabe gehört, hätte ich mich schon viele Male geirrt. Ich habe gelernt, auf die Unterscheidungsgabe jener Brüder zu achten, die Jesus mit reinem Herzen und frei von den Bindungen der öffentlichen Meinung lieben. Johannes machte mich am Ostermorgen zum Grab laufen. Es war für mich der entscheidenste Tag.

Und wieder war es Johannes, der mir die Augen geöffnet hat, um den Herrn zu erkennen, dort am Strand. Johannes liebte Jesus wie ein Kind. Ich achtete auf seine Unterscheidungsgabe. Ich war gehorsam.

Was zählt, ist nicht, daß ich eine Autorität bin. Die Autorität sehen immer die anderen in mir, und zwar jene, welche im Glauben von mir die Zeichen des Willens des Vaters bekommen.

Aber wenn ich nicht gehorsam bin, bin ich keine Autorität, bin ich nicht glaubwürdig. Wenn ich nicht gehorsam bin, bin ich kein Jünger Jesu, bin ich kein Sohn des Vaters. Und dann wäre es besser, wenn mir niemand mehr gehorchen würde.

Der Gehorsam - ich bin langsam darauf gekommen, und es hat mich viel gekostet - ist eine Haltung des Herzens, mehr als ein Ausführen von Anordnungen. Wenn ich im Gehorsam nur darauf warte, was angeordnet wird, so bedeutet dies, daß ich unterwürfig bin und nicht gehorsam.

Ich will nicht Menschen gehorchen, niemals, sondern nur Gott. Ich achte und schaue auf die Menschen, weil Gott mir durch sie Seinen Willen kundtun kann.

Ich sah manche meiner Brüder sich beklagen, weil ich – nicht gerade weise und vorsorgliche - Aufträge gegeben habe. Kann sein: Ich habe nicht die Weisheit Salomos; der Herr wußte das, als er mir den Auftrag gab.

Doch diese Brüder gehorchten nicht Gott, sie gehorchten mir.... hier liegt der Grund ihrer Unruhe. Sie haben die Orientierung, den Kompaß verloren: sie sahen in mir nur meine Person. Sie schauten nicht auf mich, um Gott gehorsam zu sein. Mir tut es leid, Jünger des Herrn zu sehen, die mir, einem Menschen gefallen wollen. Ich freue mich mehr, unendlich mehr, jemanden zu sehen, der mir - wie Paulus - meine Zerstreuungen, meinen Ungehorsam den Zeichen Gottes gegenüber, meine Heucheleien ins Gesicht sagt. Auf diese Weise hat mich Paulus .... verteidigt! Ja, er hat mich vor der Macht der Versuchung verteidigt, nämlich davor, zum Stolperstein für die Brüder zu werden. Er hat gemerkt, daß ich nicht mehr dem Herrn gehorchte, und er hat es mir gesagt. In seinem Herzen regierte der Geist des Gehorsams gegenüber Gott, und er suchte in mir die Zeichen des Willens Gottes. Darum hat er mich gewarnt, als er meine Aufmerksamkeit auf die Menschen gerichtet sah, statt meine Hingabe an Gott.

Ein gehorsames Herz haben, bedeutet Heil! Das gehorsame Herz ist Gott gefällig, und Er tut Wunder, wirkliche und echte Wunder für den, der Ihm gehorcht.

Ihr könnt es an meiner eigenen Lebensgeschichte sehen: Der Gehorsam gegen Gott hat mir Leiden und Gefängnis gebracht. Aber habt ihr jemals ein so großes Wunder gesehen, wie es mir geschenkt wurde? Ich trat aus dem Gefängnis, ohne daß die Wachen auch nur im geringsten meine Schritte bemerkten?

Für einen gehorsamen Menschen erweicht sich das Herz des Vaters. Ich erzähle euch keine weiteren Ereignisse, ihr werdet selbst Erfahrungen machen.

Bin ich dem Herrn gehorsam, dann merke ich, daß ich auch den Menschen gegenüber viel aufmerksamer bin: Ich verlasse mich tatsächlich mehr darauf, was der Vater mir durch sie sagt, als auf das, was mir richtig erscheint.

Oh, gewiß werde ich darauf achten, mich von den Brüdern nicht zur Sünde verleiten zu lassen, aber der wahre Gehorsam bleibt nicht im Dunkeln: Wenn ein Bruder versucht, mir Hindernisse in den Weg zu legen, so wird der Heilige Geist nicht erlauben, daß der Gehorsame überlistet wird.

Das gehorsame Herz sucht keine Gründe für den Gehorsam. Sein Grund liegt ganz in der Liebe.

Ich habe gemerkt, daß das Geheimnis jeden wahren Lebens in der Liebe und in der Liebe Jesu liegt. Wenn ich Ihn von ganzem Herzen liebe, werde ich auch gehorsam. Der Gehorsam belastet mich dann nicht, im Gegenteil, er wird mir zu einer Möglichkeit, durch die ich lieben kann,

Die Liebe Jesu! Nicht umsonst pochte Er selbst bei mir in diesem Punkt darauf: „Liebst du mich?“

Jesus wußte: Wenn ich Ihn liebe, bin ich Ihm auch gehorsam, und wenn ich Ihn wirklich liebe, versuche ich, Ihm auf jede Weise untertan zu sein, weil Er es auch war. Die wahre Liebe sucht in der Tat die Ähnlichkeit (zu Jesus) und läßt uns ähnlich werden.

Wenn ich Jesus liebe, versuche ich auch, Ihm gehorsam zu sein. Wenn ich Jesus liebe, gelingt es mir, die anderen höher zu achten als mich selbst: höher als mich in der Liebe, höher als mich in der Weisheit, höher als mich in der Vertrautheit mit Gott.

Ich habe alles zu gewinnen, wenn ich Jesus liebe, weil ich alles zu gewinnen habe, wenn ich gehorsam bin. Dann kann ich mich auch wirklich über die Weisheit, die Unterscheidungsgabe und das Licht vieler freuen.

Wenn ich alt sein werde, wird mich jemand führen, wohin ich nicht will. Jesus hat es mir schon vorausgesagt. Schon ab jetzt will ich mich daran gewöhnen, diese „Führung“ vom Vater anzunehmen. Ich will, daß mein Ich mit seinen Ansprüchen, Wünschen und Erwartungen stirbt, um verfügbar zu sein für jeden Hinweis der Erwartungen Gottes.

Kostbar in den Augen Gottes ist der Tod seiner Gläubigen.“ Dieses oft gesungene Wort ließ mich an die anderen denken, an die bereits gestorbenen Gläubigen... aber jetzt spüre ich, daß dieses Wort mir gilt. Es ist ein kostbarer Moment für das Reich Gottes, wenn mein Wünschen und Wollen weder in Erwägung gezogen, noch erhört wird. Diese Momente gibt es, und es wird sie weiterhin geben.

Dann, gerade dann will ich gehorsam sein... dem Vater gehorsam. Wie Jesus dem Vater gehorsam war, als Er seine Schritte zu Pilatus, zu Herodes, zum Hohen Rat, nach Golgatha lenkte. Er mußte, Er war gezwungen, in diese Richtungen zu gehen. Wer Ihn sah, glaubte, daß er Zwängen unterworfen war.

Aber wer Ihn genau betrachtete, konnte erkennen, daß Er damals frei war, und in seiner Freiheit gehorchte Er dem Vater. Er wußte, daß der Vater Ihm Seinen Willen mitteilte - durch diese falschen und lieblosen Stimmen. Das gehorsame Herz Jesu konnte die Liebe des Vaters dort sehen, wo keine menschliche Liebe war. Das gehorsame Herz sieht Licht in der Nacht, weil es liebt. Die größte Liebe Jesu haben wir an jenem Tag gesehen, in jenem Gehorsam, der für Ihn ständiger Tod bedeutete.

Abschließend gestehe ich, Petrus, euch: Wenn ich gehorsam bin, merke ich, daß ich Jesus, dem Sohn Gottes, ähnlich bin. Ich trage Ihn im Herzen, wenn ich Ihm gehorche.

Und dir empfehle ich, Ihm ähnlich zu werden, Seinen kindlichen und gehorsamen Geist anzunehmen: Dann wirst du die Fülle des Lebens haben, göttliches Leben!

Auch wenn du verantwortungsvolle Aufgaben zu erledigen hast, gerade in diesem Fall, suche jene Liebe, die dich gehorsam sein läßt.

Du wirst gerettet werden und du wirst viele retten. Derjenige, der alle Macht bekommen hat, war in allem gehorsam.

Wer gehorsam ist, ist vertrauenswürdig, und ihm kann alle Macht gegeben werden.

So handelt unser Gott: Hierin versuche ich, Petrus, dir ein Beispiel zu geben, dir den Weg zu öffnen, der bereits vorgezeichnet ist vom Herrn Jesus!

 

 

ANDREAS

(von der Armut)

„... doch was ist das für so viele!“

(Joh 6,9)

Ich bin gewohnt zu kalkulieren. Ich konnte ausrechnen, wie viele Körbe von Fischen man verkaufen mußte, um eine Woche davon leben zu können.

Es war leicht auszurechnen, daß für Hunderte und Tausende von Personen fünf Weizenbrote und zwei Fische nicht ausreichen würden. Ich hatte keine Angst, meine Schlußfolgerungen dem Meister mitzuteilen.

Er allerdings machte darum kein Aufhebens. Er ließ mich bei meinen Kalkulationen und ging unbeirrt einen anderen Weg, ohne Kalkulationen.

So habe ich gelernt!

Die Lehre des Meisters hat mir geholfen, die Gegenwart und die Liebe des Vaters einzukalkulieren. Wenn ich daran denke, daß ich einen VATER habe, den mich mein Herr Jesus erkennen und begegnen ließ, dann bin ich ruhig.

Wenn ich daran denke, daß mein Vater der Schöpfer des Universums ist, dann habe ich keine Angst mehr, weder vor Hunger, noch vor Durst, weder vor der Zukunft, noch vor der düstersten Wirtschaftslage.

Und wenn ich daran denke, daß mein Vater unser Vater ist, dann habe ich keine Angst mehr vor den Menschen. Und wenn ich daran denke, daß der Vater sieht und hört, dann möchte ich arm sein, noch ärmer, damit Er sich als Vater erweisen und Seine Vaterschaft konkret in meinem Leben ausüben kann.

Wir lebten zusammen mit Jesus - wir waren viele, und niemand von uns ging einer von Menschen bezahlten Arbeit nach -, und durch das Leben mit Ihm habe ich gelernt, anders zu rechnen. Ich habe gelernt, daß... eins und eins nicht mehr zwei ist, sondern hundert! Ja, denn bei Jesus muß man zum Eins und Eins den VATER hinzufügen. Das ist das Geheimnis!

Ein Geheimnis, das so vollkommen wird: Eins und eins um zu geben, nicht eins und eins um zu nehmen! Seit dem Tag, an dem ich die fünf Brote vor fünftausend hungrigen Menschen sah, beklage ich mich nicht mehr! Damals habe ich mich bei Jesus wegen der Armut beklagt, jetzt habe ich keinen Grund mehr dazu. Im Gegenteil, ich wünsche mir die Armut, um weiterhin die Wunder Gottes sehen zu können.

Ich habe gemerkt, daß wir Menschen gerade in der Armut darauf achten, Gott zu vertrauen, um das Angesicht des Vaters zu sehen, um Seine Zärtlichkeit zu spüren.

In der Armut wächst unser Glaube und mit ihm auch die Fähigkeit zur Gemeinschaft, zum brüderlichen Leben. Ich habe es viele Male gesehen und im eigenen Herzen erfahren.

Ja, die Armut ist ein großer Reichtum! Sie ist ein ständiger Ansporn zur Hoffnung, zur Liebe, zur vertrauensvollen Abhängigkeit. Und diese Haltungen bewirken Gelassenheit, Verfügbarkeit und Verständnis für andere.

Ich habe Mitleid mit den Reichen, die nicht die Gnade und Schönheit eines solchen Lebens ausprobieren können!

Für mich, der ich gewohnt war, mein Brot mit dem Schweiße auf den Fischernetzen zu verdienen, der gewohnt war zu sagen: ich habe gearbeitet, ich habe verdient, ich bin von niemandem abhängig, ich bin auf diese Weise aufgewachsen – für mich war es hart, meine Denkweise zu ändern. Mit dem Meister blieb keine Zeit mehr zu arbeiten, zu arbeiten im Sinn von Geld verdienen. Mit dem Meister sah ich die Armut voraus.

Aber es sind viele Jahre vergangen - und siehe da, ich lebe noch. Ja, wenn ich zurückdenke... hat es mir nie an irgend etwas gefehlt!

Auch der Meister hat seine Arbeit als Zimmermann verlassen und erfahren, daß der VATER, der die Vögel des Himmels ernährt und die Blumen kleidet, einen Vorrat an Brot und Stoffen für jene Kinder bereit hält, die für Sein Reich arbeiten.

