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Du bist mein Sohn

DU BIST MEIN SOHN

 

„Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt;

zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen,

der Urheber des ewigen Heils geworden.“

(Hebr 5, 8-9)

 

 

Einleitung

Um einen Nagel in ein hartes Stück Holz zu schlagen, sind viele Schläge auf den Nagelkopf nötig.

Ähnlich häufig wiederholen sich meine Gedanken auf den folgenden Seiten. Hier geht es um einen wichtigen Nagel, der im trockenen und harten Holz unseres Herzens gut befestigt werden muß: an diesen Nagel können aber sehr schwere Lasten gehängt werden.

Ich bin ein Kind Gottes: Kindsein bedeutet, das Leben empfangen, abhängig sein und ausgerichtet auf den Vater. Es ist mein Wunsch, daß dieser Nagel sich in vielen Köpfen und vielen Herzen einprägen möge.

Don Vigilio Covi

 

 

Zusammenfassung:

Jede Versuchung zielt immer auf das eine ab: Den Menschen von der Liebe als Kind zu Gott ablenken.

Konsequenzen: Es entsteht Verwirrung über die wahre Natur des Menschen; dadurch gelangt man zu den seltsamsten Schlußfolgerungen, und der Mensch gerät dabei in die Gewalt seiner selbst und der anderen. Der Zugang zur Erkenntnis Gottes wird verhindert. Nur die Liebe als Sohn kann den Vater erkennen. Wenn diese Liebe fehlt, meint man, daß Gott alles ist, nur nicht Vater, ja sogar ungerecht, grausam und tyrannisch.

Der Weg der Versuchung führt zur Häresie, d.h. zur Verbreitung von Irrlehren. Häresie bezeichnet etwas, das aufgegriffen und ausgewählt wird, das aus seinem Zusammenhang herausgelöst und verabsolutiert wird. Der Versucher, der Satan, bedient sich daher der Worte und Standpunkte, die wahr, göttlich und zum Heil notwendig sind. Er verabsolutiert ein Wort Gottes, indem er es aus seinem Zusammenhang und aus seiner Bedeutung in bezug auf die anderen Worte reißt: so wird der Mensch sofort gegen Gott selbst und gegen die Mitmenschen aufgebracht, im Glauben, in allem recht zu haben. Der Geist des Verstandes spielt dumme Streiche auf diesem Gebiet. Der Mensch wird dadurch außerhalb des Heiligen Geistes geschleudert.

Der Glaube, die Hoffnung, ja sogar die Liebe werden für den Menschen zum Anlaß von Überlegungen, von Stolz und Gewalt.

Der Sieger aber ist Jesus! In Ihm bleiben wir Kinder vor dem Vater. Jesus schenkt uns Gehorsam, Betrachtung und Demut. Demut, damit wir uns nicht auf unsere Überlegungen verlassen, sondern den Vater betrachten, um ihm angemessen mit kindlicher Liebe zu gehorchen.

 

 

1. Prüfung und Versuchung

„Mein Sohn, wenn du dem Herrn dienen willst,

dann mach dich auf Prüfung gefaßt!“ (Sir 2,1)

Es ist kein Wunder, daß der Mensch, und vor allem der Mensch, der Gott gehören will, Hindernissen auf seinem Weg begegnet. Niemand möchte gerne in Versuchung geraten, aber sie bleibt keinem erspart.

Manche denken sogar, daß die Tatsache der Versuchung fast ein Zeichen dafür ist, vom Teufel besessen zu sein, oder im Herzen böse Geister zu beherbergen, etwas „Böses“, „Schlechtes“.

Jede Versuchung stimmt diese Personen daher traurig; sie sind überzeugt, von Gottes Gnade ausgeschlossen und weit vom Ziel entfernt zu sein.

Diese Art zu denken und zu glauben, ist ein „feines“ Spiel der Versuchung selbst, welche die Freude verhindern und Kraft zum Zeugnis für Jesus (wie es der Christ möchte) rauben will. (1)

Aber da der eingeborene Sohn Gottes, Jesus Christus, auch versucht worden ist, können wir die obgenannten Behauptungen nicht mehr aufrecht erhalten, sonst müßten wir zugeben, daß im Herzen Jesu das Böse war, das Faule. Das wäre Gotteslästerung!

Die Versuchungen an sich sind nicht gefährlich. Es sind keine Schwierigkeiten, vor denen man entsetzt fliehen muß. Die Versuchung an sich ist in der Tat eine Prüfung; sie ist etwas, nach dem man sich sehnt.

Jede wertvolle Sache wird vor dem Kauf „geprüft“. Mein Leben, mein Herz und meine Gefühle werden geprüft, bevor ich sagen kann, daß ich Gott gehöre.

Die Worte „Versuchung“ und „Prüfung/Probe“ sind zwei Übersetzungen eines einzigen Begriffes aus dem Griechischen des Neuen Testamentes. Wir übersetzen eine einzige Situation auf unterschiedliche Weise, je nachdem ob wir sie aus den Händen Gottes sehen kommen oder aus den Krallen des Teufels. Der Teufel versucht, Gott ein Herz zu entreißen, Gott aber stellt diejenigen auf die Probe, die ihm gehören wollen.

Von außen betrachtet ist die Situation dieselbe, aber sie kann von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet werden.

Jeder Christ muß geprüft werden. Wer nicht geprüft wird, kann nicht sagen, daß er ein Christ ist.

Es ist wie bei einem Musiker: solange er nicht die Prüfungen bestanden hat, kann er sich nicht als solcher bezeichnen. Das gleiche gilt für jeden Handwerker, für den Schauspieler, für den Journalisten, für den Maurer.

Im Gebet, das von den Lippen Jesu kam und das unsrige geworden ist, sagen wir zum Vater: „ ...und führe uns nicht in Versuchung“. Ich denke, daß man diese Bitte so verstehen kann: „Laß uns in der Versuchung nicht fallen; laß uns nicht in die Hände des Bösen fallen, oder anders ausgedrückt: gib, daß wir in der Prüfung nicht von dem überwältigt werden, der unser Herz von dem Deinigen trennen will.“

Wir bitten den Vater nicht, daß er die Prüfung von uns fernhält. Gold und Silber müssen im Feuer geläutert werden, bevor man ihre Echtheit mit Gewißheit bestätigen kann. Das Kind Gottes muß durch die Prüfung gehen, bevor bestätigt werden kann, daß sein Leben seinen Ursprung in Gott hat.

Darum soll der Christ nicht traurig sein über die Tatsache, daß er Versuchungen mitmachen muß, im Gegenteil, er soll froh sein, daß er die Gelegenheit hat, die eigene Liebe zu Gott zu erproben, ja daß er sogar die Gelegenheit hat, DESSEN Liebe mehr zu schätzen.

Letztendlich handelt es sich darum: zu lieben und sich lieben zu lassen - das ist das Wesen der Kinder Gottes!

 

 

2. Die Liebesprobe

Kaum hatte Jesus die Worte gehört: „Du bist mein geliebter Sohn“ , da kam der Geist Gottes über ihn. Genau von diesem Geist wird er in die Wüste geführt. Zweck dieser Reise ist es, auf die Probe gestellt zu werden. Auch für ihn, wie für Ijob, wird dem Teufel der Auftrag zur Prüfung überlassen.

Der Moment dieser Prüfung ist der Moment, dem die schönsten und glücklichsten Augenblicke vorausgegangen sind: Jesus vernimmt, daß er von Gott selbst als Sohn bezeichnet wird. An den Menschen Jesus wird dieses Wort gerichtet, das ihm die schönste und gleichzeitig geheimnisvollste Identität zusichert. Und mit dieser Bezeichnung durchdringt ihn auch immerfort derselbe Geist Gottes.

Wir wissen, daß der Geist Gottes die Liebesbeziehung zwischen Vater und Sohn ist. Es ist ein Verhältnis gegenseitigen Sich-Selbst-Schenkens: Der Vater liebt, indem er sich selbst verschenkt, und der Sohn, der so das Leben empfangen hat, fährt fort, in gehorsamer Liebe sich selbst zu verschenken.

Der Geist Gottes ist vollkommene Liebe, Liebe des Vaters und Liebe des Sohnes; eine Liebe, die reich an Initiative ist und eine Liebe, die jede Initiative aufgreift; eine Liebe, die zuerst liebt, und Liebe, die antwortet.

Die Liebe führt Jesus in die Wüste. Die Liebe des Vaters zieht Jesus in die Wüste. Dort, am todbringenden Ort, erweist sich die väterliche Liebe wiederum als schöpferische und Leben zeugende Liebe.

Die Liebe des Sohnes treibt Jesus in die Wüste. Dort kann man im Herzen dieses Mannes eine treue und uneigennützige Liebe sehen. In Jesus sieht man die Reinheit der Liebe, eine Liebe, die sich nur selbst verschenkt, die keine Anerkennung und Belohnung sucht.

Die Wüste ist der ideale Ort für die Liebesprobe, der Schmelztiegel, wo es nur die reine Liebe aushalten kann, jene Liebe ohne Verkrustungen des Egozentrismus, des Egoismus oder ohne Suche nach eigenem Gewinn.

In der Wüste liebt Jesus den Vater. Er liebt ihn nicht, weil er Belohnungen und Wohltaten erwartet. In der Wüste wird Jesus nicht einmal mit einem Stück Brot belohnt, nicht einmal das zum Leben Notwendigste bekommt er. Dort liebt er den Vater nur aus Liebe, indem er sich ihm selbst schenkt. Und dort läßt er zu, daß er vom Vater unmittelbar geliebt wird, ohne Vermittlung der Geschöpfe, ohne erkennbare Beweise.

Der Geist ist es, der Jesus an den Ort treibt, wo der Mensch dem Tode ausgesetzt ist; wo der Mensch nichts anderes von Gott bekommen kann, als allein seine Liebe, und wo der Mensch allein Gott sich selbst geben kann - ohne Gegenleistung für irgend etwas.

Nur die reine Liebe kann der Prüfung in der Wüste standhalten. Die Wüste ist der Schmelztiegel der Liebe. Gerade hier, an diesem „Ort“, in diesem Klima, wird die Liebesprobe vom Versucher, dem Teufel, in Angriff genommen.