Der Vater schickt niemanden zur Arbeit, ohne ihn mit dem Nötigen zu versorgen. Aber Seine „Arbeiter“ sollen sich nur um das Reich sorgen, nur um Sein Reich. Was sie für ihr Leben und ihre Arbeit brauchen, werden sie schon vorbereitet finden! Sie sollen sich nur für Sein Reich abmühen.

Oh, welche Mühe! Mühe, unter allen Umständen im Frieden zu bleiben; Mühe, den Blick von sich abzuwenden, um sich an Ihm zu orientieren und sich an Ihm zu erfreuen; Mühe, Sohn zu bleiben; Mühe, anderen die Worte und das Lächeln Gottes weiterzugeben. Aber all diese Mühe ist vergessen, wenn du den Vater über deine Armut geneigt siehst, damit dir an Nötigem nichts fehlt und manchmal auch nichts an Überfluß!

„Selig die Armen“: Ich erinnere mich, diese Worte vom Meister gehört zu haben. Ja, selig die Armen, weil sie die Hand des Vaters sehen können, die sich für sie öffnet.

Selig diejenigen, die Jesus wählen und sich nicht um sich selbst kümmern; sie sorgen sich nicht mehr um diese Welt, welche glaubt, nur im Reichtum existieren zu können. Das ist der Moment, in dem sich die Welt von Gott entfernt, sie verliert sich in ihrem Meer an Nichtigkeiten.

Selig, wer alles verteilt, was er besitzt, wer sich loslöst von allem, wer sich arm macht, um JESUS zu lieben, nur um IHN im Herzen zu haben.

Ich, Andreas, der ich mich wegen der Armut beklagt habe, kann es dir sagen: Gib nur all deine Perlen her! Riskiere nicht, daß eine von ihnen Raum in deinem Herzen gewinnt.

Dein ganzes Herz gebührt JESUS, Er ist es wert! Es gibt keinen kostbareren Schatz, weil du dann den VATER neben dir sehen kannst.

 

 

JAKOBUS

(von der Armut im Geiste)

„Sag uns, wann wird das geschehen...?“

(Mk 13,3)

Ihr kennt mich mit dem tönenden Beinamen: „Boanergès“, d.h. „Sohn des Donners“ und ... vergeßt ihn nicht, denn ich hatte ihn wohl verdient mit meinem angeborenen Bestreben, die anderen übertreffen zu wollen. Ein angeborenes Verlangen, sicher, aber vergrößert durch meine Anmaßung. Ich glaubte, daß in der Welt der Menschen das gleiche Gesetz wie in der Welt der Fische gilt: Die Großen fressen die Kleinen. Ich wollte ein großer Fisch sein, immer oben auf .... und deshalb gebrauchte ich auch die tönende Stimme!

Der Meister ertrug mich, er sagte nichts, aber er gab mir ein anderes Beispiel. Ich war versucht zu glauben, daß diese stille Art, dieses ständige Schweigen, ein Zeichen von Schüchternheit und fehlender Persönlichkeit sei, statt dessen habe ich gemerkt, daß es nur Liebe war.

Er war nicht schüchtern, ihm fehlte es nicht an Persönlichkeit, im Gegenteil! Gerade seine Stärke benutzte er, um zu lieben und zu bewirken, daß wir uns bei Ihm wohl fühlen, daß unsere Persönlichkeit wachsen, sich entfalten und offenbaren konnte.

Im Laufe der Jahre und im Sammeln eigener und anderer Erfahrungen habe ich dann gemerkt, daß das „Sohn-des-Donners-Sein“ nur ein Zeichen von Oberflächlichkeit ist. Ich war sehr oberflächlich, schaute auf den Anschein und darum liebte ich den Lärm.

Als ich begann, die Gegenwart und das Handeln des Heiligen Geistes zu ahnen, habe ich auch begonnen, aus einer anderen, neuen und ungewöhnlichen Tiefe zu leben. Ich weiß nicht, was diejenigen von mir dachten, die mich von früher her kannten. Ich war gewiß so verändert, als wäre meine Persönlichkeit ausgewechselt. Aber ich danke dem Herrn: Eine ähnliche Veränderung wünsche ich allen. Ein neues Leben begann in mir. Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, vielleicht inneres Leben, oder göttliches Leben, oder geistliches Leben. Vielleicht ist dies das Eintreten ins Reich Gottes, denn auf der Ebene dieses Lebens stehen nicht mehr die Freuden und Wünsche der Welt im Vordergrund, sondern die Liebe des Vaters für alle. Ja, das ist wirklich die Schwelle zum Himmelreich!

Ich war tatsächlich sehr oberflächlich. Wenn ich daran denke, muß ich erröten. Auch meine Neugierde war nur ein Zeichen meiner Oberflächlichkeit. Ja, ich war neugierig. Zusammen mit meinem Bruder und den beiden Söhnen des Jona habe ich mir erlaubt, den Meister Dinge zu fragen, die man nicht fragt. Aber ich war oberflächlich, ich suchte und gab mich mit der äußeren Schale der Wirklichkeit zufrieden.

Ich habe ihn gefragt, bei welcher Gelegenheit oder in welchem Jahr gewisse bedeutsame Dinge geschehen würden. Es war eine Frage der Neugierde. Ich wollte es wissen um zu wissen; wollte die Geheimnisse Gottes kennen aus Freude am Wissen, oder, wer weiß, was in mir steckte; vielleicht der Wunsch, mehr zu sein als die anderen, als Erster informiert zu werden, um sagen zu können: „Ich wußte es bereits!“

Es war Neugierde, die mich ablenkte von meiner Aufgabe, vom Achten auf meinen Herrn. Mein Leben ist in Ihm, im Verborgensein in Ihm: das mußte ich lernen. Es nützt mir nichts zu wissen, wann eine wichtiges Ereignis geschieht, sondern es nützt mir, heute eingetaucht in die Liebe des Vaters zu bleiben, festgeklammert an Jesus.

Nicht einmal die Engel kennen die Zukunft, auch Jesus, der Meister, sorgt sich nicht darum. So will auch ich, Sein Jünger, mich nicht an Phantastereien weiden und an der Suche nach Vorhersagen und Vorahnungen. Mit solchen Dingen spielt der Teufel.

Darum sind die Neugierigen stets entfernt von der Wirklichkeit, immer außerhalb des Herzens Gottes. Er öffnet es denen nicht, die sich Ihm nähern, um etwas in Erfahrung zu bringen, sondern denen, die zu Ihm kommen, um sich Ihm darzubringen, um sich Ihm zur Verfügung zu stellen, Ihn zu lieben. Ihnen öffnet der Vater das Herz und tut ihnen seine Geheimnisse kund, ohne daß sie danach fragen, ohne daß sie es wahrnehmen.

Gott öffnet das Herz nicht denen, die ihn studieren wollen und damit prahlen, was sie in Seinem Licht gesehen haben. Des Vaters Herz wird durchscheinend für diejenigen, die sich mit Liebe in ihm versenken. Und dies widerfährt den Kleinen, den Demütigen, den Zufriedenen.

Das hat uns eines Tages unser Meister gesagt und ich habe es erfahren: Wenn ich versuche, Gott zu verstehen, entferne ich mich von Ihm. Wenn ich Ihn lieben möchte, mich Ihm hingeben, verstehe ich Ihn.

Die Handlungsweise Gottes ist sonderbar; sie ist wunderbar und weise. Selig ist die Armut im Geiste! Der demütige und arme Geist, der nicht nach großen Dingen sucht, der nicht alles und sofort wissen will, dieser Geist ist selig. Er hat die idealen Voraussetzungen, um das Licht des Reiches zu empfangen.

Selig, wer sich dem Herrn und Seinen Geschöpfen mit Dankbarkeit naht, nicht mit Neugierde! Die auf die Dinge Gottes oder auf die seiner Geschöpfe gerichtete Neugierde verhindert, Gott zu erkennen. Ich habe gelernt, mich mit dem zufrieden zu geben, was Jesus selbst mir sagt: Das allein ist nützlich und notwendig, damit mein Leben zur Offenbarung Seines Lebens wird.

Die Neugierde erzeugt den Wunsch nach Eitelkeit, so wie es gerade mir passiert ist. Ich wollte im voraus wissen, welcher Platz mir zugedacht ist, um mir den ersten zu erobern. In dieses sonderbare Verhalten habe ich auch meinen jüngeren Bruder hineingezogen.

Jesus war gut mit mir, er hat mich nicht gescholten, sondern er hat mir gezeigt, daß mein Platz Sein Platz sein muß: mich dem Vater opfern, aus seinem bitteren Kelch trinken, das Leben hingeben.

Wenn ich etwas für mich suche, sei es eine Stellung, sei es das Wissen einer Neuigkeit, so lebe ich kein göttliches Leben, weil ich auf mich konzentriert bin. Nur wenn ich sagen kann „Hier bin ich“, „In mir erfülle sich Dein Wort“, dann ist mein Leben und das des Sohnes eins!

Ich, Jakobus, Sohn des Zebedäus, Sohn des Donners, freue mich, dir sagen zu können, daß die innere Armut, das Sich-Begnügen in allem, das Stillewerden, ein großes Geschenk und eine Hilfe ist, um Jesus zu lieben.

Nichts für sich wünschen ist ein großer Gewinn: Es bringt dir den Frieden Gottes und die Ähnlichkeit mit Ihm!

 

 

JENER ...

(von der Keuschheit)

„... den Jesus liebte.“

(Joh 13, 23)

Ich wünsche, daß mein Name nicht auf dem Papier aufscheint. Nur der Name Jesu ist dessen würdig. Und solange meine Person Ihm den Platz überlassen kann, freue ich mich und fühle mich geehrt. Mir scheint, daß darin auch die Bedeutung jeder wahren Anbetung und jeder wahren Liebe liegt. Die Anbetung ist das Sich-Niederwerfen, damit das Licht Gottes nicht behindert wird, damit Seine Gegenwart den ganzen Raum einnehmen kann.

Und die wahre Liebe ist jene, welche ein Höchstmaß an Freiheit gewährt und völliges Vertrauen schenkt.

Von mir selbst will ich nur das erwähnen, was Ihm, Jesus, die Ehre geben kann. Was in mir an „Wahrem“ und Gutem vorhanden ist, ist nur das, was Jesus hineingelegt hat.

Er hat mich geliebt. Er war für mich alles: Vater, Mutter, Bruder und Freund; Er ist mein Leben geworden.

Ich lebe und bin im Reich Gottes gerade so viel – wirklich viel -, wie Jesus mich geliebt hat. Ich bin sicher, daß Jesus allen Liebe geschenkt hat, er hat jedem von uns viel geschenkt. Allerdings will ich nicht die Liebe verbergen, die Er mir geschenkt hat. Ich will sie nicht in der Masse verbergen, als sei es selbstverständlich, daß Er auch mich liebt, wenn Er alle liebt. Nein! Seine Liebe galt mir persönlich. Er hat mich geliebt. Wenn ich zurückdenke, freue ich mich immer wieder neu über jedes kleine Zeichen Seiner Liebe mir gegenüber.

Jedes Wort aus Seinem Mund galt mir; jedes Wunder, das Er gewirkt hat, war ein Geschenk für mich; jedes Schweigen seinerseits war voll der Liebe für mich! Jeder Blick, jeder Schritt, jedes Ertragen der Mühen war Liebe für mich. Jeder Tropfen Blut, den Er bei seinen unsäglichen Leiden verlor, war eine große Liebe für mich. Wie sehr hat mich Jesus geliebt! Ich will es euch sagen, es euch mitteilen, damit ihr versteht, wieviel Liebe in Seinem Herzen war!

Er hat mir auch erlaubt, einer von den drei Zeugen der ganz geheimnisvollen Momente zu sein: Auf dem Tabor durfte auch ich dabei sein, so auch im Hause des Jairus und in Getsemani. War es eine Bevorzugung Jesu für mich? Ein Vorrecht? Ich habe es wie ein Vorrecht erlebt, aber im Herzen meines Herrn war es kein Vorrecht, sondern Vorbereitung. Er wollte mich für Aufgaben vorbereiten, die Er mir für seine anderen und meine Freunde anvertraute. Es war eine Liebestat für alle!

Die Liebe Jesu fordert nichts, sie ist kostenlos. Die kostenlose Liebe ist die schönste, die anziehendste. Darum habe auch mich entschlossen, Seine Liebe zu leben, eine kostenlose Liebe. Ich habe mein Leben Jesus geschenkt. Ihm habe ich meine Vergangenheit gegeben: Ich schaue nicht mehr zurück, betrachte sie nicht mehr als die meine. Es wird vieles zu bereinigen sein - Er tut das, dessen bin ich gewiß.