In den Krallen des Teufels wird die erhabene Liebesprobe zur Versuchung. Sie wird gedrängt zur Trennung, zur Absonderung, zur Distanzierung des Sohnes vom Vater, zur Teilung der unteilbaren Liebe.

Wenn es dem Versucher gelänge, die Liebesbeziehung zwischen Vater und Sohn anzugreifen, ihre Herzen zu entzweien, dann würde der Heilige Geist getötet, das Wesen Gottes als Liebe wäre zerstört. So würde der Mensch Gott anders sehen, als er ist; er könnte Ihm nicht mehr begegnen, weil er immer eine falsche Vorstellung von Gott hätte, ein verzerrtes, erschreckendes Bild. Er würde keinen Gott der „Gemeinschaft“, sondern einen Gott als einzige Person, als einen Herrscher-Gott sehen.

Der vernünftig denkende Mensch bekommt entweder Angst oder lehnt diese Vorstellung ab. Und da er nicht weiß, daß dieses Bild falsch ist, erlebt er sich Gott gegenüber entweder in der Haltung eines Sklaven, oder er muß Gott selbst ablehnen und versuchen, sich eine eigene Existenz aufzubauen. Der Mensch wird zum Schöpfer seiner selbst, macht sich auch eine eigene Moral - oder gerät in Verzweiflung. (2)

Genau das geschah mit Adam: er hat die Sohn-Beziehung zu Gott gebrochen und fand sich mit einem Bild von Gott wieder, das ihm Angst bereitete; er erkannte jetzt einen Gott, vor dem er sich zu verteidigen versuchte. Ihm kam vor, als wäre Gott sein Feind und nicht mehr sein Vater.

 

 

3. Die Säkularisierung

Der Versucher verfolgt nur einen Zweck, wenngleich er ihn mit unendlich vielen Farben und Tönen übertüncht. Sein Ziel ist die Trennung von Gott, das Sich-Entfernen des Herzens des Sohnes vom Herzen des Vaters, die Zerstörung dieser einzigartigen Liebesbeziehung, welche die Identität des Sohnes bewahrt und die des Vaters erkennen läßt.

Ist die Beziehung der reinen Liebe zerstört, wird der Sohn nicht mehr Sohn sein, sondern nur Mensch, und der Vater wird nicht mehr als Vater gesehen, sondern als Herrscher.

Der Versucher hat wirklich wahre Worte gesprochen: „Wenn du der Sohn Gottes bist!“ Das ist ein wahres und heiliges Wort, aber es wird nicht anerkannt von dem, der es gerade ausspricht.

Derjenige, der es ausspricht, glaubt es nicht, er will einen Beweis. Der Sprecher ist ein argwöhnischer Geist; ein Geist, der sich unablässig selbst zum Richter über das gesprochene Wort Gottes macht.

Dieses „Wenn“ offenbart in der Tat eine Art des Denkens und Lebens, die außerhalb von Gott ist: Es besteht die Möglichkeit eines atheistischen Lebens, eines Lebens ohne Gott, eines „säkularisierten“ (verweltlichten) Lebens. Dieses „Wenn“ deutet an, daß Gott von außen betrachtet werden kann, als ob man nicht von Ihm abhängig sein müsse und könne, als ob er nicht Vater sein könne.

Es scheint, als könnte man in diesem „Wenn“ die Quelle für Auffassungen wie dieser heraus hören: „Ich habe mit Gott nichts zu tun, wollen wir sehen, ob du etwas mit ihm zu tun hast?“ oder „Gott will mit mir nichts zu tun haben, wollen wir sehen, wie er es mit dir hält?“ usw.

Dieses „Wenn“ will einen Freiraum zwischen Mensch und Gott schaffen, es will erreichen, daß der Mensch sein Vertrauensverhältnis und seine totale Abhängigkeit von Gott unterbricht. (3)

So entstehen die Grundlagen für eine neue „Theologie“ und für eine neue „Anthropologie“, d.h. „neue“ Denk- und Erkenntnisweisen über Gott und den Menschen.

Gott wird als etwas Außenstehendes betrachtet, und der Mensch wird als etwas in sich Geschlossenes gesehen und verstanden, ohne Bezug zu Gott. Es werden die verschiedensten Nachforschungen über Gott, seine Natur und sein Leben angestellt, aber man nennt Ihn nicht mehr VATER. (2)

Er wird als Fremder gesehen, man fühlt sich imstande und sogar verpflichtet, ihn zu beurteilen, ihn von den Überlegungen, von den persönlichen Entscheidungen und sozialen Programmen auszuschalten.

Weil man seine Vaterschaft bezweifelt, beginnt man, ihn mit Mißgunst zu sehen. Man zweifelt an der Wahrheit und Weisheit seiner Worte.

Und das alles geschieht nicht weit weg von meinem Dorfe, sondern in meinem eigenen Herzen, in meinem Hause. „Was hat Gott mit diesem oder jenem zu tun? Damit, was ich esse oder was ich trinke? Damit, was ich verdiene und wie lange ich schlafe?“ (3)

Gleichzeitig wird der Mensch von allen möglichen Gesichtspunkten aus betrachtet; er wird mit großer Sorgfalt in seinen körperlichen und tiefsten psychischen Dimensionen untersucht. Aufgrund dieser Untersuchungen wird er dann katalogisiert, beurteilt, gerechtfertigt und behandelt. (4)

Wo aber bleibt der Geist? Niemand sieht oder beachtet den Geist. Und doch ist er es, der Leib und Seele erhält und ihnen die Bewegungsabläufe vorgibt.

Wer nimmt man den Geist wahr, ob er gesund oder krank ist? Wenn der Mensch nicht mehr in bezug auf Gott gesehen wird, nimmt man in ihm den Geist nicht mehr wahr, der nur innerhalb einer Beziehung lebt, einer positiven oder negativen Beziehung mit einem anderen Wesen.

Seitdem das „Wenn“ zwischen Mensch und Gott tritt, erkennt man nicht mehr die wahre Identität des Menschen, weder seine Berufung von Ewigkeit her, noch die Richtung seines Blickes und seines Weges.

Der Mensch ist ruhelos, weil er nicht mehr den Weg zum eigenen Hause findet: das Haus des Kindes ist das Haus des Vaters!

Wenn das Kind sich nicht mehr als Sohn erkennt, wo soll es dann hingehen?

 

 

4. Überlegung und Liebe

Der Versucher schafft es, neue „Theologien“ entstehen zu lassen. Manche nennen sie Häresien, d.h. Irrlehren.

Jede Überlegung (ragionamento), die in bezug auf Gott erfolgt, ist eine Theologie, aber jede Überlegung über Gott, die den Menschen nicht in eine Beziehung der Liebe, der gehorsamen und vertrauensvollen Liebe, zu Ihm bringt, ist eine Häresie. Man könnte es noch schärfer ausdrücken: Es ist eine Apostasie, d.h. ein Abfall vom Glauben. Die Überlegung führt nicht näher zu Gott, nur die Liebe erreicht dieses Ziel, sagt der Apostel Johannes. Alles andere entfernt uns von Ihm.

Das Beispiel des Meisters, der einzige, der dieses Namens würdig ist, Jesus, ist ein wundervolles und einzigartiges Beispiel. Er hat nie über Gott nachgedacht. Er hat Ihn einfach geliebt. Er ist sein Sohn geblieben. Und wenn schon war es die einzige Überlegung, die er ins Feld geführt hat, uns eine Hilfe anzubieten, damit wir unseren intellektuellen Hochmut ablegen und uns vertrauensvoll der Fürsorge des Vaters überlassen und dessen Art des Wirkens annehmen. (5)

In der Wüste sehen wir Jesus, wie er bemüht ist, die Überlegungen zurückzuweisen. Die erste, der er sich nicht einmal stellen will, ist gerade jene, welche vom „Wenn“ provoziert werden könnte.

Dieses ist ein Wort, das den Menschen leicht irreführen kann, weil es ihn in die Diskussion verwickelt. (6)

Sei es im Falle, daß die Präposition „wenn“ einen Zweifel ausgedrückt: „Wenn es stimmt, daß du Gottes Sohn bist“, sei es im Falle, daß sie eine Anerkennung ausdrückt: “In Anbetracht der Tatsache, daß du Gottes Sohn bist“, Jesus mißt dem in beiden Fällen keinerlei Bedeutung bei.

Er weiß, daß er der Sohn Gottes ist, er zweifelt nicht: Der Vater hat es gesagt. Und die Sohnschaft ist kein eigenes Verdienst, sondern nur Geschenk des Vaters!

Jesus will weder das von Gott ausgesprochene Wort, noch dessen Aufrichtigkeit und Treue auf die Probe stellen. Der Vater ist nicht dadurch Vater, weil ich Ihn als solchen anerkenne. Er ist Vater auf jeden Fall! Und da ich Sohn Gottes bin - so meint man Jesus sagen hören -, da ich also sein Sohn bin, will ich es auch bleiben, will ich Ihm gehorchen, will ich auf Ihn hören, will ich in allem von Ihm abhängig sein.

Die Überlegung hätte den Sohn dahin bringen sollen, eine eigene Unabhängigkeit zu erkennen und zu suchen, eine autonome Entscheidung zu treffen: Da du Sohn Gottes bist, entscheide du jetzt, ohne Ihn etwas zu fragen, entscheide allein, was zu tun ist...

Die Überlegung brächte den Sohn dazu, auf das Wesen des Sohnes zu verzichten. Sie hätte sich auf den Platz Dessen gesetzt, von Dem jede Initiative ausgeht, alles Leben und jeder Ausdruck des Lebens. Die Überlegung würde so dazu führen, die wahre Natur des Gottes als Gemeinschaft, des Gottes als Einheit dreier Herzen, des Gottes als (Inbegriff der) Liebe, des Gottes als Trinität zu verleugnen. Und das auf eine sehr scharfsinnige Weise! (2) (7)

Wenn der Sohn sich vom Vater unabhängig machen und seine eigene Göttlichkeit gebrauchen würde, um selbständig zu werden, würden wir ihn als Sohn des Herrschers kennen und nicht mehr als Sohn des Vaters. Der Sohn des Herrschers ist derjenige, der sich selbst zum Herrscher machen kann, nicht so der Sohn des Vaters.