Ihm habe ich die Gegenwart geschenkt bzw. schenke sie Ihm, diesen Moment, in dem ich mit dir rede: Dieser Moment gehört Ihm, deshalb gilt meine Aufmerksamkeit mehr Ihm, als dir. Ihm will ich meine Zukunft schenken; mein ganzes zukünftiges Leben gehört Ihm und wird Ihm gehören! Er kann über mich verfügen, wie Er will. Deshalb lasse ich mich auf niemanden ein, deshalb halte ich mein Herz frei von der Liebe zu einer Frau, damit mein Herz ganz Ihm gehört. Ich halte mein Herz auch frei von der Liebe zu Verwandten und Freunden, denn mein Herz gehört nicht mehr mir.

Vielleicht hast du es bereits gemerkt, sonst sage ich es dir ohne Angst, daß du dich empören könntest: Ich liebe dich nicht. Nein, ich will mein Herz nicht an deines binden; ich lasse nicht zu, daß dein Herz sich an meines bindet. Und dann geschieht etwas Seltsames: Du fühlst dich weitaus mehr geliebt - weil du freigelassen wurdest.

Ich liebe Jesus. Was ich tue, ist Gehorsam Ihm gegenüber, und darum fühlst du dich wirklich geliebt.

Nur Jesus ist fähig, sich von mir lieben zu lassen, von einem Menschen, umsonst. Die Menschen wollen auf irgendeine Art und Weise jede erhaltene Liebestat bezahlen. Der eine tut es mit Geld, der andere mit einer weiteren Liebesgeste: Aber was ist das für eine Liebe .... wenn die Liebesgeste gemacht wird, um zu bezahlen?

Ich will nur so lieben wie Jesus, umsonst. Darum kann ich nur Ihn lieben und nur von Ihm Liebe empfangen, sollte Er mir noch mehr schenken.

Wenn du mich liebst, danke ich vor allem Jesus: Dein Liebeszeichen betrachte ich, als ob es von Ihm kommt. Deine Fähigkeit zu lieben, ist in der Tat nur ein Geschenk von Ihm! Ich danke auch dir, wie man einem Knecht dankt, der Seinem Herrn gehorsam war.

Die Liebe Jesu zu mir und meine zu Ihm, erfüllt mein Leben. Sie erfüllt mich derart, daß ich mich leer fühlen würde, suchte ich irgendeine andere Liebe.

Die Liebe Jesu ist so vollkommen, so vollendend, daß derjenige, der Seine Liebe genießt und verschenkt, keiner anderen Quelle der Liebe bedarf.

Ja, Er hat gesagt, daß die Kinder Gottes den Engeln gleich sind! (Lk 20,35)

Körper und Seele sind nicht mehr entscheidend, entscheidend sind nur die Zeichen Gottes, wie für die Engel, denn der Unverheiratete sorgt sich nur darum, wie er dem Herrn gefallen kann.

Ich habe den Weg derjenigen gewählt, die sich um des Himmelreiches willen zu Eunuchen gemacht haben, die alle Liebesfähigkeit für Jesus bewahrt haben.

Die Menschen dieser Welt schätzen diese Entscheidung nicht, weil sie Jesus nicht kennen und folglich auch nicht den Reichtum und die Vollkommenheit Seiner Liebe. Aber ich bin beauftragt, sie ihnen aufzuzeigen, gerade durch diese ständige Entscheidung: jeden Tag.

Ja, manche Person dieser Welt wird merken, welche Kraft im Reich Gottes steckt, wenn sie meine ganze Liebe zu Jesus sieht.

Und mancher kann vielleicht verstehen, daß all die Liebe Gott gehört, und besinnt sich, daß auch er dazu bestimmt ist, ganz in Ihn einzutauchen. Doch ich wähle Jesus nicht, damit mein Leben eine Predigt sei, sondern weil Er, Jesus, mich geliebt hat und würdig ist, meine ganze Liebe zu empfangen.

Wie derjenige, der heiratet, Vater und Mutter verläßt, um mit dem Ehepartner zu leben, so ist es auch bei mir: Weil ich mich selbst ganz Jesus geschenkt habe, habe ich alle vergangenen Bindungen abgebrochen, die mich an diese Welt fesselten und einen Teil meines Herzens beherrschten. Diese habe ich verlassen.

Jesus war gut zu mir. Gewiß habe ich es nicht verdient. Er hat mir die Aufgabe gegeben, mit Seiner Mutter gemeinsam zu leben. Jesus hat mir eine Familie gegeben und Er hat mich einer Familie geschenkt, die beste, die Er kannte, die einzige, über die Er bestimmen konnte. Über Seine Mutter konnte Er verfügen, denn sie hatte die Treue zu Gott erklärt, Gehorsam für immer: „Mir geschehe nach deinem Wort.“

Mit Seiner Mutter habe ich angefangen als Sohn zu leben. Ich habe ein „gemeinsames“ Leben begonnen aus Liebe zu Jesus, mit ihr, die Jesus liebte, aus Gehorsam zu Ihm.

Jesus das ganze Herz schenken ist der Beginn eines großen, schönen Abenteuers! Die Überraschungen, die Er vorbereitet hat, sind eine ständige Belohnung. Wenn ich Ihn umsonst liebe, werde ich von Ihm auf „göttliche“ Weise belohnt.

Ich, der Jünger, den Jesus liebte, ermutige dich, JESUS allein zu lieben,

Ihn allein als Bräutigam zu wählen. Vermähle dich mit Ihm: Er ist es wert!

 

 

PHILIPPUS

(von der Kontemplation)

„Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns.“

(Joh 14,8)

Ich bin ein Mensch der Sicherheiten. Ich will schnell zu einem Abschluß kommen; mir gefällt es nicht, sich aufzuhalten mit nachdenken, abwägen, beraten ... Zumindest war ich so. Mir geht es um konkrete Dinge! Auch als Nathanael mir seine Unschlüssigkeit über Jesus kundtat, sagte ich einfach zu ihm: „Komm und sieh.“ Ich wollte mir immer gern persönlich über eine Sache Klarheit verschaffen. Weitererzählte Dinge sind immer gefiltert, sie sind nicht unverfälscht. So glaubte ich, daß auch Jesus mir gefilterte Dinge berichtete, wenn Er vom Vater sprach. Er beschrieb Ihn so gut, wie es nur einer kann, der gesehen hat, aber ich wollte selbst sehen.

Den Vater sehen wollen! Jener Psalm wurde mir gut beigebracht, in dem es heißt: „Dein Angesicht, Herr, suche ich, zeige mir dein Angesicht“, es war mein Lieblingsgebet. Als sich die Gelegenheit ergab, habe ich die Frage an Jesus gerichtet: „Zeig uns den Vater.“ Das hätte mir genügt, denn ich glaubte, dann zufrieden gestellt zu sein und das Ziel von allem erreicht zu haben.

Jesus, geduldig und ... erstaunt, wunderte sich: „So lange Zeit bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich sieht, sieht den Vater.“ Ich verstand nichts mehr. Aber wie? Jesus, aus Fleisch und Blut, konnte doch nicht der Vater sein! Der Vater ist Geist, Er ist im Himmel, Er braucht weder Kleidung noch Brot, der Vater leidet nicht unter Kälte und Hitze! Die Antwort Jesu befriedigte mich nicht. Und doch, wenn der Meister so spricht, muß es so sein.

Ich hatte bereits den Vater gesehen, ohne es zu wissen, ohne Ihn bemerkt zu haben. Die Antwort Jesu hat mich nachdenklich gemacht: wie konnte ich so blind sein? Ich machte mich von neuem auf die Suche, ohne den Mut zu verlieren. Indem ich Jesus anschaute, versuchte ich, den Vater zu sehen. Aber mir blieb wenig Zeit, wenige Stunden, weil Er noch in derselben Nacht ausgeliefert wurde. Doch hatte ich die Möglichkeit, zurückzukehren - in der Erinnerung - zu den früheren Jahren, als er zu mir jenes „Folge mir nach“ sagte, das mein Leben verändert hat.

Hier sind die Resultate meiner Beobachtungen:

Ich sah, wie Jesus mit Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit die Kinder aufnahm. Das war etwas Neues! Ein Mann sucht die Aufmerksamkeit reifer Personen, die ihm wiederum Ehre und Achtung erweisen können.

Wenn Jesus Kindern begegnete, schaute er sie zärtlich an. Ja, hier habe ich nun die Haltung des Vaters in Ihm gesehen, von dem der Prophet sagt: „Mit menschlichen Fesseln zog ich sie an mich, mit den Ketten der Liebe. Ich war da für sie wie die Eltern, die den Säugling an ihre Wangen heben.“ Als ich Jesus betrachtete, habe ich das zarte Herz des Vaters gesehen, das sich über jedes seiner Geschöpfe neigt.

Ich habe Jesus gesehen, wie er mit Weisheit zum Volk redete. Er sprach Worte, die ins Innerste des Herzens trafen, in denen man tiefe Wahrheit spürte. Es bedurfte keiner weiteren Überlegungen mehr, um zu überzeugen. Ich spürte, bzw. wir spürten, daß das, was Er sagte, wahr war, weil es meine und unsere Erfahrung berührte. Ja, die Worte Jesu ließen Wirklichkeit werden, was Gott durch den Mund des Propheten Jeremia bereits angekündigt hatte.

„Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“ Wenn ich Jesus hörte, so hörte ich die Stimme des Vaters.

Ich habe gesehen, wie Jesus sich über Kranke aller Art geneigt hat, wie er Mitleid mit ihnen hatte, wie er ihren Schrei der Hoffnung hörte oder ihn bereits ahnte, bevor sie ihn ausstießen. Und von Jesus ging eine Kraft aus, die alle heilte.

Ich habe Jesus gesehen und in Ihm mit eigenen Augen die Güte des Vaters geschaut, der „die Worte meines Mundes hört“ und der „von fern meine Gedanken durchschaut.“ Er weiß mein Wort, bevor es auf meiner Zunge ist - wie ich oft mit den Psalmen bete. Ich habe die Macht und Güte des VATERS geschaut, der die Wunden verbindet und heilt.

Ich habe gesehen, wie Jesus mild und nachgiebig mit den Armen war, aber hart und entschieden mit den Stolzen und Unnachgiebigen. Erst jetzt merke ich, daß ich in Ihm die Haltung des Vaters gesehen habe, der „auf die Niedrigen schaut, und die Stolzen von fern erkennt.“ (Ps 138,6)

Ich habe gesehen und gehört, wie Jesus dem Gelähmten und der Ehebrecherin die Worte der Vergebung schenkte, und wie Er den Zöllner Zachäus wieder mit den Menschen und mit Gott versöhnte. Ja, ich sah den Vater, der die Schuld vergibt, denn „Wären eure Sünden auch rot wie Scharlach, sie sollen weiß werden wie Schnee.“ (Jes 1,18)

Indem ich auf Jesus schaute, habe ich den Vater gesehen! Aber noch mehr habe ich Ihn in den Tagen und Stunden des Leidens und des Todes gesehen. Als ich hörte, wie er im Garten Judas ansprach mit dem Gruß „Freund“, wie Er sich von ihm küssen ließ, da habe ich das Herz des Vaters gesehen, das nicht auf die Beleidigungen sieht, sondern Hoffnung nährt bis zum Schluß.

Und betrachte ich Jesus am Kreuz, so wie ihn mir Johannes beschrieben hat - denn ich, gefangen in Angst und Enttäuschung, habe nicht gewagt, dorthin zu gehen -, kann ich fortwährend die Liebe des Vaters betrachten, jenes Vaters, der sich ganz verschenkt zum Heil derer, die Ihn nicht geliebt, Ihn nicht aufgenommen, Ihm nicht gehorcht haben.

Wenn ich auf Jesus schaue, sehe ich wahrhaftig den Vater!

Der Vater im Himmel wurde für alle sichtbar in Jesus! Der Vorhang des Tempels ist zerrissen. Das Angesicht des Vaters kann von allen betrachtet werden. Ich, Philippus, höre nicht mehr auf, Jesus anzuschauen, um den Vater zu sehen. Es ist ein Schauen, das Freude und Frieden schenkt; ein Schauen, das zur Liebe bewegt, das mir Klarheit und Kraft gibt, meine Aufgaben als Sohn zu erkennen und sie auch frohen Mutes auszuführen.

Ich weiß, daß die Versuchung des Menschen – eine häufige Versuchung auch in mir -, darin besteht, sich aufzuhalten in der Betrachtung der Menschen, ihrer Handlungsweisen und Werke. Sie haben eine Anziehungskraft, weil sie durchtränkt sind von jenem Egoismus, von welchem ich sage, daß ich ihn überwinden und besiegen will.

Aber wenn ich darauf schaue, bekomme ich nicht die Kraft, die Schwierigkeiten und Neigungen meiner Schwächen und Versuchungen zu überwinden. Schaue ich auf das Böse in der Welt, werde ich nur traurig und gereizt. Ich lasse mich auf die Dauer hinreißen zu einer Haltung der Neugierde, dann des Urteilens und schließlich des Verurteilens und der Anklage der Menschen. Der „Ankläger der Brüder“ würde sich freuen in mir, während „er schon gestürzt worden ist!“ Begebe ich mich auf die Suche nach dem Bösen, finde ich mich geschwächt und verarmt wieder.