Der Sohn des Herrschers ist derjenige, der nach eigenem Geschmack und nach eigener Notwendigkeit entscheidet; es ist derjenige, der auf egozentrische Weise lebt. Sein Handeln hängt ab vom Schauen auf sich selbst, auf die eigenen Wünsche, auf die eigenen Gefühle, auf die eigenen Überzeugungen.

Der Sohn des Vaters hingegen ist derjenige, der im Leben ständig auf den Vater schaut, auf Dessen Geschmack und Dessen Pläne, auf Dessen Gedanken und Entscheidungen. Der Sohn des Vaters ist kontemplativ - der Sohn des Herrschers ist introspektiv. Der Sohn des Vaters ist im Wesentlichen geöffnet nach OBEN, hält seine Augen fest auf Gott gerichtet, um von Ihm jeden Impuls zum Handeln zu empfangen, um zum Handeln im Gehorsam zu gelangen.

Jene Theologie, die in Gott den Herrscher sieht, führt nicht mehr zur Kontemplation (Betrachtung); sie führt statt dessen zur Introspektion(Selbstbeobachtung) (8), sie führt zur Aktivität, die vom Menschen ausgeht, von seinen mutmaßlichen Fähigkeiten und Ansprüchen. Sie führt dazu, den Menschen als Mittelpunkt des Universums zu sehen und darum vom Menschen abhängig zu sein, allerdings ohne seine Bedürfnisse von seinen Leidenschaften zu unterscheiden (9). So ist man dabei, dem Egoismus des Menschen zu dienen, anstatt zu helfen, daß in ihm der Sohn Gottes geboren wird und heranwächst.

 

 

5. Die Mäntel der Versuchung

Der Versucher umhüllt die Versuchung mit drei Mänteln, der eine auffallender als der andere. „Schön zum Anschauen, gut zum Essen“, würde Eva sagen. Der Zweck des Versuchers ist ein einziger, so wie die Liebe, die erprobt werden soll, eine einzige ist.

Die Ablenkungsversuche von der Liebe sind dreierlei, und in ihnen erschöpft sich jede Art der Versuchung. (Lk 4, 23)

Die erste Versuchung nutzt die Situation des Hungers aus, in der sich Jesus befindet. Zu dieser Situation wird eine Überlegung formuliert, die der Denkweise des Menschen gut entspricht. Hast du Hunger? Worauf wartest du? Tu etwas!

Die Überlegung sorgt sich nicht darum, den Menschen in Beziehung zu Gott

zu bringen, im Gegenteil, sie versucht ihn selbständig zu machen. Gott kann man vergessen. Der Sohn steht nicht mehr in Beziehung zum Vater, man braucht ihn nicht mehr Sohn nennen. Gott rückt in die Ferne, ist abwesend. Der Hl. Jakobus (4,13-15) würde sagen: „Ihr aber, die ihr sagt: Heute oder morgen werden wir in diese oder jene Stadt reisen, dort werden wir ein Jahr bleiben, Handel treiben und Gewinne machen... Ihr solltet lieber sagen: Wenn der Herr will, werden wir noch leben und dies oder jenes tun.“

Das Brot, obwohl für den Menschen sehr notwendig, wird hier zum Anlaß, um die Sohnesbeziehung zum Vater aus dem Herzen des Menschen zu entfernen. Ist dieses Ziel erreicht, wird dieser Mensch auch keine Gemeinschaft mit den Mitmenschen mehr haben. Das Brot wird zum Anlaß von Trennung, von Streit, von Haß und Kriegen. Das Brot ist nur der unmittelbare Anlaß, die eigentliche Ursache aber ist der Verlust der Beziehung zum Vater!

Die zweite Versuchung nimmt die Tatsache zum Anlaß, daß der Sohn Gottes öffentlich bekannt und anerkannt sein muß. Auch hier ist die Überlegung einfach. Mußt du nicht öffentlich bekannt sein? Bist du nicht zu den Menschen gesandt? Unternimm etwas, bediene dich der Massen-kommunikationsmittel, egal wie, wirke auf die öffentliche Meinung ein! Das einfachste Mittel war damals, auf dem belebtesten Platz des Tempels die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es genügte eine eindrucksvolle Aktion, ein außergewöhnliches Zeichen. Der Sohn Gottes wäre sofort in aller Öffentlichkeit bekannt und anerkannt worden als Sohn Gottes.

Aber Sohn welchen Gottes? Das dadurch entstandene Bild Gottes wäre nicht das Bild eines Vaters, sondern das eines Zauberers, ähnlich einem Götzenbild, das die Heiden kannten: Ein bequemer Gott für die Menschen, der den Menschen und seine eigene Fähigkeit ausnützt, um Wunder für die eigene Ehre zu wirken, aber eine Ehre, die aus Größe, nicht aus Liebe besteht. Eine stolze, hochmütige Ehre, eine satanische Ehre! (10)

Die dritte Versuchung nimmt die Tatsache zum Anlaß, daß der Sohn Gottes – aus naheliegenden Vernunftgründen - besser ist als alle Menschen und daher der einzige, der sie in rechter Weise regieren kann. Der Mensch, der sich selbst für besser oder für vollkommen hält, will das Kommando über andere Menschen haben. Genau das ist die Überlegung, die wir in uns vernehmen: Wenn ich der Chef wäre!...

Und eben diese Überlegung läßt sich nicht mit Gott in Einklang bringen, andernfalls müßte man zugeben, daß ER regieren muß.

Der Mensch merkt in seinem Unterbewußtsein, daß er, um diese „Ehre“, diese Macht zu bekommen, sich direkt an den Satan wenden muß: „Wenn du dich vor mir niederwirfst, wird alles dir gehören.“ So einigt sich der Mensch, der über andere Menschen herrschen will, mit Satan, ja, er akzeptiert seine Vorherrschaft. Es ist klar, daß ein Mensch auf diese Weise den Gedanken und dem Wirken Gottes keinen Raum gibt, und mit seinem eigenen Herrschen über die Menschen wird er nicht die Vaterschaft Gottes bezeugen.

So wird schlußendlich Satan als Herrscher der Welt hervorgehen, als derjenige, der die Welt von jeglicher Beziehung zu Gott fernhalten will.

Die Tatsachen haben es bewiesen und beweisen es jeden Tag: Wer über den Menschen herrscht, ist eng verbunden mit dem Feind der Vaterschaft Gottes. (11)

Alle diese drei Versuchungen erscheinen dem menschlichen Verstand schön und anziehend: Er sucht Beweise, er sucht was gut und was böse ist; er sucht nicht den Gehorsam gegenüber Gott.

Der Geist des Verstandes ist ein Geist, der - ohne es zu wollen und ohne es zu merken - versucht, die Vaterschaft Gottes zu verdecken oder zu ignorieren. Darum spricht der Apostel Paulus zu den Christen von der Notwendigkeit, den Geist des Verstandes zu ändern. Ihm zu folgen ist sehr gefährlich, weil man sich auf einen Weg begibt, der wegführt vom wahren Gott und der den Menschen der Führung Satans ausliefert.

„Erneuert euren Geist und Sinn!“ (Eph 4, 23)

 

 

6. Der Geist des Verstandes, das Versteck Satans

Der Geist des menschlichen Verstandes ist ein egozentrischer und materieller Geist. Dieser Geist gerät leicht in die Fallen, die vom Versucher auf den vorgegebenen Wegen des Menschen aufgestellt werden.

Dieser Geist hält die Überlegungen für sehr wichtig, und die Überlegungen basieren auf der Erfahrung. Die menschliche Erfahrung ist jedoch begrenzt und - mehr oder weniger - vom Egoismus und von der Sünde beeinflußt. Der Geist des Verstandes bringt den Menschen dazu, die Neuigkeit Gottes und die Neuigkeiten, zu denen das Wort Gottes führt, nicht anzunehmen. Es führt ihn statt dessen zur Verteidigung gegen Ihn.

Der Mensch hat seine Erfahrungen gemacht, und aus diesen sind in ihm Überzeugungen und Verhaltensmuster entstanden, durch die er sich sicher und getragen fühlt. Wenn Gott in sein Leben eingreifen will, tut er es als Vater, als einer der weiter und besser sieht, der die unbekannte Zukunft für den Menschen vorbereitet. Wenn er unbekannte Dinge vorbereitet, sei es für die Welt, sei es für die Kirche oder für den Einzelnen, muß der Vater in Freiheit handeln können. Seine Werke und seine Worte sind Neuigkeiten, die oft noch nicht den Erfahrungen des Einzelnen entsprechen.

Der Mensch neigt dazu, sich vor den Neuigkeiten zu verteidigen, ebenso vor unvorhergesehenen Ereignissen, oder in denen er nicht der Tonangebende ist. Darum versucht er, sich gegenüber dem Eingreifen des Wortes Gottes zu verteidigen. Er hält es für eine Bedrohung der eigenen Sicherheit; er sieht es als Eingriff, der ihn ins Leere führt. Er verteidigt sich mit Überlegungen, die auf bereits gemachten Lebenserfahrungen beruhen. Bei diesen Überlegungen beruft sich der Mensch auf das selbstfabrizierte und vorausbestimmte Gottesbild, aber er ist nicht imstande, Gott dem Wesen und dem Namen nach als Vater anzuerkennen: Mit diesem Namen müßte er Gott die Freiheit und Überlegenheit zugestehen. Wenn Gott in das Leben eines Menschen auf ungewohnte Weise eingreift, auf eine Weise, die eine Trennung von materiellen Gütern, von Gesundheit oder von Überzeugungen verlangt, versucht der Mensch, sich Ihm gegenüber zu verteidigen. Er bezeichnet Ihn als ungerechte, grausame und mächtige Person, aber ohne Liebe. Wenn der Mensch den Geist des Sohnes hätte, überließe er sich vertrauensvoll und freudig der Führung Gottes; so würde er Ihm wirklich den Namen als Vater zugestehen. Der Geist des menschlichen Verstandes trennt und entfremdet den Menschen vom Vater, anstatt ihn mit Gott zu vereinen, und zwar soweit, daß er in Ihm „aufgeht“. Ich glaube sagen zu können, daß der Geist des Verstandes das bevorzugte Versteck des Bösen, Satans ist. Er, der Vater der Finsternis, ist bestrebt, sich zu verstecken und zu verkleiden. Welches Versteck ist geeigneter als das Innere des Menschen selbst?