Schaue ich auf Jesus und betrachte ich in Ihm das Angesicht des Vaters, erhält mein Herz einen Ansporn zur Liebe, zur Freude und zur Hoffnung, die Ängste der Schöpfung zu überwinden. Dann kann mein Gesicht der Welt Strahlen des Lichtes schenken, kann es ein Spiegel von dem sein, was ich im Himmel sehe.

Die Betrachtung Gottes gibt mir jene Kraft und jene „Neuigkeit“, die für die Menschen wirklich notwendig sind, für jeden Menschen. Durch meine Gottesbetrachtung erhält die Welt Hoffnung, Zeichen der Liebe und des Mitgefühls, erhält sie Grund zum Frieden und zur Freude.

Ich, der Jünger der Neugierde und der Sachlichkeit, ermahne dich, viel Zeit aufzuwenden, um in Jesus den VATER zu betrachten.

Du wirst ein kostbares Geschenk für deine Brüder im Glauben und für alle Menschen werden.

 

 

BARTHOLOMÄUS

(vom Enthusiasmus)

„Woher kennst du mich?“

(Joh 1,48)

Ich, Sohn des Thomai, habe bei der Beschneidung einen schönen Namen bekommen: Natanael, „Gott hat gegeben.“ Mein Leben, meine Gegenwart hier, und vor allem meine Zugehörigkeit zu denen, die Jesus nachfolgen, ist ein Geschenk Gottes. Wenn ich auch ein wahrer Israelit bin, einer von jenen der ersten Stunde, welche nicht durch Gold oder fremde Götter verdorben sind, möchte ich doch mit Dankbarkeit zugeben, daß ich dies nur der Güte Gottes zu verdanken habe. Ich habe nichts, dessen ich mich rühmen könnte. Alles Gute, alles Schöne kommt vom Vater!

Ich muß zugeben, daß in meiner Einfachheit und in meiner Fähigkeit zu staunen, die Wurzel zu einem Kennzeichen meines Temperaments gelegt ist: der Enthusiasmus!

Ich lasse mich schnell begeistern. Sehe ich schöne Dinge, Gaben Gottes - bin ich begeistert. Begegne ich Menschen, an denen Gott in Seiner Barmherzigkeit und Weisheit gehandelt hat - bin ich begeistert.

Deswegen halten mich viele für einen sympathischen Typ und sind mir wohl gesonnen. Wer weiß, ob Philippus nicht gerade deswegen in solcher Eile zu mir kam, um mir von dem Mann aus Nazareth zu erzählen, weil er wußte, daß mich diese Nachricht sofort begeistern würde? Ich hingegen habe ihn gleich enttäuscht. Ich kannte Nazareth: Weder die Menschen noch der Ort waren etwas Besonderes.

Darum habe ich ihm abweisend mit dem berühmt gewordenen Satz geantwortet: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ Enttäuschen und selbst enttäuscht sein, ist typisch für Enthusiasten. Wie sich uns in der Natur herrliche Bergketten zeigen, so sind sie doch begleitet von unzähligen Tälern. Enthusiasmus und Niedergeschlagenheit gehören zusammen.

Meine Begeisterungsfähigkeit macht mich sympathisch. Fehlt sie aber, werde ich sofort unsympathisch, nachdenklich, fast leer. Mir sind viele Erfahrungen zur Lehre und zum Licht geworden. Ich habe gemerkt, daß der Enthusiasmus den Glauben nicht trägt. Viele Schritte waren nötig, bis es mir auffiel, aber in jener berühmten Donnerstagnacht, als auch ich mit den anderen flüchtete, habe ich gemerkt: Um den Glauben zu bewahren, ist die Liebe nötig, eine Liebe, die sich aufs Spiel setzt, eine bewährte, stille Liebe.

Die Liebe als Frucht des Enthusiasmus hält den Schwierigkeiten nicht stand. Der enthusiastische Glaube läßt sich leicht ersticken, sobald er in Situationen des konkreten Lebens gefordert und gefragt ist.

Das zu lernen, hat mich einiges gekostet. Mein Charakter hat sich nach jener Nacht und jenem schrecklichen Samstag, an dem ich stumm und verängstigt war, merklich geändert. Der Enthusiasmus wich der Betrachtung, der Verinnerlichung der Ereignisse und der Worte.

Ich bewunderte Maria, die Mutter Jesu, die die Stille liebte und zu schätzen wußte. Wie konnte sie sich unter das Kreuz stellen? Wie konnte sie den Frieden und die Standhaftigkeit eines festen, unerschütterlichen Glaubens bewahren, inmitten einer Situation, die viel schrecklicher war als die meine? Sie geriet nie in Enthusiasmus wegen Jesus oder wegen seiner Taten. Wenn sie sich über Ihn freute, freute sie sich in der Stille. Wenn ich begeistert war wegen irgendwelcher Wunder, schloß sie die Augen und versank in Betrachtung. Sie blieb in Frieden. Nicht einmal der Leidensweg erschütterte ihr Innerstes.

Es ist eine Haltung, die mir in gewissem Maße auch bei Johannes auffiel. Er war der Einzige, er, der Jüngste, der Mut besaß.

Ich habe lange über diese Dinge nachgedacht. Ich habe gemerkt, daß die Freude der Begeisterung, die nach außen sofort sichtbar wird, alle Aufmerksamkeit der anderen auf mich selbst zieht. Wer mich begeistert jubeln sieht über Jesus, schaut nicht mehr auf Ihn, sondern ist fixiert auf meine Verhaltensweise. Darin liegt die Lüge. Das Gleiche gilt für die Niedergeschlagenheit, für die Traurigkeit, die von Enttäuschungen herrührt.

Auch in diesem Fall haben die Früchte dieselbe Wurzel: Die Aufmerksamkeit der Personen um mich herum wird angezogen von meinem „Ich“, als wäre es ein Magnet, der alles um sich herum polarisiert. Spielereien des menschlichen Geistes!

So werde ich zu einer Beute der Lüge; denn die Lüge besteht im Verbergen Gottes. Wenn ich mich auf jede erdenkliche Weise zur Schau stelle und die Aufmerksamkeit der Menschen auf mich ziehe, anstatt ihnen zu helfen, sich an Gott zu orientieren, lebe ich in der Lüge.

Das Gleiche taten die unreinen Geister, die Jesus zum Schweigen brachte. Er brachte sie zum Schweigen, weil sie die Wahrheit mit dem Geist der Lüge verkündeten. Sie zogen die Bewunderung auf sich, anstatt zu helfen, Jesus zu gehorchen und anzubeten.

In etwas abgeschwächter Form neigen auch mein Enthusiasmus und meine Niedergeschlagenheit dazu, zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu werden, um mich und die anderen von der Kontemplation und dem Gehorsam Gott gegenüber abzulenken.

Mit Mühe, aber mit freudigem Entschluß, habe ich mich auf den Weg der Stille begeben. Ich habe folgendermaßen begonnen: Wenn ich etwas oder jemanden sah und in Begeisterung ausbrechen wollte, versuchte ich mich zu fragen, was der Herr mir durch diese Begegnung sagen wollte. Und wenn mich etwas zur Niedergeschlagenheit veranlassen wollte, fragte ich mich wieder, welches die Botschaft Gottes für mich sein könnte.

So geschah und geschieht es, daß ich mich nicht in mich selbst verschließe, sondern offen bleibe für die Beziehung zu Gott. Der Heilige Geist bleibt auf mir, und Er bewahrt mir Gelassenheit, Vertrauen und stilles Staunen über die Handlungsweisen des Vaters.

Mein Weg ebnet sich allmählich immer mehr! Manche sagen zu mir, ich sei dabei, gleichgültig zu werden. Es stört mich nicht, denn ich weiß, daß meine Aufmerksamkeit intensiver auf Gott als auf Dinge gerichtet ist. Ein anderer sagt, ich sei nachdenklicher, fast unerschütterlich geworden. Wieder andere sagen, mir andere Dinge. Alle sagen das, was auf ihrem Erfahrungsstand im geistlichen Leben beruht.

Wer in der Vertrautheit mit Jesus, meinem einzigen Herrn, lebt, lächelt mir stillschweigend zu und bekundet mir durch seine Blicke, daß er mich versteht.

Johannes der Täufer forderte dazu auf, die Berge zu ebnen und die Täler aufzufüllen, um dem Herrn, der da kommt, den Weg zu bereiten. Ob er damit etwas Ähnliches meinte, wie diese meine Erfahrung? Die Berge des Enthusiasmus ebnen und die Täler der Niedergeschlagenheit auffüllen, damit der Herr ungehindert in unsere Herzen kommen und in ihnen ungehindert wirken kann?

Auch wenn der Täufer dies nicht gemeint hat, so sage ich es dir nun, ich, Bartholomäus von Kana in Galiläa, nachdem ich es persönlich erfahren habe.

Jetzt, nach diesen Erfahrungen, verstehe ich ein wenig, wieso Jesus mich plötzlich erkannt hat, als Er mich das erste Mal unter dem Feigenbaum sah.

Jetzt, nachdem ich Ihn kennengelernt habe, ist Er mir zum Licht geworden, das mich „erkennen“ läßt, wem ich begegne. Ich sehe, ob die Menschen von Gott sind, oder ob sie Ihm noch nicht angehören. Ich bin ein armer Mensch, aber durch die Gnade Gottes von Ihm erleuchtet.

 

 

MATTHÄUS

(von der Liebe zu den Sündern)

„Und als Jesus in seinem Haus beim Essen war...“

(Mk 2,15)

Es begann damit, daß Jesus meine Einladung annahm, zum Essen in mein Haus zu kommen. Von dem Tag an bin ich immer mit Ihm gegangen. Er ist zu mir zum Essen gekommen, das hätte ich nicht erwartet, im Gegenteil!

Wer das Gesetz kennt und beachtet, geht nicht in das Haus eines Steuereintreibers. Er ist eine unreine Person, sein Haus ist ein unreiner Ort. Warum aber ist Jesus zu mir gekommen?

Vielleicht hatte Er ein anderes Gesetz im Herzen? Oder aber ... ich selbst war, von dem Moment an, als ich entschieden hatte, Ihm nachzufolgen, nicht mehr unrein, noch war mein Haus nicht mehr das Haus eines Zöllners, sondern das Haus eines Freundes Gottes? Das scheint mir die wahre Antwort zu sein. Jesus ist der Heilige, und wer sich Ihm nähert, Ihn aufnimmt, wird gereinigt.

Auch meinem Kollegen aus Jericho, dem Zachäus, ist dasselbe passiert. Er hat Jesus mit Liebe durch die Blätter des Maulbeerbaumes angeschaut. Von dem Moment an war er nicht mehr Sünder, nicht mehr in der Finsternis, weil er den Weg wiedergefunden und die Fenster seines Herzens dem Licht geöffnet hat. Von dem Augenblick an war er ein Kind Gottes - warum also nicht in sein Haus eintreten?

Jesus selbst ist die Rechtfertigung und die Heiligung. Wo Er hinkommt und aufgenommen wird, dort ist das Gesetz erfüllt, dort verschwindet die Finsternis der Sünde. Er kann überall hingehen.

Nur wer Sünder ist, befleckt alles, wohin er auch geht. Höchstens er geht zu Ihm, nimmt Ihn auf, behält Ihn im Herzen. Seit ich Jesus liebe, merke auch ich, daß ich frei bin, frei, überall hinzugeben, ohne mich zu verunreinigen.

Ja, es ist eigentümlich. Wenn ich Jesus liebe, wird für mich alles möglich. Wenn ich Jesus liebe, gelingt es mir sogar, den Sünder zu lieben. Wenn all meine Liebe dem eingeborenen Sohn Gottes gehört, scheint mein Herz Liebe zu atmen, die wirklich ausreichend ist für alle, auch für jene, die mich leiden machten. Es war die Sünde, die mich leiden ließ, die Menschen sind ihre Opfer gewesen. Sie haben es nötig, geliebt zu werden. Wenn ich Jesus liebe, werde ich eins mit Ihm und beginne, Ihn zu verstehen und möchte mich mit Ihm den Menschen schenken, damit sie in die Arme des Vaters gelangen.

Ich habe gemerkt, daß die Liebe zu den Sündern nur dann in mir vorhanden ist, wenn ich allein Jesus liebe.

Dir wird es wie ein Widerspruch erscheinen, aber es ist keiner - es stimmt wirklich. Wenn ich Menschen liebe, werde ich deren Verteidiger gegen andere Menschen. Wenn ich jemand anderen liebe als allein Jesus, beginne ich, in Kategorien und Klassen einzuteilen, in Männer und Frauen, in Junge und Alte. Die Unterschiede im Leben werden zu Schwertern, die die Herzen entzweien. Um Liebe für alle zu haben, muß ich mich wirklich darauf beschränken, nur den Sohn Gottes zu lieben.