Die verwundbarste und zugänglichste Seite des Menschen ist die Überlegung. Durch sie hält sich der Mensch für stark und groß, fähig und wahrhaftig. Das Ich glaubt, der Herrscher des Geistes, der Überlegung zu sein. Aber genau hier verbirgt sich derjenige, der den Sohn vom Vater entfernen will, indem er den Sohn glauben macht, er sei bereits wie der Vater, und daß er ihn daher verlassen kann.

Der Böse verbirgt sich sehr gut hinter der Überlegung. Er versteckt sich so gut, daß ganze öffentliche Meinungen erklären, ihn nie gesehen zu haben, ja sogar, daß es ihn nie gegeben hat, und daß diejenigen, die ihn noch für gegenwärtig in der Welt halten, sich geirrt haben, indem sie ihn mit einer besonderen Art von psychischer, physischer oder charakterlicher Krankheit verwechseln. Unerkannt und folglich ungestört konnte er so in den Überlegungen der Menschen versteckt bleiben und sie für seine eigenen Interessen gebrauchen. Konsequenz: ganze öffentliche Meinungen sind heute weit entfernt von der liebevollen Erkenntnis Gottes! (12)

Wir müssen wirklich auf die Überlegungen achten, besonders auf jene, welche in uns ganz spontan kommen. Jesus hat den Versuchen zur Überlegung nicht nachgegeben, die sich in seinem Kopf zu formulieren begannen. Er hat sich an den Geist des Gehorsams gewandt. Auf die Aufforderungen des Versuchers antwortet Er mit den Worten Gottes, die bereits in den heiligen Schriften stehen. Auf diese Weise bleibt Jesus im demütigen Gehorsam zum Vater. Das ist der Geist, der mit der Gerechtigkeit und der Wahrheit Gottes rechnet; das ist der Geist, der zur Sohnschaft gegenüber Gott führt. Aus dem Geist des Gehorsams tritt das Bild des Mensch-Sohnes und des Gott-Vaters hervor.

Der Geist der gehorsamen Liebe ist das einzige heilsame Klima für den Menschen. Darin wird der Mensch geboren, wird er Sohn! Darin wird Gott als Vater erkannt und anerkannt. Darin lebt die Liebesbeziehung, die der Heilige Geist ist. (13)

Diesen Geist der Liebe, der vertrauensvoll gehorcht, braucht der Mensch; er braucht ihn, wie das Brot zum Leben. An diesem gehorsamen Geist der Liebe wird der Sohn Gottes erkannt und anerkannt, und durch ihn wird der Vater verherrlicht. Durch diesen gehorsamen Geist der Liebe erreicht der Mensch wahre Einheit und Gemeinschaft mit anderen Menschen und Ansehen vor ihnen.

 

 

7. Der Sohn ist das Leben

„Und das Zeugnis besteht darin, daß Gott uns das ewige Leben gegeben hat; und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht.“ (1 Joh 5, 11-12)

„Er hat uns aufgenommen... in das Reich seines geliebten Sohnes.“

(Kol 1,13)

Der Sohn ist das Geschenk Gottes. Er ist das Geschenk, das von Gott kommt, der uns Gott offenbart, der uns in Gott eintaucht.

Wer kann ohne den Sohn sein? Nur wer Gott ignorieren will. Kein Mensch auf dieser Welt kann der Liebe Gottes begegnen ohne seinen Sohn. Keine Person kann in eine übernatürliche, göttliche Dimension eintreten, ohne Jesus, seinen eingeborenen Sohn.

Aber was heißt „Den Sohn haben“?

Es ist sicher mehr als zu wissen, daß es den Sohn gibt, mehr als eine verstandesmäßige Kenntnis von Ihm.

„Den Sohn haben“ kann bedeuten: sich mit Ihm und seinem Sohnsein zu identifizieren, das Herz eines gehorsamen und vertrauensvollen Sohnes zu haben wie Er. Das Wesen des Sohnes haben heißt: abhängig sein vom Vater, von Ihm das Leben erhalten, die Gefühle, die Wünsche, die Worte, die Taten und die Kraft dazu, sie zu auszuführen.

Ein Beispiel: Die Gefühle des Zornes oder der Rache können nicht von Gott kommen. Wenn ich sie pflege, lebe ich ein Leben, in dem Gott nicht mehr Vater ist, ein Leben, das ich nicht als Leben in Gotteskindschaft bezeichnen kann. Dasselbe gilt auch für die Worte und Taten.

„Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. Was nämlich der Vater tut, das tut in gleicher Weise der Sohn.“ (Joh 5, 19)

„Ihr werdet erkennen, daß ich nichts im eigenen Namen tue, sondern nur das sage, was mich der Vater gelehrt hat.“ (Joh 8, 28)

„... was ich von ihm gehört habe, das sage ich der Welt.“ (Joh 8, 26)

Der Sohn ist das ewige Leben. Im einzigen und eingeborenen Sohn sein, mit Ihm vereint sein, wie die Rebe mit dem Weinstock, das ist das wahre Leben und das wahre Ziel des Menschen.

Genau auf diesen Punkt zielen alle Versuchungen und alle Irrlehren hin. Manche wollen Mensch werden oder einen Menschen schaffen ohne den Sohn, durch eine Erziehung, die den eingeborenen Sohn Gottes ausschließt. Aber was für ein Mensch wird das werden oder welcher wird geschaffen?

Diese Personen müssen einen Plan haben, einen Plan vom Menschen, der sich vom Plan Gottes unterscheidet: das ist ein Plan vom Menschen, der nicht damit rechnet, daß der wahre Mensch der SOHN ist.

Diese Versuchungen sind zum Scheitern verurteilt; diese Versuchungen können wir von vornherein als Irrlehren bezeichnen, wenn sie unter Christen entstehen. (14)

Es gibt auch Vorschläge und Pläne in einem weitreichenderen gesellschaftlichen Rahmen: Man möchte die Menschen und Völker vereinigen und zum Frieden unter den Nationen gelangen, aber ohne den SOHN.

Aber wenn das Herz der Menschen und der Völker nicht Herz des Sohnes wird, spricht man dieselben Worte zum Lamm und zum Löwen! Alles wird gut gehen, bis der Hungertrieb im Löwen erwacht, und dann?

Das Herz des Sohnes entwickelt sich nicht im Menschen, solange er den VATER nicht kennt. Und den Vater kann uns nur der Sohn Jesus offenbaren. (15)

Es wird keinen wahren und dauerhaften Frieden zwischen den Völkern geben, solange sie nicht bei Jesus in die Schule gehen!

Wir machen uns manchmal reine Illusionen, wenn wir Gespräche mit anderen Religionen aufnehmen, bei denen der Sohn Gottes, Jesus, unbekannt und im Schatten bleibt.

Eine solche Form des Gesprächs wird ohne Frucht bleiben, nutzlos für das Reich Gottes.

Nur wer Jesus bezeugt, ist fruchtbar. Wer mit dem eigenen Leben verkündet, daß Jesus der Erlöser ist, vermittelt Leben.

Und Zeuge sein bedeutet Märtyrer sein.

Der Märtyrer weiß, daß er ein Leben mit Jesus lebt, der das einzige Leben ist, nach dem auch die Mitglieder anderer Religionen auf der Suche sind.

Wenn es nicht so wäre, könnte man die heiligen Märtyrer als fanatisch, unklug, unzeitgemäß bezeichnen. Und das Zeugnis von Jesus würde man den längst vergangenen Generationen überlassen. (16)

Ohne den Sohn kann es Religionen und Theologien, Diskussionen und Reden über Gott geben, aber es gibt keinen Glauben, der aus der Liebe wächst und zur Liebe voller Hoffnung und Freude führt.

Ohne den Sohn gibt es kein Leben!

Ohne den Sohn gibt es keine Liebesbeziehung und folglich keinen Heiligen Geist, der immer die „dritte“ Person ist. **

Wenn der belebende Geist gegenwärtig ist, kann es Leben geben! Wenn der Schöpfergeist da ist, der Beziehungsgeist zwischen der Vater-Liebe und der Sohn-Liebe, dann empfängt der Mensch das Leben und gelangt zur wahren Erkenntnis der anderen Menschen - nur dann.

** Der Heilige Geist ist die „dritte“ Person innerhalb der Heiligen Dreifaltigkeit; er ist die Liebesbeziehung zwischen Vater und Sohn.

Wenn ich eine Liebesbeziehung zum VATER oder zum SOHN habe, ist auch und immer die „dritte“ Person, der HEILIGE GEIST, gegenwärtig. Wenn zwischen mir und anderen Menschen eine „väterliche“ oder „kindliche“ Liebesbeziehung besteht, ist die „dritte“ Person gegenwärtig.

Es gibt keinen Heiligen Geist, wo keine Liebesbeziehung besteht!

Wer eine Beziehung mit Gott nur aus eigenem Interesse pflegt (nur um sich zu retten oder um sich das Paradies zu verdienen), kennt nicht den Heiligen Geist!

Dieser ist stets die „dritte“ Person!

 

 

8. Wer wird am meisten versucht?

Welches sind die am meisten versuchten Personen?

Alle Menschen werden auf die Probe gestellt; oder besser, jeder Mensch, der liebt. Wer liebt, kommt von Gott. Jede Liebe muß daher erprobt werden, um unterscheiden zu können, ob die Liebe von Gott kommt oder ob es nur scheinbare Liebe ist.

Wenn auch alle erprobt werden, so gerät doch der Versucher besonders gegen jene in Wut und gebraucht gegen sie größere Scharfsinnigkeit und List, die den Sohn auf verschiedene Weise darstellen. Die am meisten versuchten Personen sind daher (ich sage es ein wenig aus Erfahrung) die herausragenden Glieder des Leibes Christi, der Kirche. Priester, Bischöfe, Ordensleute und engagierte Laien sind die besonders Priveligierten des Versuchers.

Diejenigen, welche auf irgendeine Weise den Sohn verkörpern und einen Dienst oder ein Amt des Sohnes ausüben, werden innerlich so versucht, daß sie Ihm nicht mehr gleichen, daß ihr Leben nicht mehr dem Wesen des Sohnes entspricht.

Wenn diese Personen „offiziell“ in den „Dienst des Reiches des vielgeliebten Sohnes“ treten, geloben sie immer Gehorsam: eine Garantie, daß sie am Geist des Sohnes teilhaben und eine gehorsame Liebe ausüben werden.

Genau das ist jener Moment, in dem die größten und schlimmsten Versuchungen auftauchen und wirken. An diesem Punkt des Eintauchens in das Geheimnis des Sohnes angelangt, denken gerade wir Priester: „Da ich nun Priester bin, weiß ich mir zu helfen, jetzt brauche ich keinen geistlichen Vater mehr. Jetzt, wo ich Priester bin, weiß ich, was ich zu tun habe, was ich sagen muß...“

Das ist eine Versuchung. Sie wird nicht immer zugelassen, aber oft macht sie sich bemerkbar. Sobald sie zugelassen wird, beginnt sofort die Sohn-Beziehung zu schwinden, die Träger des Heiligen Geistes ist. Wie kann man sich sonst das Fehlen des Heiligen Geistes in einigen Menschen erklären, die ausgestattet sind mit seinen Ämtern oder Charismen?

In den religiösen Gemeinschaften, die das Charisma des Sichtbarmachens der trinitarischen Einheit haben, breitet sich mit immer verborgener Hinterlist der Geist des Ungehorsams aus. Er erlangt nicht immer Gehör, aber wenn er es erhält, ist diese Gemeinschaft keine Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe mehr, ist sie nicht mehr Reich Gottes, nicht mehr Gegenwart des Sohnes Gottes.

Wo eine religiöse Gemeinschaft dieser Versuchung widersteht und konkret den Geist der gehorsamen Liebe lebt – eine Charakteristik des Sohnes -, dort geschehen fortwährend Wunder. Das Leben dieser Gemeinschaft überwindet Hindernisse, die alle Vernunft übersteigen, lebt eine Liebe, die sonst undenkbar ist auf der Erde.

Die Tatsache, daß in der Kirche häretische und schismatische (irrlehrenverbreitende und kirchenspalterische) Bewegungen im Laufe der Jahrhunderte von Priestern, Mönchen und Bischöfen ausgegangen sind, ist bezeichnend.

Der Ungehorsam ist die verbreitetste Versuchung. Sie führt vom Leben des Sohnes weg, martert den Leib Christi mit unheilbaren Wunden. Der Geist des Gehorsams hingegen erhält die Kirche gesund und wirksam, fruchtbar für neue Berufungen zur Heiligkeit und zum Dienst. Der Geist des Gehorsams erfüllt die kirchlichen Gemeinschaften und die Pfarrgemeinden voller Leben und befähigt sie zu Werken, die des Sohnes würdig sind.

Eine uralte Versuchung trifft diejenigen, welche - mit einem Krümchen Hochmut- wissen, daß sie studiert haben. Sie glauben zu wissen, was Gut und Böse ist, weil sie sich für ausreichend intelligent halten.

So verfallen sie in den Moralismus, in jene Haltung, welche die Bibel „essen vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“ nennt. In dieser Haltung verliert der Mensch leicht die Beziehung zu Gott und beruft sich statt dessen auf die eigene Intelligenz oder die eigenen Studien.

Der Gehorsam ist sofort vergessen, und es taucht dafür die Haltung auf, die heißt: „Dem eigenen Gewissen folgen“.

Ist das Gewissen des Menschen der gehorsamen Sohnesbeziehung zu Gott beraubt, gerät er auf einen „moralischen“ Weg: Der Mensch sucht selbst das eigene Gute und das eigene Böse, mit leicht vorstellbaren Folgen. (18)

Die Überlegung, auch nicht die der Theologen, garantiert der Kirche nicht den Heiligen Geist, wennschon ihre Liebe zu Jesus und ihr Sein als gehorsame Söhne in der Kirche. Und dieses Kennzeichen vereinigt sie mit allen wahren Christen und macht aus der Kirche eine heilige Gemeinschaft. Jede Person - vom Kind bis zum Greis -, die die Einheit mit Jesus in einem Geist der gehorsamen Liebe pflegt, ist ein lebendiger Stein des geistlichen Gebäudes (der Kirche), in das jeder Mensch flüchten und dort Leben und Stärkung finden kann. (17)

 

 

9. Die Wege der Versuchung

Auf welchen Wegen erreicht uns die Versuchung?

Die Probe der Sohnesliebe, oder die Versuchung, sie aufzugeben, tritt auf unvorhergesehenen Wegen an Jesus heran. Dieselben Wege, die ihn zu einem Leben der Gottesbeziehung führen, wählt der Böse, um Ihn von Gott abzulenken.

Auch in der Natur gibt es auffallende Analogien: Die Überschwemmung kommt von jenem Fluß, von dem man gewöhnlich Wohltaten erhält. Die körperlichen Schmerzen kommen von jenen Gliedern, die für uns sehr nützlich und notwendig sind.

Die Wege, durch die sich die Beziehung des Sohnes zum Vater ausdrücken, sind der Glaube, die Hoffnung und die Liebe. Dieselben Wege gebraucht der Versucher, um Jesus von der Sohnschaft abzubringen, d.h. um ihn in Versuchung zu führen.

Die erste Versuchung: „Befiehl, daß aus diesen Steinen Brot wird.“

Es ist ein großer Glaube nötig, um das Wort auszusprechen, das den Stein in Brot verwandelt. Hier braucht man einen Glauben, der Berge versetzt; ein totaler, engagierter, entschiedener Glaube ist nötig. Gott steht zu dem, der glaubt. Gott kann zu dem Stein sagen, daß er Brot wird.

Kann ein so großer Glaube eine Versuchung sein?

Wir sehen, daß Jesus vom Versucher dazu gebracht wird, den Glauben zu betrachten und zu gebrauchen, ohne ihn in eine Beziehung zur Hoffnung und zur Liebe zu bringen.

Der mit der Hoffnung verbundene Glaube würde sagen: Gott selbst gibt mir, was nötig und nützlich ist für sein Reich, ich wirke daher keine Wunder für mich, ich überlasse mich dem Vater. Der mit der Liebe verbundene Glaube würde sich in ein aufmerksames Hören auf den Vater einlassen, denn das Hören ist die erste Liebe: „Wenn du, Vater, mir sagst, daß ich etwas tun soll, dann tue ich es; ich gebrauche allen Glauben, um Dir zu gehorchen, um Dein Wort zu befolgen.“

Der mit der Hoffnung und mit der Liebe vereinte Glaube setzt die Gabe der Unterscheidung ein: Ist das Zeichen, das mir eingeflüstert wird – nämlich den Stein in Brot zu verwandeln -, ein vom Vater aufgetragenes Zeichen? Ist es eine Haltung, die in mir den Sohn kundtut, oder macht sie mich zum Herrn? Die vom Versucher vorgeschlagene Art der Ausübung des Glaubens, drückt statt Hoffnung eher Verzweiflung, statt Liebe eher Egozentrismus, Aufmerksamkeit auf sich selbst anstatt auf den Vater aus.

Die zweite Versuchung: „Stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zutragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“

Es ist der Weg der Hoffnung. Die Hoffnung ist sicher, daß sie das erhält, was Gott versprochen hat. Die vorgeschlagene, selbstmörderische Geste, nimmt eine bewährte Hoffnung in Anspruch: „Das Wort Gottes ist wahr, folglich wird Gott in aufsehenerregender Weise eingreifen, wenn ich mich hinabstürze.“ Es scheint geradezu, daß Gott damit eine unvergleichliche Gelegenheit gegeben wird, seine Gegenwart zu offenbaren. Kann eine so mutige Hoffnung eine Versuchung sein?

Eine solche Art der Hoffnung möchte Jesus dazu bringen, nicht auf den Vater zu hören, sondern die erste Idee, die Ihm in den Kopf kommt, auszuführen. Es ist wahr, daß Gott seine Hilfe zugesagt hat, aber es ist nicht wahr, daß die Anordnung „Wirf dich hinab“ von Ihm kommt.

Diese Art, Hoffnung zu leben, führt dazu, von Gott jede Wohltat zu erwarten, ohne Ihm zu gehorchen; Gott Vater zu nennen, ohne sich darum zu mühen, sein Sohn zu sein.

Diese Hoffnung ist losgelöst vom Glauben, oder sie interpretiert den Glauben zum eigenen Vorteil. Sie bringt den Menschen vom Liebesgehorsam, von der Sohneshaltung, ab.

Die dritte Versuchung: „Er zeigte ihm alle Reiche der Welt... und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du vor mir niederkniest und mich anbetest.“

Es ist der Weg der Liebe. Die Reiche sind das menschliche Zusammenleben, die politisch organisierten Menschen, um sich gegenseitig zu helfen. Der Sohn Gottes wurde in die Welt gesandt, um die Menschen zu retten, um ihnen die Liebe Gottes zu schenken, um die Menschen in der Einheit wachsen zu lassen. Warum nicht die Reiche gebrauchen, die Wege also, die Menschen bereits begehen, um das Ziel zu erreichen? Wie gut werden die Menschen „regiert“ werden, wenn der Sohn Gottes regieren wird! So kann Er wirklich allen die Liebe zukommen lassen, weil alle Menschen, ob frei oder gezwungen, zu den „Reichen“ gehören.

Aber die Liebe nach diesem Vorschlag ist ohne Hoffnung: Gott könnte den Menschen nichts Neues geben, er ließe sie in ihren Reichen, nur mit einem anderen König. Und es ist eine Liebe ohne Glauben: Sie baut nicht auf die Vaterschaft Gottes, sondern auf die Fähigkeiten des Menschen! Eine vom Glauben und von der Hoffnung losgelöste Liebe gerät notwendigerweise auf die Wege Satans. Alle Reiche dieser Welt „lieben“ die Menschen, indem sie Gewalt ausüben!