Wenn ich Jesus allein liebe, bin ich frei von Sympathien und Antipathien, frei von dem Gefühl der Minderwertigkeit und der Überlegenheit. Wenn ich Jesus allein liebe, bin ich frei von den Urteilen anderer und von meinen Urteilen über andere. Wenn ich die anderen richte, geschieht es häufig, daß ihre Sünde - wahr oder vermutet - Einfluß ausübt auf mein Herz, auf meine Liebe, auf meine Freiheit: Ich gerate in Abhängigkeit vom Verhalten der anderen, und zwar so sehr, daß ich sie nicht liebe oder daß ich zornig werde, wenn mir ihre Verhaltensweisen falsch erscheinen.

Ich bin so schnell beim Urteilen! Es scheint mir angeboren. Und in der Tat glaube ich, sagen zu können, daß dies der wahre Adamsapfel ist. Das Urteilen geschieht so spontan, weil ich glaube, entscheiden zu können, worin für die anderen und für mich das Gute bzw. das Böse besteht. So esse auch ich vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen: Das ist ein großes Hindernis für die Liebe, es führt in tiefe Dunkelheit und völliges Unverständnis.

Da herauskommen kann ich nur, indem ich Jesus vertraue, denn nur Ihm, nur dem SOHN gehört der Baum des Lebens! Er kennt das Gute und das Böse für mich und die anderen, und deshalb will ich Ihm in jeder Situation gehorchen.

Ich frage nicht mehr, was gut und was böse ist, ich werde Ihn fragen. Seinem Wort schenke ich volles Vertrauen, ohne es zu beurteilen. Von mir steht geschrieben: „Er stand auf und folgte Ihm.“ In diesem Satz liegt alle Sehnsucht meines Herzens. Ich möchte jedes Urteilen Jesus überlassen, denn nur ER hat die Aufgabe des Richtens bekommen. Ich will meine Aufmerksamkeit auf Ihn richten und das denken, was Er denkt und das tun, was Er tut!

Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, daß es mir nur gelingt, die Menschen zu lieben, wenn ich auf Jesus schaue. Ich sehe in der Tat, daß Jesus gekommen ist, um den Sündern Liebe zu schenken, ja Er ist gekommen, um ihnen die Gewißheit über das Wohlwollen des Vaters zu bringen.

Jesus hat ein besonderes Augenmerk für diejenigen, die vom Weg abgekommen sind, und Er freut sich wie ein Hirte, der das verlorene Schaf wiederfindet, wenn er ihnen in die Augen schauen kann. Ich habe die Freude Jesu gesehen, als Er zu Zachäus sagen konnte: „Steig herab, ich muß in dein Haus einkehren!“

Mir gelingt es nicht, die Sünder zu lieben, vor allem nicht diejenigen, die an mir schuldig geworden sind. Aber wenn ich mich an meinen Meister erinnere, dann kann ich mit Ihm eins werden, um so allen die Liebe des Vaters weiterzugeben. Jesu Liebe für die Sünder ist wirklich ein Geheimnis.

Er liebt den, der Böses tut, weil er jemand ist, der zum Vater zurückgebracht werden muß. Und vom Vater wissen wir, daß Er nicht den Tod des Sünders will, sondern, daß dieser umkehrt und lebt!

Durch Jesus erreicht die Liebe des Vaters den Sünder. Je tiefer das Dunkel ist, desto willkommener und geschätzter ist das Licht! So kann ich mir die Schönheit und die Größe des Glaubens derjenigen vorstellen, die große Sünder waren.

Auch der Sünder ist berufen, heilig zu sein! Auch ich, ein Zöllner und Sünder, bin berufen, heilig zu sein! In der Schule Jesu habe ich gelernt, nicht auf das zu schauen, was der Mensch getan hat, sondern auf die Größe, zu der Gott ihn beruft, auf die Absicht des Vaters mit ihm. Auf diese Weise bleibt mein Herz immer in der Liebe, immer in Gott.

Ich, Matthäus Levi, bin nicht würdig, dir diese Dinge zu sagen, aber Jesus ist würdig, daß Seine Absichten bekannt werden. Deshalb teile ich sie dir mit, auch wenn ich selbst weit davon entfernt bin, sie vollkommen zu praktizieren.

Du wirst mir durch dein Beispiel helfen, sie täglich zu leben, in immer neuer Liebe zum Sohn Gottes, der mich gerufen hat, bei Ihm zu sein.

 

 

THOMAS

(von der geistlichen Leitung)

„Thomas... war nicht bei ihnen.“

(Joh 20,24)

Ich habe nie eine gute Figur gemacht. Mein Name ist geradezu zum Sprichwort und zur Redewendung geworden, und so werde ich wohl entehrt werden bis in alle Ewigkeit. Aber das macht mir nichts aus. Ich bin froh, zur Zahl derer zu gehören, die von Jesus berufen worden sind. Im folgenden will ich dir einen Weg zeigen, wie du zum Werkzeug Seiner Gegenwart werden kannst.

Ich, der ich nicht an die Auferstehung des Herrn geglaubt hatte, ohne Ihn vorher berührt zu haben, ich, der ich nicht anwesend war bei der Begegnung meiner Brüder mit dem Herrn, möchte jetzt den groben Fehler des Mißtrauens wieder gutmachen. Ich habe Jesus nicht zugetraut, daß Er mir Seine Botschaft mittels der Brüder übermitteln könnte, und den Brüdern habe ich nicht zugetraut, daß der Grund ihrer Freude wirklich die Auferstehung Jesu sei. Er war gut zu mir, und nun möchte ich Ihm Raum geben. Ich will dich nicht überzeugen, ich will dir einen Vorschlag machen.

Jesus hat uns eines Tages gesagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Ich möchte dir vorschlagen, einer von diesen zweien zu sein, die sich im Namen Jesu mit Ausdauer und Beständigkeit zusammenfinden. Es kann dich viel kosten, es kann eine große Belastung sein, aber denke an die Schönheit und ans Werk, das Er vollbringen kann, wenn Er gegenwärtig ist. Daß Er einen konkreten Ort hat, wo Er gegenwärtig sein kann, ist wichtiger als meine Freiheit und Unabhängigkeit. Jesus, der einzige Retter des Menschen, wirklich gegenwärtig in der Gemeinschaft von Jüngern!

Auch du kannst einer von den zweien sein, die beständig im Namen Jesu vereint leben.

Das geschieht gewiß bereits schon auf verschiedene Weise, z.B. wenn du dich zum Gebet oder zu anderen Feiern triffst. Aber die Einheit, die du in solchen Situationen erleben kannst, ist sehr begrenzt und von kurzer Dauer. Dauerhafter und viel tiefer ist die gelebte Einheit derjenigen, die zum Leben in einer Gemeinschaft berufen sind. Aber es gibt eine Art und Weise, die ich dir - wer immer du auch sein magst – vorschlagen will, die für jeden Christen möglich ist, auch wenn er keine besondere Lebensberufung bekommen hat.

Du kannst Einheit suchen mit einem Jünger Jesu, der für dich wie ein Vater ist, ein geistlicher Vater. Vor ihm kann sich dein Herz vollkommen öffnen, und die Einheit im Namen Jesu kann alle, auch die tiefsten Dimensionen des Lebens erreichen.

Die gewollte und gesuchte Einheit mit einem geistlichen Vater aus Liebe zu Jesus ermöglicht eine echte, vollkommene und wirkliche Einheit mit dem Wort Jesu. So kann Seine Gegenwart auch unerwartete und ganz konkrete Dimensionen annehmen.

Ich habe die Früchte erlebt. Früchte des Friedens, der Freude und der Liebe versichern mir, daß in dieser Einheit der Geist Jesu am Werk ist. Wenn ich in dieser Einheit als Sohn mit dem Vater leben kann, so ist es nichts Geringeres als ein Spiegel der Einheit Gottes zwischen Sohn und Vater.

Diese Einheit in Fülle leben, wird dich einiges kosten, so wie Jesus, den das Leben in der Einheit mit dem Vater den Tod gebracht hat. Einssein mit dem Vater, der die Sünder liebt, bedeutete für Jesus in der Liebe bleiben und das Opfer annehmen, auch auf dem Leidensweg. Diesen Aspekt der Einheit nennen wir Gehorsam, das Verleugnen des eigenen Willens und der eigenen Ideen.

In Einheit mit dem geistlichen Vater aus Liebe zu Jesus leben, heißt im Gehorsam leben, heißt sterben. Aber du wirst es gerne tun, denn für diesen Preis kann Jesus Seine Kraft der Liebe heute Wirklichkeit werden lassen.

In Einheit mit dem geistlichen Vater leben, heißt nicht in erster Linie, mit einem zu leben, der mir Anweisungen gibt und mich leitet, sondern in Einheit mit einem, der Jesus liebt und der mit mir Sein Reich sucht. Ich werde ihn Vater nennen, denn durch ihn übergebe ich mein Leben dem Herrn. Er für seinen Teil wird mein Diener und Bruder sein, oder besser, Diener Jesu und Sohn Gottes für mich. Ich versuche, nichts unabhängig, sondern alles in Einheit mit ihm zu tun, alles mit seiner Billigung und mit seinem Segen. So ist Jesus ein Raum garantiert: unser Verhältnis der Einheit.

Der Vater im Himmel wird uns wie Brüder sehen, die gemeinsam unterwegs sind, wobei einer den anderen führt; Brüder, zwischen denen der Geist der Liebe weht, und wo der GEIST ist, dort steht Jesus für uns ein und wirkt persönlich mit.

Diese Art der Einheit kann ich leben und will ich Jesus anbieten, nicht nur wenn ich in Schwierigkeiten stecke, voller Sünden oder mit Problemen beladen bin. Ich will Jesus diese Möglichkeit der Gegenwart immer geben! Nicht nur wenn ich in der Ausbildung bin. Übrigens bin ich als Jünger des Herrn und Kind Gottes immer in der Ausbildung, immer in der Schule.

Ich schlage dir einen neuen Lebensstil vor, dessen bin ich sicher. Aber seit jenem Tag, dem achten nach der Auferstehung, als ich vor dem wirklichen und lebendigen Jesus stand, kann ich nicht anders, als Menschen zu suchen, die sich Ihm hingeben, um Ihm die Möglichkeit zu schenken, auch heute noch konkret zu wirken.

Ich weiß, daß du Ihn liebst: Nur Mut! Ich weiß, daß dir Seine Person mehr am Herzen liegt als deine Persönlichkeit: Nur Mut! Kostbar ist in den Augen des Herrn der Tod seiner Gläubigen. Kostbar für den Vater ist dein Sterben im Offensein und im Gehorsam, denn so kann Er wieder den Sohn zeugen, Ihn der Welt geben, seine Gegenwart als Auferstandener fruchtbar werden lassen.

Er, der Auferstandene, ist fortwährend gegenwärtig nur in der versammelten Gemeinschaft: Bilde auch du eine in Seinem Namen vereinte Gemeinschaft mit wenigstens einem Seiner Jünger. So eröffnest du Ihm eine neue Möglichkeit zu wirken.

Ich, Thomas, trage einen Namen, der zur Einladung paßt, die ich an dich gerichtet habe. Ich heiße Zwilling! Der Zwilling lebt nicht allein: er wird mit einem anderen geboren, wächst mit einem anderen auf. Ich möchte, daß Jesus mein Zwillingsbruder ist.

Er hat mir den Weg gezeigt, die Einheit mit den Seinen. Von dem Tag an, an dem mein Alleinsein Ungläubigkeit in mir erzeugt hat, und Jesus mich davon befreit hat, will ich nicht mehr allein sein, will ich nicht mehr allein leben. Mein Leben möchte ich an einen anderen Freund Jesu binden, aus Liebe zu Ihm. Ich will dich nicht betrügen: keinen Tag und keine Nacht mehr sollst du allein sein. Du würdest Gefahr laufen, Jesus nicht zu sehen, Ihn nicht zu bemerken, nicht Ihm zu gehören. Binde dein Leben an einen Freund Gottes und du wirst gerettet werden.

 

 

JAKOBUS , SOHN DES ALPHÄUS

(von der Verwandtschaft)

„...meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören

und danach handeln.“

(Lk 8,21)

Sie haben mich beneidet, weil ich „Bruder des Herrn“ bin. Es ist wahr, ich bin ein naher Verwandter von Ihm, man kann sagen, zusammen mit Ihm aufgewachsen. Über lange Zeit war es auch für mich ein Grund, stolz zu sein, zu Seiner Verwandtschaft zu gehören.

Nachdem ich - mit den anderen - den Geist des Feuers empfangen hatte, habe ich die Nutzlosigkeit gemerkt, ja sogar die Last der Verwandtschaftsbeziehungen.