 

 

10. Der Weg des Glaubens

Der Versucher stellt die Liebe des Sohnes Gottes auf die Probe, indem er versucht, ihn auf einen Weg zu ziehen, der den Anschein des Glaubens hat.

Gott kann Steine in Brot verwandeln. Das kann auch der Sohn: aber wenn er es aus eigener Initiative macht, unabhängig vom Vater, ist dieser Sohn nicht mehr Sohn. Die Versuchung zu dieser Initiative kann kommen! Und sie kommt, wenn ich den Blick von Gott abwende und ihn auf den Menschen richte. Wenn ich den Menschen betrachte, sehe ich eine Unmenge von Bedürfnissen, unter denen er meiner Meinung nach leidet. Und da ich weiß, daß Gott nicht will, daß der Mensch leidet, bemühe ich mich, ihn von diesen Leiden zu befreien, und zwar mit den mir bekannten Mitteln und Möglichkeiten.

Wenn ich den Menschen betrachte, meine ich, seine Bedürfnisse zu kennen. Und dann möchte ich alle möglichen Wunder vollbringen, um die Leere zu füllen, die ich festgestellt habe.

So entdecke ich, daß Gott nicht das getan hat, was für den Menschen gut ist. Er hat die Steine gemacht, ich muß ihm das Brot besorgen. Ich bin in Gefahr, Gott zu richten und nicht auf Ihn zu achten, damit Er mir selbst sagt, welches die wahren Bedürfnisse des Menschen sind.

Ich sehe mit meinen Augen, daß es dem Menschen an Wohlstand mangelt: Ich versuche, ihm Wohlstand zu beschaffen, in der Überzeugung, ihm damit Leben zu geben.

Ich sehe, daß der Mensch ein kulturelles Defizit aufweist: Ich setze mich ein, es aufzufüllen, in dem Glauben, daß ich ihm auf diese Weise zum wahren Menschsein verhelfe, ja sogar zum Christsein.

Ich sehe einen Menschen, der sich nicht für Politik interessiert: Ich überhäufe ihn mit Idealen und Strukturen und meine, ihm damit das nötige Brot zu geben.

Ich sehe ihn arm an Liebe: So überschütte ich ihn mit humanitären, menschenfreundlichen, ökologischen und sportlichen Gefühlen, und meine, ihn zu einer... göttlichen Würde zu erheben.

Ich sehe den sündigen Menschen, fähig für das Böse: Ich bestehe darauf, daß er das Gute tut und überzeuge ihn, daß er das ewige Leben erhält, wenn er das Gute tut. So ersetze ich das Hören auf Gott mit Moral.

Ich sehe den Menschen, der Gott nicht kennt: So formuliere ich für ihn verschiedene Theologien je nach seiner Situation; aber der Mensch lebt dadurch nicht!

Ich sehe den nicht organisierten Menschen: So schaffe ich für ihn verschiedene kirchliche und pastorale Einrichtungen, mit der Illusion, ihm nichts anderes geben zu müssen. Das sind alles schöne Dinge, aber es sind Steine! Der Stein füllt nicht den Magen des Menschen: So werden diese Ideale nie den Menschen zum Kind Gottes machen, sie geben ihm nie das Leben, das er erwartet und das er zu tragen fähig ist. (19)

Gott hat ein Brot gegeben, nur eines, das man an alle verteilen kann.

Daher ist es nötig, nicht zu sehr auf den Menschen zu schauen, als vielmehr auf Gott, zu Ihm die leeren Hände auszustrecken, um das Brot zu empfangen, das von Ihm ausgeht, das Er sich vom Munde abspart, oder besser vom Herzen, um dem Menschen göttliches Leben zu schenken.

Das Brot Gottes ist genau jener Jesus, der in Versuchung geführt wurde, um sich von den Steinen zu ernähren.

Der Mensch, der nach allem bedürftig ist, wird Leben finden, wenn er sich von Jesus ernährt, dem Wort Gottes. Es ist nicht die Kultur, die den Menschen zum Sohn Gottes macht; auch nicht die großen humanitären Gefühle, nicht der materielle Wohlstand und noch weniger die Politik machen ihn dazu. Mehr noch: Nicht das gute Verhalten, die Ehrlichkeit und die guten Taten erfüllen die Herzen der Menschen und erheben sie. Diese Dinge haben ihren Platz und ihre Berechtigung im Leben, wenngleich sie an und für sich auch Gefühle des Hochmuts und des Egoismus nähren können: unentbehrlich aber ist Jesus! Ohne Jesus bleibt der Mensch nüchtern und ohne Jesus wird der Mensch nicht zum Kind Gottes.

Wie vielen Versuchungen bin ich ausgesetzt, und wie viele Energien setze ich ein, ohne daß sie die gewünschte Frucht bringen. Ich hätte gerne, daß die Menschen Menschen Gottes werden, seine Kinder, aber ich ernähre sie mit Ersatzmitteln.

Kein Wunder also, wenn sie nach vielen Jahren, die sie in meiner Nähe verbringen und meine Programme über sich ergehen lassen, überdrüssig werden, ermüden und durstiger sind als zuvor und an meinem Hilfsangebot zweifeln.

Und da ich die Kirche vertrete, entfernen sie sich von der Kirche ungetröstet, enttäuscht, vielleicht zornig wie ein Hund, der auf das Fressen wartet und ... Perlen erhält! Und sie suchen anderswo! Ich wollte den Menschen schöne Dinge geben, aber der Mensch braucht Brot. (20)

Das Brot für den Menschen ist JESUS! Nur mit einem aufmerksamen und liebevollen Blick auf den Vater werde ich merken, daß Er mir nicht Steine zum Verwandeln geben will, sondern direkt das Brot. Vom Vater erhalte ich jenes Brot, das keine Verwandlung mehr nötig hat.

 

 

11. Brot statt Steine

In meinem Leben als Priester begegne ich ständig dieser... Versuchung: Die Gabe Gottes ersetzen durch materielle Dinge, durch Flickwerk dieser Welt. Natürlich betrachte ich diese Dinge nicht als Ersatz für die Gabe Gottes, vielmehr glaube ich, daß ich diese Gabe handfester machen muß, begehrenswerter für die Augen und Herzen der Menschen, also leichter zugänglich und weniger anstrengend.

Ich sage den Christen, daß es zum Christsein genügt, sich ein wenig einzusetzen, etwas in der Gesellschaft oder in der Pfarrei und in der Schule zu tun, rechtschaffen zu sein, die Gebote zu beachten, sich einiger Probleme anzunehmen... Aber auf diese Weise lasse ich die Menschen auf sich selbst ausgerichtet, auf den Menschen. Dadurch wird der auf mich hörende Mensch nie ein Kind des Vaters: Er bleibt ohne eine göttliche Identität.

Wenn ich für das Reich Gottes nicht unnütz sein und mich nicht selbst zum Werkzeug des Versuchers machen will, werde ich meine Aufmerksamkeit umorientieren müssen. Ich muß auf den Vater schauen, auf Ihn hören, Ihm gehorchen, keine eigenen Entscheidungen treffen, sondern Ihm antworten. Ich muß im Hören verharren, in der Betrachtung Gottes. Ohne diese ständige Haltung kehrt mein Leben - ganz unfreiwillig – zurück zur Suche nach Steinen anstatt nach nahrhaftem BROT.

Ich merke, daß ich jene Menschen, denen ich wirklich helfen will, an die Kontemplation gewöhnen muß. Ich muß ihnen Jesus zeigen, immer, in jeder Lage - und nur Jesus! Er ist die Erquickung, wenn es Mühe kostet; Er ist die Kraft, um sich beständig in der Liebe zu verschenken; Er ist Quelle, die mir die Fähigkeit gibt, zu vergeben; Er ist die Quelle der Weisheit, die Licht für die Lebensentscheidungen ist. Ich habe gemerkt: Wenn ich Menschen, die mir begegnen, auf Jesus hinweise und ihnen Jesus schenke, dann sind und bleiben sie zufrieden und auch fähig, eine lange Wegstrecke ohne mich zu gehen. Jesus ist das Brot!

Natürlich muß ich mich selbst vom Brot ernähren, das Brot Gottes suchen für das Leben, das Gott mir gegeben hat. Die Versuchung besteht darin, mich mit dem zu begnügen, was ich entlang des Weges finde, ohne weiter zu suchen. Längs des Weges finde ich Lärm, Worte und Bitten der Menschen, Tagesereignisse, Leiden und Freuden, Freundschaften und Feindschaften, Arbeit und Ruhe. Darin finde ich nicht das Brot, das mich nährt, sondern den Hunger, der darauf wartet, gestillt zu werden. Ich werde die Zeit und den Raum finden müssen, um jenes Brot Gottes zu suchen, das aus seinem Mund kommt, aus seinem Herzen: DEN SOHN, der zum Wort für meine Ohren wird, zum Licht für meine Augen, zur Liebe für mein Herz. (21)

Beim Versuch, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, werde ich ebenso direkt in Versuchung geführt: nämlich herauszutreten aus der gehorsamen Haltung, die mich zum Kind Gottes macht.

Das betrifft nicht nur mich als Priester, sondern genauso alle, die mehr oder weniger feierlich die Entscheidung getroffen haben, im Gehorsam zu leben.

Wenn wir auf den Menschen schauen, sehen wir die materiellen Bedürfnisse als dringend an. Und oft sind sie es auch. Aber wenn wir auf Gott schauen, sehen wir jenseits dieser Bedürfnisse und über ihnen die geistlichen Gaben, die ER geben will, die ewigen Gaben, die Fülle. Dann werden wir nicht wagen, den Auftrag der Kirche mit menschenfreundlichem Handeln zu ersetzen. (22)

Wie kommt es, daß sich unter dem christlichen Volk (wenigstens zum großen Teil) Unverständnis und bisweilen Geringschätzung ausbreiten gegenüber endgültigen oder zeitweiligen Berufungen Gottes, gegenüber Zeiten der Stille und der Einkehr, gegenüber dem ständigen Gebet?

Es fehlt die nötige Ausrichtung auf Gott!

Und in den religiösen Gemeinschaften, in denen die Aufmerksamkeit überwiegend auf den Menschen gerichtet ist, wird die Kontemplation der Pläne Gottes durch die „TV-Kontemplation“ ersetzt. Die Folgen sind: Erschlaffung (im geistlichen Leben), Verlust der Bedeutung und der Sinnhaftigkeit (der Berufung), Verlust der Einwirkungsmöglichkeit in der Welt zugunsten des Reiches Gottes.

In diesen Orten hat die Vernunft den Heiligen Geist ersetzt, die Überlegung macht den Geist des Gehorsams überflüssig oder beseitigt ihn aus den Herzen.

In den christlichen Familien verschwinden die Zeiten des gemeinsamen Gebetes, um vielen anderen Initiativen Platz zu machen. Dies können auch schöne Dinge sein, aber sie sind kein Brot, das die Einheit der Familie selbst und die Treue zu Gott festigt, wie es das Gebet wäre. Die Familien, die eine Zeit für das gemeinsame Gebet suchen und finden, sind Orte, in denen der Heilige Geist mit Macht wirken kann! Dort werden die Menschen - große und kleine – „vom Brot“ gespeist, sie leben und wachsen im geistlichen Leben und werden zum Segen für andere.

In diesen Familien gleicht der Hausvater wirklich dem VATER, der jenen keine Steine gibt, die nach Brot hungern.

 

 

12. Der Weg der Hoffnung

Der Versucher nähert sich uns auf dem Weg der Hoffnung. Wer hofft, erwartet die Erfüllung der Verheißungen Gottes.

In diese Erwartung kann sich eine Haltung einschleichen, die den Menschen am Sohnsein hindert. Das Versprechen Gottes wird gebraucht, sich selbst in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken, anstatt Gott.

Das geschieht im Glauben an das wirklich von Gott verkündigte Wort, aber ich entscheide, wo sich dieses Wort bewahrheiten kann und wo es in Erfüllung gehen soll. Die Prophetie, also das von Gott kommende Wort, wird folglich meinen Plänen und Wünschen, meinen plötzlichen Einfällen angepaßt.

Ich erwarte dann, daß Gott in seinem Handeln mir gehorcht, anstatt daß ich versuche herauszufinden, wie ich meine Wünsche ändern kann, um Ihm zu gehorchen.

Das Wort Gottes wird zu einer Spielfigur, die ich nach meinem Gutdünken bewege.

Die Verheißungen Gottes werden zu Verheißungen eines Zauberers und sind nicht mehr Verheißungen des Vaters. Sie erlauben mir, unverantwortlich zu sein, ausgerichtet auf meinen Geschmack, auf meine Bequemlichkeit: denn Gott hat es ja versprochen!

Ich sehe einen Gott, der das Vatersein aufgibt und der die Rolle eines Lückenbüßers übernimmt: Er tut ja, was ich nicht tue; Er erreicht immer sein Ziel. So entledige ich mich der Verpflichtung, innezuhalten, um auf Ihn zu hören, um mit Ihm meine Pläne zu schmieden, um nur nach Seiner Vorsehung zu handeln.

Ich hoffe, daß Gott sein Wort verwirklicht, ohne daß ich auf etwas verzichten müßte, auf meine Wünsche nach Ehre und Anerkennung, ohne daß ich gehorchen müßte. (23)

Es ist die Versuchung, alles seinem vorherbestimmten Lauf zu überlassen: Quietismus, persönliches und gesellschaftliches Disengagement, Abwertung der Sünde! Mit der Zeit mache ich, was ich will, denn es gibt ja Gott! (24) Es ist das Gegenteil der Hoffnung Mariens: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort.“ Das ist die wahre Haltung gegenüber Gott, der redet!

Ich will nicht alle Winkel des Lebens ausleuchten, in denen sich diese Versuchung verstecken kann. Ich weiß, daß es Menschen gibt, die sich in einen hektischen Aktivismus „hineinstürzen“, auch in einen apostolischen Aktivismus, ohne die körperlichen und noch weniger die geistlichen Grenzen zu beachten. Sie denken: Gott wird schon seine Engel senden...!

Um auf meinem Gebiet zu bleiben: Wie viele Priester haben mit der Ablehnung jedweder Ruhezeit übertrieben und sind dann im Krankenhaus gelandet ... oder auf dem Friedhof?

Oder, indem sie sich in die apostolische Arbeit stürzten, haben sie vergessen, innezuhalten, um auf Gott zu hören. Dies führt dazu, daß sie das Reich Gottes nicht mehr von menschlichen Bereichen unterscheiden können und nicht mehr im Heiligen Geist leben! (25)

Das Gegenteil geschieht allerdings auch. Das Achten auf meine Gesundheit läßt mich manchmal meine Verpflichtung für das Reich Gottes vergessen oder vernachlässigen. Ich muß bereit sein, mich „hineinzustürzen“ , wenn es Gott verlangt, auch wenn mich das wirklich dazu brächte, mich ganz auf Den zu verlassen, der gesagt hat: „Sie werden dich auf ihren Flügeln tragen.“ Gott sorgt wirklich für alle, die ihm gehorchen: Er hat den Sohn aus dem Grab befreit, in das Er im Gehorsam hineingegangen ist.

Er ist bereit, sein Wort zu halten, wenn der Mensch für Seine Wünsche lebt und Seinen Ruf wahrnimmt.

Es ist schön zu sehen, wie Gott dem beisteht, der sich von Ihm im vollen Vertrauen und in voller Hingabe führen läßt, wie er dem beisteht, der nichts für sich sucht, weder Ehre noch Anerkennung, sondern allein den Willen des Vaters sucht.

Gott hört nie auf, seine gehorsamen und vertrauenden Kinder in Erstaunen zu setzen, indem er sich ihnen als zärtlicher und großzügiger Papa erweist.

 

 

13. Der Weg der Liebe

Der Versucher entdeckt schließlich die Liebe als möglichen Weg, um die Liebe auf die Probe zu stellen. Dies erscheint als nicht mögliche Absurdität, und doch ist es so! Der Versucher läßt die Menschen, ihre sozialen Gruppierungen und ihre Reiche beobachten. Den Menschen ein Reich zu geben, in dem Gerechtigkeit und Weisheit herrschen, ist für sie eine große Liebestat. Denn die Menschen suchen immer nach jemandem, der über sie regiert. So erhebt sich der Mensch aus vermeintlicher Menschenliebe über die anderen, befiehlt und herrscht über sie. Der Mensch glaubt zwar zu lieben, aber er herrscht über den Bruder. Er glaubt, den anderen zu lieben, aber in Wirklichkeit mißbraucht er ihn für die eigene Ehre und für seine eigene Genugtuung.

Der Mensch, der über andere zu herrschen versucht, bleibt nicht Sohn, sondern wird zum Herrn.

Seine Menschenliebe ist nicht mehr als Liebe des VATERS zu erkennen. In der Herrschaft des Menschen über den Menschen wird Gott nicht mehr als Vater anerkannt, als einer nämlich, der sich selbst verschenkt.

Die Versuchung, nicht als Sohn vor Gott und daher als Bruder neben dem Menschen zu bleiben, nützt den Weg der Liebe aus, mehr als man denkt.

Einige Beispiele:

Wie leicht gerät man aus Liebe zu den Armen zur Verachtung der Reichen! Ein Mensch, der einen anderen Menschen verachtet, weil dieser geizig und somit Sünder ist, kann daher nicht Sohn des Vaters genannt werden. In ihm ist nicht die Liebe Gottes gegenwärtig, obwohl er sagt, daß er die Armen liebt. Welche Art von Liebe schenkt er den Armen? Eine Liebe, die Gott ausschließt, obwohl er ihn vielleicht mit den Lippen bekennt.

Um einen Bruder zu verteidigen, beschuldige ich einen anderen Bruder. Ich sehe die Menschen als gegenseitige Feinde an, anstatt vielleicht als Sklaven des Feindes. Wenn ich einen ausgebeuteten oder von einem anderen Menschen beleidigten Menschen sehe, muß ich zuerst den Ausbeuter verteidigen: Jener, der beleidigt oder ausbeutet, muß vor dem Bösen verteidigt werden!

Die Liebe, die den Menschen verteidigt, muß natürlich klar die Sünde und den Mißbrauch - auch den versteckten – anklagen, aber sie liebt weiterhin den Sünder und Unterdrücker, um ihn vor dem Bösen zu verteidigen, der ihn ja beherrscht und mitreißt. (26)

Wahrhaftig, wenn die Liebe nicht jeden Tag ausdrücklich von Gott Vater empfangen wird, ist sie nur ein menschliches Gefühl, das vom Satan ausgebeutet wird. Er ist der Fürst dieser Welt, und wer nur aus menschlicher Kraft lieben will, wird sich in Haß und Gewalt, in Eitelkeit und Egoismus eingetaucht wiederfinden.

Wenn der Mensch im Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit steht, kann ich mit extremer Leichtigkeit in diese Falle des Bösen geraten. Und das kann auch im Bereich meiner pastoralen und kirchlichen Aufgaben geschehen. Denn als Priester bin ich in einer gefährlichen Lage. (27)

Ich bin in Gefahr, mich im Recht und in der Pflicht zu sehen, daß ich befehlen, beschuldigen und anklagen kann: Die Verteidigung der Armen und Schwachen ist mir Rechtfertigung dafür! Wenn ich nicht völlig auf Gott baue, sondern auf den Menschen schaue, erfülle ich nicht mehr das Werk Gottes. Ich verteidige zwar den Armen vor dem Reichen, aber nicht den Reichen vor dem Satan. (26)

Ich verteidige die Körper, aber nicht die Seelen; ich schenke vergängliche

Güter, anstatt unvergängliche und ewige; dabei täusche ich mich selbst und den Armen.

Auch die Liebe zu Gott kann sich als möglicher Weg der Versuchung eignen. Das geschieht z.B., wenn ich meine, Gott zu lieben, indem ich ihn vor den Lästerungen der Menschen verteidige.