Ein Verwandter Jesu zu sein, bedeutete für mich, zu Ihm eine untätige und unfruchtbare Bindung aufrecht zu erhalten. Es war ein Band, das mich hinderte, den Sinn der Zeichen Jesu zu begreifen. Ich betrachtete sie als Anlaß des Ruhmes für mich, wenn sie von der Menge geschätzt wurden, betrachtete sie aber als Anlaß der Schande, wenn sie beim Volk keine Anerkennung fanden. Die verwandtschaftliche Bindung ließ mich nicht frei, Jesus als den Sohn Gottes zu lieben. Außerdem bewirkte sie, daß ich Stellung für Ihn bezog und Ihn nicht frei ließ, so zu handeln, wie es Ihm der Vater eingab.

Von Seiner Mutter hatte ich viel zu lernen. Wer war enger verwandt mit Ihm als sie? Und doch - welch eine Distanz! In ihr wuchs eine Liebe des Gehorsams und des Hörens auf ihren Sohn. Obwohl alle Frauen sie beneideten, rühmte sie sich nie, jemand Besonderes für Ihn zu sein. Zwischen ihnen bestand nicht mehr die verwandtschaftliche Bindung, es blieb allein die Liebe des Vaters.

Als das Feuer (des Geistes) auch auf mich herabgekommen war, wurde auch meine Liebe zu Jesus gereinigt. Sie wurde befreit von verschiedenen Verkrustungen menschlicher Bindungen. Jenes Feuer war für mich eine wirkliche Befreiung! Erst von da an habe ich die tiefe Dimension der geistlichen Einheit mit dem Sohne Gottes begriffen, und zwar als neues, echtes Leben - zum Unterschied der Einheit innerhalb der leiblichen Verwandtschaft. Es war etwas ganz anderes!

Und nun habe ich begonnen, mir diese neue Einheit auch mit meinen anderen Verwandten zu wünschen: mit den Eltern, Brüdern, Onkeln und verschiedenen Cousinen. Ich liebte sie alle - vielmehr, ich glaubte, sie zu lieben. Und sie liebten mich, sie sagten mir, daß sie mich liebten und mein Bestes wollten. Indem sie aber das Beste für mich suchten, kam es dazu, daß sie mich von der Nachfolge Jesu abbringen wollten. Als sie kamen, um Ihn nach Hause zu holen, weil sie Ihn in einer Phase psychischer Erschöpfung glaubten, welchen Druck haben sie da auf mich ausgeübt, mit und ohne Worte!

Auch aus der Ferne ließen sie mich eine große Bedrückung spüren mit ihren kritischen Gedanken, mit ihren Urteilen und mit ihren „berechtigten“ Ansprüchen. Alle Wege waren ihnen recht, nur um mich meiner Freiheit zu berauben. Die einen sagten mir, daß Jesus ein Schwärmer sei, die anderen pochten darauf, daß ich meine Füße auf der Erde behalten müsse und nicht zu sehr auf das vertrauen solle, was ER sagt. Wieder andere wollten mich überzeugen, daß alle anderen Elf hörig gemacht worden seien, und daß ich nicht auch noch dasselbe Risiko eingehen sollte.

Ein anderes Mal griffen sie zu gefühlsmäßigen Überzeugungskünsten: wenn meine Eltern alt würden, müßte ich mich um sie kümmern, und es seien auch noch jüngere Geschwister da, die ich durch meine Arbeit mitzuversorgen hätte.

Manchmal schienen mich die Vernunftgründe wirklich zu überzeugen, wenn sie sagten: Du kannst auch hier Gutes tun, in unserem Ort, in unserem Haus. Es stimmte: ich konnte Gutes tun ... aber Gutes tun heißt nicht, Jesus nachfolgen! Die Nachfolge Jesu ist etwas anderes als Gutes tun. Auch der Gottlose kann Gutes tun, ebenso wie der Pharisäer. Wenn Jesus mich in die Nachfolge ruft, dann ist dies „das Gute“, das Gott von mir verlangt.

Wieviel innere Kämpfe wegen meiner Verwandten!

Manche begannen, mir zu glauben und liebten mich um so mehr: es waren diejenigen, welche selbst begonnen hatten, Jesus zu schätzen. Andere haben das Verhältnis mit mir gebrochen: mein Verwandtsein hat nur dazu gedient, mich aus ihrem Kreis auszuschließen. Es sind diejenigen, welche eine Beziehung zu Jesus nur aus Opportunitätsgründen bewahrt haben: „Vielleicht brauchen wir Ihn eines Tages noch, sei es der Gesundheit, sei es der Arbeit wegen...“

Auf jeden Fall habe ich gemerkt, daß ich ihnen gegenüber ein wachsames Herz haben muß. Sie lenken meine Aufmerksamkeit immer auf mich selbst und bringen mich dadurch davon ab, mein Leben Gott zur Verfügung zu stellen.

„Paß auf die Gesundheit auf, gib acht, daß du nicht krank wirst! Iß dies oder das - ich bringe es dir, wenn sie dir es nicht geben! Überanstrenge dich nicht... immer Warnungen.“ Mir scheint immer, daß ich ihnen mit dem antworten muß, was Jesus selbst zu Simon Petrus gesagt hat, als dieser Ihn nicht leiden sehen wollte: „Weg mit mir, Satan,... denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“

Es ist wirklich in den meisten Fällen so. Meine Verwandten möchten gerne meine Christusnachfolge mit weltlichen Gedanken ausfüllen, möchten gerne, daß ich zurückkehre. Ihre Reden sind irdisch, menschlich, fleischlich, während ich nunmehr eine andere Welt gewählt habe und folglich auch ein anderes Ziel habe: das geistliche, innere Leben. Ich suche das Reich Gottes auch auf Kosten meiner Gesundheit, auch zum Preis meines Lebens. Welche Wachsamkeit ist hier gefordert!

Ich glaubte, meine Verwandten zu lieben. An Pfingsten habe ich gemerkt, daß die Liebe, die ich für sie hatte, keine Liebe war; es war nur ein natürliches Gefühl: wie ein Stück meiner Seele, das erfüllt war vom Wunsche, daß es ihm gut geht.

Die wahre Liebe zu den Verwandten hätte sich darin offenbaren müssen, daß ich ihnen das gab, was für mich am kostbarsten war, was mich am meisten bereicherte. Mein Schatz ist JESUS!

Wahre Liebe zu den Verwandten bedeutet, ihnen Jesus näherzubringen: mit Worten, ohne Worte, mit dem Herzen. Das ist meine neue Liebe für sie! Ich liebe sie nicht, weil sie meine Verwandten sind, ich liebe sie, weil ich zu Jesus gehöre, weil Er sie liebt und weil Er wünscht, daß auch sie Ihn kennenlernen.

Die „verwandtschaftliche“ Liebe zu Jesus mußte verschwinden, mußte zerbrechen, damit ich Ihn mit der Liebe des Vaters lieben konnte und mich von Ihm lieben zu lassen. Die „verwandtschaftliche“ Liebe zu meinen Verwandten muß auch zerbrochen werden, damit ich völliger Besitz des Heiligen Geistes sein kann, Besitz der göttlichen Liebe, die geistlich ist und die von menschlichen Gefühlen – genannt Liebe – nur gefesselt und beeinflußt wird.

Diese Art, die Bindungen aus Zuneigung abzubrechen, mag grausam erscheinen, aber es ist wie das Knacken einer Nuß. Du kannst sie nicht genießen, bevor du sie nicht geöffnet hast. Solange man die Bindungen der Zuneigung nicht abbricht, kann man die wahre Liebe, die von Gott kommt, höchstens teilweise empfangen und weitergeben.

Meine Erfahrung - ähnlich der der anderen Elf - läßt keine Zweifel.

Ich, Jakobus, Sohn des Alphäus, Bruder des Herrn, möchte dich ermuntern, dein ganzes Herz Jesus zu schenken. Laß dich nicht abbringen, auch wenn deine Lieben dich daran hindern wollen.

Du liebst sie viel mehr, wenn du ganz dem Herrn gehörst! Und wenn sie merken, daß du ganz entschlossen bist und daß dein Leben ein wirkliches Leben ist und keine momentane Schwärmerei, werden sie dir dafür dankbar sein. Es wird einige Jahre brauchen: die Zeit deiner Treue und der Geduld Gottes.

 

 

SIMON, DER ZELOT

(von der Liebe Jesu)

„Er aber meinte den Tempel seines Leibes.“

(Joh 2,21)

Auch Jesus hat das Wort gebraucht, von dem mein Beiname stammt: „Der Eifer für dein Haus verzehrt mich.“ Auch Jesus war ein Eiferer (=Zelot), allerdings nicht wie ich. Ich suchte leidenschaftlich einen politischen Weg für die Befreiung meiner Nation. Ich kämpfte für meine Überzeugungen, die mir Ansehen in den Augen der Menschen einbrachten. Ich erfüllte die Rolle eines Befreiers oder ich glaubte es zumindest.

Jesus hat auch mich berufen, ihm nachzufolgen.

In der ersten Zeit dachte und träumte ich von der Revolution, die Er planen und verfechten müßte.

Langsam, aber stetig und staunend, stellte ich fest, daß Jesus anders war, als ich dachte. Er sprach weder von Regierung, noch von Politik. Er sprach vom Zusammenleben in der Liebe, das man selbst praktizieren und nicht von anderen verlangen soll. Er sprach davon, Gerechtigkeit zu leben, nicht davon, sie zu fordern. Indem ich auf Jesus schaute, verstand ich nur langsam, langsam, daß die Menschen nicht bessere Führer, sondern Diener brauchen.

Diener befehlen nicht, sie lieben. Jesus war wirklich ein Diener, der in dieser dienenden Haltung bleiben wollte und vor Menschen flüchtete, die Ihn auf das Podest der Herrschaft erheben wollten. Als sie kamen, um Ihn zum König zu machen, verschwand er. Er wußte, wer ihn zum Führer der Nationen machen wollte: der Böse. Ja, Satan hätte Ihm die Macht gegeben, wenn Er ihn nur angebetet hätte. Anderen befehlen, über Nationen herrschen, das ist die Folge der Anbetung Satans.

Die Taten beweisen es! Mein Eifer für die Politik hat eine neue Richtung genommen. Früher kämpfte ich dafür, daß der Tempel, d.h. die jüdische Institution, frei von der römischen Einmischung wäre. Vorher trat ich dafür ein, daß der Tempel, d.h. meine rund um den Tempel organisierte Nation, die einzige Form von Autorität sei für meine Brüder aus Juda und Galiläa. Jetzt weiß ich, daß der einzige Tempel, um den es sich lohnt zu versammeln, die Person meines Meisters ist, Jesus.

Die Institution des Tempels, auch wenn es ein Erbe der Väter ist, ist doch noch eine Form der Unterdrückung des Menschen. Jesus hat es an dem Tag ans Licht gebracht, an dem Er, wie es bereits von dem Messias geschrieben stand, die Peitsche gebrauchte, um Schafe und Ochsen vom Tempelplatz zu vertreiben.

Die Institution des Tempels war für die Menschen ein Hindernis für die Begegnung mit dem Vater geworden. Er förderte eine Begegnung mit einem anonymen Gott, einem Gott, der sich in einen Kaufmann verwandelt hatte. Wenn du ihm eine Taube gabst, gab er dir die Vergebung; wenn du ihm ein Schaf gabst, gab er dir Freundschaft. Ein Gott gleich dem der Heiden.

Mir wurde klar: auch wenn der Tempel von den Steuern befreit worden wäre, hätte er den Herzen noch keine Freiheit gebracht.

Nun ist hier ein neuer Tempel, für den ich mich mit Eifer einsetzen kann. Es ist der „Leib“ Jesu! Jesus, der wahre Mensch, ist der einzige Ort, an dem wir dem Vater begegnen. Seine Person ist der einzige Ort der Freiheit. Und in Ihm, der an jedem Ort und in jedem Moment gegenwärtig ist, fühlen wir uns zu Hause, weil Er die Wohnung des Vaters ist.

Wie meine anderen Brüder habe auch ich erst ein wenig davon verstanden, nachdem Jesus mich mit Seinem Geist angehaucht hatte. Vorher blieb es mir ein Geheimnis.

Vielen bleibt es ein Geheimnis. Unter den Personen, die gerne intelligent sein wollen, die scharfsinnige Vernunftgründe suchen, breitet sich eine gefährliche Art des Denkens aus. Sie glauben, daß die Mission Jesu beendet sei, daß davon nur einige schöne Ideen, traditionelle Überzeugungen und umzusetzende Worte übrig geblieben sind.

Sie nennen es geradezu Theologie! Aber sie vergessen, daß der Mensch durch die Begegnung mit Jesus gerettet wird: eine konkrete Person, ein Mensch aus Fleisch und Blut, kein Phantom, wie Er uns an jenem Tage erleben ließ, als Er trotz verschlossener Türen in unsere Mitte trat.

Der Sohn des Zebedäus hat einen Brief geschrieben, um die Gläubigen vor den Antichristen zu warnen, die das Evangelium auf eine Reihe schöner Ideen reduzieren und dadurch die Herzen davon abbringen, die Person Jesu zu lieben. Ich habe ihn zwar nicht geschrieben, doch welch ein Eifer hat mich für den einzig wahren „Tempel, der sein Leib ist“, erfaßt!

Jesus ist gegenwärtig, Er ist täglich bei uns, damit wir Ihn lieben können. Wenn wir Ihn lieben, lieben wir den Vater und treten ein in seine Intimität. Wenn wir die Person Jesu lieben, finden wir Befreiung von dieser Welt, die die Werte umkehrt und so den Menschen und das menschliche Zusammenleben zerstört.

Wenn wir die Person Jesu lieben, stellen wir wieder die Harmonie in unseren Herzen, in unserem Haus und in unserem sozialen Zusammenleben her. Wenn wir die Person Jesu lieben, bereiten uns die Reiche dieser Welt keine Angst und keine Probleme mehr.

Die Mission Jesu ist nicht beendet. Wir, die Zwölf, setzen sie fort, als Glieder Seines Leibes. Ich merke: nur wenn ich mit Seiner Person vereint bleibe, aus Liebe zu Ihm, führe ich Seinen Auftrag weiter, Sein Sterben aus Liebe. Wenn ich dagegen die anderen von meinen schönen Ideen überzeugen will, die ich über Gott und die Menschen habe, dann ist Gott in mir tot.

Überzeugen wollen, heißt schon herrschen!

Das Leben Gottes wird nicht - zumindest habe ich es nie erlebt - durch Überzeugenwollen weitergegeben, sondern durch das Zeugnis. Und das einzige Zeugnis, das göttliches Leben bringt, ist die Liebe zu Jesusl

Ich, Simon, mit dem Beinamen Eiferer, will dir meine Perle schenken: Jesus lieben! Jesus ist der verborgene Schatz im Acker. Das ist das ewige Leben, das bleibt, das jede Erfahrung und jedes irdische Ereignis überdauert, das allmählich aufblüht, während die Jahre vergehen.

Die Person Jesu lieben! Wenn ich Jesus liebe, ist Gott nicht fern! Er ist in meinem Herzen, so daß ich nichts und niemanden sonst brauche.

 

 

JUDAS, SOHN DES JAKOBUS

(von der Identität Gottes und des Menschen)

„Ihr aber, liebe Brüder,

gründet euch auf euren hochheiligen Glauben...“

(Judas 20)

Ich habe gelernt, mich wegen keiner Sache zu rühmen. Ich war stolz auf meinen Namen: es war der begehrteste und schönste, denn Juda war der Name des glücklichen und gesegneten Stammes. Aber gerade dieser mein Name ist vom Verräter des Menschensohnes und der Menschheit zerstört worden. Heute rühme ich mich nur des Namens Jesu! Auf diesen Namen bin ich stolz. Es ist der Name, der mich mit Gott vereint, der Name, der meine Augen zum Himmel lenkt, der Name, der mein Herz mit Hoffnung und Liebe erfüllt.

Der Name Jesus ist der Name, der für immer mit dem Vater im Himmel verbunden ist.

Es ist der einzige Name, der den dreifachen Namen der Väter ablöst, um den wahren Gott zu identifizieren, der die Menschen liebt und in ihr Leben eintritt.

Wir erkannten und unterschieden den wahren und ewigen Gott mit den Namen des Vaters Abrahams, Isaaks und Jakobs: jener Gott, welcher durch ihren treuen Glauben in unser Geschlecht, in unsere Geschichte eingetreten war. Den einzigen Gott erkannten wir durch den dreifachen Liebesgehorsam dieser drei Väter. Jetzt erkennen wir ihn nicht mehr so, sondern durch den einzigen Sohn, Jesus. Die Identität Gottes, des einzig wahren und heiligen Gottes, erkennen wir durch Jesus.

Wenn die Menschen ohne diesen Namen auskommen oder ihn ignorieren, dann werden sie Gott nicht kennenlernen! Deshalb will ich die Christen warnen: sie übernehmen leicht - indem sie der Versuchung nachgeben, von der Welt angenommen zu werden - die Redeweisen der Menschen der Welt, die von Gott reden, ohne ihn wirklich zu identifizieren. Wer unter GOTT keine konkrete, geschichtliche, unter den Menschen fleischgewordene Wirklichkeit versteht, sieht darin leicht einen fernen Gott, der den Ideen des Menschen entspringt und beeinflußt ist von den veränderlichen oder verwandelbaren Wesenszügen der verschiedenen Kulturen und von den verschiedenen Abhängigkeiten der moralischen und sozialen Gewohnheiten.

Der Gott der Philosophen ist ein Gott ohne Gesicht und ohne Hände, und so auch der Gott jener „Theologen“, die mehr auf die Menschen als auf Jesus schauen. Als Folge davon wird dieser Gott entweder zum Schreckensbild oder zu einem, der alles rechtfertigt, der nicht mehr imstande ist, eine Änderung des Lebens und der menschlichen Vorhaben zu verlangen, der nicht mehr imstande ist, Menschen zu berufen.

Brüder, schauen wir allein auf Gott, den Vater Jesu!

Wir erkennen Gott nur, wenn wir Jesus lieben und seine Willen tun: Dann wird er für uns lebendig, kann er zu uns sprechen und von uns radikale Entscheidungen verlangen, kann er von uns Armut, Opfer und Dienst an den Menschen fordern.

Wenn wir Gott mittels des Namens Jesu erkennen, werden wir ihn als Vater entdecken: nicht einen Gott in unseren Händen, sondern einen Gott, der fähig ist, unser Leben in Seinen Händen zu halten. Der Name JESUS ist der einzig wichtige Name! Er muß im Herzen, in den Augen und auf den Lippen bewahrt werden.

Es ist der Name, der uns vor Selbstbezogenheit und Verwirrung, vor Götzendienst und Aberglaube bewahrt. Er bewahrt vor Stolz und Hochmut.

Mir ist aufgefallen, daß der Name Jesus nicht nur die wahre Identität Gottes offenbart, sondern auch die wahre Identität des Menschen, meine Identität.

Ohne den Namen Jesus bin ich nur ein einfacher Mensch, wohl Geschöpf Gottes, aber in der Gewalt von höheren Mächten, ihnen ausgeliefert und voller Angst. Mit dem Namen Jesus bin ich nicht mehr nur Mensch, sondern Kind: mit dem Namen Jesus wird meine ewige Wirklichkeit hervorgehoben, die ich in den Augen Gottes habe. Ich bin von Ihm geliebt, ich habe einen Vater, ich bin ein Ort der Liebe Gottes.

Nenne ich mich Mensch, wird der Tod, das Ende betont.

Nenne ich mich Kind (Gottes), rückt die Liebe, die Ewigkeit ins Licht.

Nenne ich mich Mensch, ist der Schatten meiner Sünde und der der Gesellschaft da.

Nenne ich mich Kind (Gottes), kommt der Glanz der Vergebung zum Leuchten.

Der Name Jesus ist unentbehrlich: ohne ihn kenne ich nur die Materie, das Ende, die Angst, den Tod - mich kenne ich nicht.

Durch den Namen Jesus erkenne ich meine Beziehung zu Gott: ich weiß, wer ich bin - ein geliebtes Geschöpf Gottes!

Steht der Name Jesus zwischen mir und Gott, ist es für mich nicht mehr wichtig, ob ich klein, unbedeutend, ja sogar Sünder bin, weil ich weiß, wem ich gehöre und in wessen Händen mein Leben liegt. Und jene Hände schenken mir meinen wahren Wert. Welchen Wert kann eine Schreibfeder aus Gold in der Hand des spielenden Kindes haben im Vergleich zum Bleistift aus Holz in der Hand des Künstlers? Die Hände, die sie halten, machen sie wertvoll.

Mit dem Namen Jesus weiß ich, wem ich gehöre, erkenne ich meine wahre Identität.

Jetzt verstehst du, weshalb ich dir empfehle, den Namen Jesus nicht vorschnell zu vergessen, denn du würdest Gefahr laufen, dein Leben und das Leben deines Gottes zu vergessen und zu vergeuden. Du würdest in eine wirkliche Verwirrung geraten, wo alles abgeflacht und gleich ist: die Religionen gleich, die Verhaltensweisen gleich, die Entscheidungen gleichgültig usw. usw. Du könntest nicht mehr die Versuchungen Satans von den Eingebungen des Heiligen Geistes, die menschlichen Reaktionen von den göttlichen Vorschlägen unterscheiden.

Ich, Judas, Sohn des Jakobus, danke Gott für den NAMEN, der mir offenbart worden ist, ein neuer Name, der mein Leben in Besitz nimmt: der Name JESUS.

Der Name meines Vaters, Jakobus, sagt nichts mehr über mein Leben aus. Wenn du mich kennenlernen willst, nenne mich Judas, Sohn des Jesusl

 

 

MATTHIAS

(vom Zeugnisgeben)

„... einer von diesen muß nun zusammen mit uns

Zeuge seiner Auferstehung sein.“

(Apg 1,22)

An der Seite der Zwölf und mit ihnen habe ich von Anfang an gelebt, schon als Er von Johannes getauft worden war, und doch hat mich Jesus nie berufen. Geheimnis Gottes, Zeichen Seiner unerforschlichen Weisheit!

Nun bin auch zu den Zwölfen berufen. Auf welche Weise ich gewählt wurde, ist zweitrangig: wichtig ist nur, daß der Herr mich erwählt hat. Er hat sich der Menschen bedient, ihrer Einfachheit und ihres Glaubens. Und da Jesus ihnen die Macht zu binden und zu lösen gegeben hatte, bin ich .... an die Aufgabe der Elf gebunden, durch ihr Berufung. Und so bin ich Apostel und Zeuge der Auferstehung Jesu für euch.

Ich habe mich oft nach der Bedeutung meiner Aufgabe gefragt: Zeuge der Auferstehung des Herrn zu sein, ist der Sinn meines Lebens. Ich glaube nicht, damit die Entdeckung zum Abschluß gebracht zu haben, aber was ich intuitiv verstanden habe - auch wenn nicht völlig -, teile ich dir mit.

Solange ich Zeuge des Todes Jesu war, war ich traurig, hatte ich Angst, war ich besorgt wegen des Urteils der Anführer und fürchtete ich mich vor ihrem Angesicht. Ich war enttäuscht, überzeugt, versagt zu haben, betrogen worden zu sein. Den Tod betrachtete ich als bevorstehend, schrecklich, sinnlos. Mich beherrschte die Welt mit ihrer Wirklichkeit: mein Leben war ein Zeichen dafür, daß die Kraft des Bösen gesiegt hatte. Gott hatte nichts mehr zu sagen, ich fragte Ihn nicht, wirklich so als ob er tot wäre.

Jetzt weiß ich, daß Jesus auferstanden ist und davon will ich Zeugnis geben. Darin liegt meine Aufgabe: nämlich froh und vertrauensvoll sein. Er ist lebendig in einem vollkommeneren Leben, darum bin ich auch froh über Seinen Tod und froh, daß auch ich an Seinem Leiden und Seinem Sterben teilhaben kann. Ich weiß nämlich, daß ich Seiner Herrlichkeit erneut die Gelegenheit gebe, sich zu offenbaren. Es kostet Mühe, in den Leiden froh zu sein. Ja, wenn der Schmerz oder die Angst die Aufmerksamkeit auf mich selbst lenken, und wenn ich den Schatten des Todes sehe, dann bedarf es großer Anstrengungen, sich über das Leben Jesu zu freuen. Das Zeugnisgeben ist in der Tat ein Martyrium. Ich bin zwar als Letzter dazugekommen, und schon habe ich dies gemerkt.

Den auferstandenen Jesus bezeugen, scheint mir bereits eine Angelegenheit weit außerhalb der üblichen Ansichten der Welt zu sein, außerhalb der allgemeinen Lebensweise und außerhalb der Interessen, welche die Menschen pflegen.

Von dem Moment an, als ich dieses Zeugnisgeben beginnen wollte, befand ich mich außerhalb der Welt. Sie haben es mir gesagt: du bist aus der Welt geflüchtet; die Dinge dieser Weit berühren dich nicht mehr; Ereignisse und Tatsachen (auch nichtige), für die sich die Massen interessieren, lassen dich kalt. Du bist in einen bequemen, abgeschiedenen Raum geflüchtet, umgeben von Überzeugungen, die einen Schutzwall bilden.

Es scheint, daß meine Ankläger es erraten hätten. Aber manches ihrer Worte spiegelt nicht meine Erfahrung wider. Ich bin nicht aus der Welt geflüchtet; ich bin berufen und befreit worden von den Lasten, die die Welt vergebens auferlegt, und von der Lüge ihrer eitlen und leeren Interessen. Wenn meine Ankläger diese Freiheit erleben würden, wären sie sofort bereit, jeden Preis zu zahlen, nur um diesen Reichtum zu erfahren. Weiters bin ich berufen und in diese Weit gestellt als Zeichen für eine andere Lebensart, für ein anderes Leben, das auf größere und dauerhaftere Tatsachen achtet, als die Tageschronik.

Ich bin zur Aufgabe berufen, auf die Tatsache von universaler Bedeutung zu achten: auf die Auferstehung Jesu!

Auf sie achten, heißt: sich freuen, anbeten, schweigen!

Auf sie achten, heißt: die Menschen mit einer anderen Liebe zu lieben, mit einer Liebe, die nicht nur ihre irdischen Dimensionen berührt, sondern die ewigen; eine Liebe, die dem Menschen die Erkenntnis des Vaters schenkt, damit er weiß, daß er für immer Kind (Gottes) ist und damit er geduldig lernt, jeden Tag als Kind (Gottes) zu leben. Ich bin in der Welt als Zeuge einer anderen Welt.

Das ist mein Kreuz, das ist meine Freude!

Was als Flucht erscheint, ist in Wahrheit eine Entdeckung. Scheinbare Begrenzungen sind offene Arme, die auffangen; sie sind ein Geschenk für diejenigen, die von der alten Welt enttäuscht sind.

Die alte Welt, die den Tod bezeugt, ist vom Geld beherrscht und demzufolge von der Angst (es zu verlieren und nichts dazu zu gewinnen), oder von der hektischen Suche, es umzusetzen in das Vergnügen und in Absicherungen für die Zukunft, von der wir nicht wissen, was sie bringen wird. Die alte Welt, die mich von neuem besitzen möchte, bietet mir verrostete Schätze an und erwartet zudem, daß ich sie zu achten weiß, anstatt zu sagen, daß sie doch nur Abfall sind.

Ich freue mich und rühme mich, der ganzen Welt sagen zu können, daß die einzige Person, die ewig lebt, Jesus ist, und daß das einzige Wort, das unversehrt bis in Ewigkeit ertönen wird, das Seine ist; und daß der Einzige, der imstande ist, Freude, Frieden und wahre Brüderlichkeit zu geben, wieder Jesus ist.

Und zum Schluß möchte ich dir die persönliche Nachricht mitteilen: Wenn du nur auf Jesus hörst und Ihm die ganze Liebe und völligen Gehorsam entgegenbringst, dann wirst du glücklich sein, vollkommenen Frieden erleben, und es wird dir gelingen, Liebe an alle weiterzugeben. Du wirst eine der Hände Gottes sein, welche die Menschen der ganzen Welt mit Liebe umfängt.

Ich, Matthias, Apostel Jesu, zur Ehre Gottes, lade dich ein, auf den Herrn zu hören, wenn Er dich durch die Stimme seiner anderen Jünger ruft.

Dein Herz wird von der irdischen Welt herausgehoben in die Welt Gottes. Dann wirst du leben als Zeuge des Unsichtbaren und dein Leben wird die Bedeutung und den Geschmack der Ewigkeit haben.

 

 

PAULUS

(vom Schauen Jesu)

„Ich hatte mich entschlossen,

bei euch nichts zu wissen außer Jesus Christus...“

(1 Kor 2,2)

Ich gehöre nicht zu der Zahl der Zwölf, obwohl ihr mich Apostel nennt. Und ich bin es in der Tat: der Letzte, der Geringste, wie es mein Name sagt.

Da ihr mir die Ehre erweist, zusammen mit Petrus hier zu Wort zu kommen – er hat diese Seiten begonnen -, will ich daran mitarbeiten und sie abschließen.

Ich bin Jesus begegnet, nicht wie die Zwölf während seines Auftretens in Galiläa. Ich bin Ihm außerhalb von Palästina auf einer anderen Weise begegnet. Doch ich bin Ihm begegnet! Er hat sich vor mich gestellt, mich mit Seinem Blick und Seiner Stimme getroffen, und Er hat mich berufen. Diejenigen, die mich gekannt haben, erkannten mich nicht mehr wieder.

Damit diese Begegnung mit Ihm bestätigt und fortgesetzt würde, hat Er mich zu einem Jünger gesandt, der angsterfüllt, aber ein Mann des Gebetes war. Dieser hat mir geholfen, Den kennenzulernen, dem ich auf dem Weg begegnet war (Jesus) und der in Dessen Namen die Gabe meines Lebens angenommen hat. Zudem hat er mir Worte und Lebensorientierungen Jesu überliefert.

Ich bin Jesus begegnet.

Und seitdem höre ich nicht auf, Menschen zu suchen, denen ich diesen Namen, in dem die einzige Rettung besteht, offenbaren kann.

Manche sagen zu mir: Wenn ich Menschen begegne, dann begegne ich Jesus, daß Jesus in den Brüdern ist, sowohl in den christlichen als auch in den ungläubigen, in den unterdrückten und armen Brüdern. Aus dieser Perspektive betrachtet, erkenne ich aber nicht jenen Jesus wieder, der mir auf dem Weg nach Damaskus begegnet ist. Wenn ich in jedem Menschen Jesus sehe, verliere ich die Sprache; mir fehlt dann der Mut, ihm sein Heil zu verkündigen.

Wenn ich in jedem Menschen Jesus sehe, welchen Jesus sehe ich dann? Einen Jesus, der von mir nur ein Glas Wasser, das Almosen eines Lächelns oder eines mühevollen Tages erbittet. Der Jesus hingegen, der mir an jenem Tag begegnet ist, hat mein ganzes Leben gefordert, eine radikale Änderung, einen Sprung in den Glauben. Ich bin Jesus in Seiner Person begegnet, nicht in der Person anderen.

Darum kommt mir heute nicht mit diesen Dingen, die das christliche Leben verwässern. Sie machen es unnütz, fruchtlos; sie machen die christlichen Gemeinden schläfrig, ohne jeden Schwung und ohne Berufungen zu einem Leben in vollkommener Hingabe an das Reich Gottes. Jesus begegne ich vor den Brüdern. In den Brüdern sehe ich Personen, die von jenem Jesus geliebt werden, der mich erobert hat, der mich blind gemacht und geheilt hat.

In den Brüdern sehe ich Personen, die Jesus - dem ich allein begegnet bin, während die anderen nichts davon merkten - retten will. In den Brüdern sehe ich das Verlangen und den Durst, den SOHN GOTTES kennenzulernen, den unausgesprochenen und oft unbewußten Wunsch, Kinder Gottes, Brüder Jesu zu werden!

Wenn ich Jesus in Seiner Person begegne, dann habe ich Mut und Freude, um den Brüdern Seine Weisheit, Seinen Namen, Sein Licht zu schenken.

Es gibt ein „Vorher“, das nicht mißverstanden werden kann. Zuerst Jesus allein, von Angesicht zu Angesicht!

Was würde Petrus sagen? Er hat mir eines seiner Geheimnisse anvertraut: Jesus hat ihn dreimal gefragt: „Liebst du mich?“

Und Petrus geriet von einem Erstaunen ins andere und merkte, daß Jesus ihn nicht nur nicht fragte, ob er verstanden hätte, ob er gelernt hätte, ob er seine Lektionen studiert hätte, sondern auch, daß Jesus ihn nicht fragte, ob er „seine Schafe“ und „seine Lämmer“ liebe, aber ob er IHN allein liebe.

So war Petrus selbst davon überzeugt, daß er einzig und allein JESUS lieben müsse, um die Lämmer Jesu zu weiden.

Um die Schafe Jesu zu ernähren, zu leiten, zu pflegen und zu beschützen, muß er die Person Jesu lieben.

Ich stimme mit den Schlußfolgerungen des Petrus vollkommen überein. Woher glaubt ihr, daß ich selbst sonst die Kraft bekommen hätte, um Beleidigungen und Ketten, Steinigungen und Schiffbrüche, Reisen und Mühen zu ertragen? Ich bekomme sie nicht von den Menschen, sondern nur von Jesus, dem ich von Angesicht zu Angesicht begegnet bin und immer noch begegne. In Seinen Augen sehe ich die Liebe des Vaters für alle Menschen; und dann hält mich niemand mehr auf, weil ich Ihn liebe.

Nichts hält mich mehr auf oder macht mir Angst, weil Er mich liebt!

Es sind nicht die Menschen, die mich anziehen, es ist Jesus, der mich sendet!

Jesus ist wirklich der Mensch, in dem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt. Wenn ich Ihn im Herzen habe, können die Menschen, die mir begegnen, Seinem Wort, Seiner Liebe und Seinem Heil begegnen. Ich bin berufen und gesandt, den Namen Jesus zu verkünden.

Ich will ihn allen bringen, auch dir! Nimm Ihn auf, bete Ihn im Herzen an, flüstere Ihn mit den Lippen, beuge die Knie und laß dich verwandeln. Seid ganz eins, du und Jesus!

Ich, Paulus von Tarsus, habe dir nichts anderes zu sagen als:

„Nicht mehr ich lebe, sondern JESUS lebt in mir.“

 

 

MARIA

(über die Kirche)

„Was er euch sagt, das tut!“

(Joh 2,5)

Als meine Aufgabe und meine Liebe habe ich immer das Schweigen betrachtet, das lange Überlegen des Gesehenen und Gehörten in der Stille. Dank der Stille und Liebe habe ich die Führung Gottes und Seine väterliche Gegenwart in jeder Situation erfahren können.

Was mein Sohn Jesus euch sagt, das tut auch ihr!

Ich habe es auch getan und jeder, der es getan hat, ist selig! Er, Jesus, ist das verläßliche Wort Gottes! Gehorcht Ihm und ihr werdet gerettet!

Ich bin dazu auserwählt, eure Mutter zu sein. Darüber freue ich mich und darunter leide ich: ich leide, wie bei den Wehen einer Geburt, solange ihr nicht in Gott geboren seid; ich freue mich, euch vereint zu sehen mit dem Leben meines Sohnes, als Glieder Seines Leibes, als Mitarbeiter Seines Auftrages.

Ich bin eure Mutter: ich trage euch alle im Herzen, aber ich sehe euch nur dann geboren, wenn ich euch mit meinem Einzigen Sohn vereint sehe. Erst dann ist meine Aufgabe für euch verwirklicht.

Ich begleite euch weiterhin, immerfort, mit Liebe, aber mit Abstand: wie für Jesus, so werde ich auch für euch zur „Frau.“ Wenn ihr mit Ihm vereint seid, will ich, daß euer ganzes Herz allein Ihm gehört. Wenn ihr mich weiterhin betrachtet und mich selig preist, dann seht ihr mich mit dem Blick auf den Sohn Gottes gerichtet, und so sollt auch ihr zusammen mit mir auf Ihn schauen.

Wenn es euch gelingt, die Augen fest auf Ihn zu richten, dann werdet ihr eins sein, eine Familie, dann könnt ihr euch Kirche nennen! Heilige Kirche und Mutter Kirche! Wenn ihr in Ihm und untereinander mit Ihm vereint seid, werdet ihr selbst zur Mutter. Dann könnt auch ihr leiden und euch freuen. Die einen werden für die anderen leiden, bis in euren Brüdern der SOHN so viel Raum gewonnen hat, daß Er ihr ganzes Herz erfüllt. Und ihr werdet euch freuen, weil ihr an dem Geschenk teilhabt, Leben Gottes, ewiges Leben, an die Menschen weiter schenken zu können.

Ihr werdet Kirche sein, heilige Mutter. Mutter der Heiligkeit!

Ihr werdet in mir euer Beispiel für die Mutter Kirche sehen; auch ihr werdet zu den Menschen sagen: „Was er euch sagt, das tut!“

Ihr werdet in mir eine Hilfe, eine Stütze und einen Trost finden. Und daher werdet auch ihr, heilige Kirche, mit Liebe in fortwährender Stille auf all das hören und es meditieren, was der Vater getan hat,

all das, was Jesus vorgelebt hat.

Ohne Liebe und ohne Stille seid ihr, Kirche, nicht Mutter! Vom vielen Reden entsteht nur Wind – in der Stille wird der Sohn Gottes geboren.

Ich bin selig, weil ich die Geheimnisse Gottes in der Stille bewahrt habe, aber sie haben mich verwandelt, und jetzt verkündet – still - mein ganzes Sein voll Freude den Namen, der euch das Leben bringt: JESUS!

 

 

INHALTSVERZEICHNIS

Simon Petrus (vom Gehorsam)

Andreas ( von der Armut)

Jakobus (von der Armut im Geiste)

Jener... (von der Keuschheit)

Philippus (von der Kontemplation)

Bartholemäus (vom Enthusiasmus)

Matthäus (von der Liebe zu den Sündern)

Thomas (von der geistlichen Leitung)

Jakobus, Sohn des Alphäus (von der Verwandtschaft)

Simon, der Zelot (von der Liebe zu Jesus)

Judas, Sohn des Jakobus (von der Identität Gottes u. d. Menschen)

Matthias (vom Zeugnisgeben)

Paulus (vom Schauen Jesu)

Maria (über die Kirche)