Um Gott zu „verteidigen“, komme ich in Versuchung, die Menschen zu beleidigen, sie zu richten und zu beschuldigen. Aber während ich sie richte und beschuldige, bin ich bereits selbst gegen Gott, außerhalb von Ihm, fern von Seiner Wirklichkeit, die ja Liebe für die Sünder ist! Ich bin nicht mehr sein Sohn: In jenem Moment stammen meine Lebensäußerungen nicht von Ihm!

Der Sohn Gottes verteidigt Gott nicht. Er nimmt vielmehr die gegen den VATER gerichteten Beleidigungen auf sich und versucht, den Menschen vor seinem Feind, dem Satan, zu verteidigen. Der Sohn Gottes fühlt sich nicht gekränkt, sondern bewahrt in seinem Herzen die Barmherzigkeit Gottes und seinen Wunsch, den Menschen vor dem Bösen zu retten, auch wenn dieser Mensch momentan zu seinem Feind wird.

Wenn ich nicht eng verbunden mit dem Vater und innerlich von Ihm abhängig bleibe, kann ich mich oft täuschen, indem ich meine, die Menschen zu lieben, ihnen aber statt dessen größere Lasten auferlege. Es passiert allzu häufig, daß ich etwas in der Liebesabsicht tue, eine Initiative ergreife, mich aufopfere usw., aber all das tue ich mit Unruhe, in Eile, mit innerer Anspannung. Auf die Menschen, denen ich zu helfen glaube, übertrage ich aber meine Unruhe und Anspannung! Ich helfe ihnen nicht, ich ersticke sie!

Manchmal merke ich das, wenn ich predige oder den Katechismus erkläre: Dies ist sicher ein guter Beitrag, aber warum gehen manchmal meine Zuhörer traurig oder bedrückt weg? Weil ich unruhig war, besorgt wegen der richtigen Worte und ihrer Überzeugungskraft; ich habe mich nicht vertrauensvoll auf den Vater verlassen. Die Liebe, die ich schenken wollte, war keine Liebe, war nicht Heiliger Geist! Mir fehlte die Sohn-Beziehung zum Vater.

Eine andere Lüge, die vom Blick auf den Menschen - trotz der Absicht, ihn zu lieben – herrührt, ist eine Art des Psychologisierens, die alle Bereiche des Lebens – sowohl des Einzelnen als auch der christlichen Gemeinschaft – durchdringen will.

Die Psychologie ist die Kenntnis der Tiefe der menschlichen Seele. Aber wenn ich denselben Menschen nicht in Beziehung zum Vater bringe, kenne ich ihn nicht. Wenn ich den Menschen nicht im Licht des Heiligen Geistes sehe und ihm nicht den Heiligen Geist übermittle, helfe ich ihm nicht.

Die Psychologie ist eine sehr schöne Sache, wenn sie dem Geist Gottes untergeordnet ist, dem Geist der Liebe des Vaters zum Sohn und des Sohnes zum Vater. Wenn es mir nicht gelingt, den Menschen als Sohn zu sehen oder ihm vorzuschlagen, Sohn des Vaters zu werden, dann wird die Psychologie ein neuer Herrschaftsbereich des Menschen über den Menschen. Ich kann dies nicht Liebe nennen! (28)

 

 

14. Die Waffen und der Sieg

Der Sieg des Menschen über die verschiedenen, gegen ihn gerichteten Versuchungen ist etwas Bezauberndes.

Der siegreiche Mensch ist der wahre Mensch, wie Gott ihn sich gedacht hat, reich an seiner väterlichen Liebe. Wie bereits häufig wiederholt: Dieser Mensch sieht sich nicht nur als Mensch, sondern er kann sich nur als Sohn des Vaters betrachten. Er lebt in ständiger, ununterbrochener Beziehung zum Vater. Ohne diese Beziehung ist er nicht mehr Sohn, er ist nicht mehr er selbst. Er wird sich auf die Suche machen nach seiner eigenen, verlorenen Identität, aber er wird sie nicht finden, wenn er nicht umkehrt zu dieser Sohn-Beziehung.

Die Sohn-Vater-Beziehung ist der Heilige Geist! Der Mensch, der diese Beziehung lebt, ist eingetaucht in den Heiligen Geist, in seine Freude, in sein Licht! Er befindet sich in harmonischer Einheit mit der Existenz und der Gegenwart des wahren Gottes.

Was soll man tun? Es gibt nur einen einzigen Weg: Eins werden mit dem Einzigen Sohn des Vaters, verbunden bleiben mit dem Menschen Jesus. ER ist der Mensch, der die ganze Liebe, die im Herzen Gottes wohnt, in menschliches Leben verwandelt; ER ist der Mensch, der das WORT GOTTES verkörpert, d.h. all das, was Gott von sich selbst mitteilen will.

ER ist der Mensch-Gott.

Jesus ist die einzige Heilsmöglichkeit für den Menschen, seine einzige Möglichkeit, um die Liebesprobe und die Versuchung gegen die Liebe zu bestehen. Das geschieht, indem ich vereint bleibe mit Jesus, indem ich mir seine Gefühle und seine Gedanken zu eigen mache, indem ich Ihm meine ganze verfügbare Liebe schenke.

Wie viele Ratschläge, wie viele Wege, wie viele Vorschläge bringen Verwirrung, Durcheinander und Orientierungslosigkeit! Es gibt nur ein Ziel und nur einen Weg: Den Sohn Jesus! „Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern und... dürsten.“

„Niemand kommt zum Vater, außer durch mich.“ „Ich verkünde euch eine große Freude: Heute ist euch... der Retter (Jesus) geboren.“ „Wer an ihn glaubt, wird nicht sterben.“ „Wer auf den Vater gehört und von Ihm gelernt hat, kommt zu mir.“

Wir können Jesus nicht durch Ideale ersetzen, auch nicht durch die besten. Es sind wertvolle Perlen, aber sie verlieren ihren Wert in Anbetracht der einzigen Perle; sie werden zu Abfall. Ein Ideal ist etwas, was der Mensch mit eigenen Kräften sucht, aber etwas, was er nie erreicht. JESUS ist die Gabe Gottes: Nimmt der Mensch Ihn auf, dann wird er davon erfüllt.

Wer Jesus aufnimmt und ausschließlich Ihm seine Liebe schenkt, ist fähig, Glaube, Hoffnung und Liebe in Harmonie zu vereinen. Jede dieser Haltungen wird in Einklang gebracht mit den anderen beiden und von ihnen genährt und am Leben erhalten. Glaube, Hoffnung und Liebe werden keine gefährlichen Orte der Versuchung mehr sein, sondern Orte, wo die kindliche Liebe sowohl gegenüber Gott, als auch gegenüber den Menschen zum Ausdruck kommen kann.

Wenn wir in Jesus verharren, dann bleiben in uns die drei Verteidigungswaffen lebendig, welche die Versuchung überwinden und besiegen: Gehorsam, Kontemplation und Demut.

Jede einzelne und alle diese drei Haltungen zusammen, die bei Jesus in der Wüste zu beobachten sind, werden auch mich siegreich aus der Versuchung hervorgehen lassen.

Der Gehorsam verhindert, daß ich mich auf mich selbst stütze; er hält mich fest verankert am Eckstein. Das gehorsame Herz ist das Herz des Sohnes, der den Vater als Papa ansieht, der Seinen Namen heiligt. Der Gehorsam kostet Überwindung, man lernt ihn ... durch das Leiden (Hebr 5,8), aber er macht den Menschen zum Sohn. Der Gehorsam bis zum Tod hat DEM SOHN die ewige Herrlichkeit gesichert.

Die Kontemplation - der auf Gott gerichtete Liebesblick – erfüllt die Hoffnung mit Gewißheit und Licht. Wer in Betrachtung verharrt, weiß, was er tun soll, wie er lieben, wie er leben, wie er reden soll, weil er auf das schaut, was der VATER tut, wie Er liebt; er hört auf Seine Worte. Die wahre menschliche Aktivität hat ihren Ursprung in der stillen Betrachtung.

Die Demut, die vom Mut herrührt, dem VATER die Initiative zu überlassen, rettet Jesus vor jeder Versuchung des FEINDES. Jesus spielt nicht mit dem Gedanken, vor Gott zu treten, um ihn zu belehren. In seiner großen und vollkommenen Demut sucht er weder Kraft noch Licht in sich selbst, sondern übernimmt einfach die Herzenshaltungen von den Worten, die der Mensch bereits im Namen des Vaters gesagt hat. Diese Demut führt ihn zur Betrachtung und zum Gehorsam.

Niemand wird Ihn mehr besiegen. Keiner Versuchung, auch nicht der gewaltsamsten am Ende seines Leidensweges, wird es gelingen, in das Herz des Sohnes einzudringen. Auch dann trägt die Demut Jesus, der den Vater betrachtet, die Worte des Psalms zu hören und gehorsam zu wiederholen: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“

Und so bleibt der Sohn Sohn in Ewigkeit!

 

 

15. “Er lebte bei den wilden Tieren,

und die Engel dienten ihm.”

Der Sieg Jesu bekommt - nach Markus - folgende Dimensionen:

Er lebt das wahre Leben des „von Gott in Gerechtigkeit und in der Heiligkeit der Wahrheit geschaffenen Menschen“, das Leben des Freundes Gottes, der keinen Schaden durch seine Feinde nimmt und sich der Liebeserweise des Vaters erfreut.

„Er lebte bei den wilden Tieren.“ Wilde Tiere flößen dem Menschen Angst ein; sie werden für ihn zu Feinden, lassen ihn die Flucht ergreifen.

Jesus flieht nicht, er läßt sich nicht einschüchtern. Er vertraut dem Vater, er weiß, daß diese Tiere seine Geschöpfe sind und daß sie nichts tun können, was nicht im Plan Gottes liegt.

Aber was sind diese wilden Tiere? Ich stelle mir Jesus nicht einfach umgeben von Löwen und Schlangen vor. Ich sehe vielmehr in diesen „wilden Tieren“ ein Bild, das all das umfaßt, was dem Menschen Angst macht, was mir Angst macht: schwierige Situationen, beunruhigende Ereignisse, Momente des Leidens und der Schmerzen, Unverständnis und Beschuldigungen von Seiten der Brüder, innere und äußere Trennungen durch Menschen usw.

Das sind die „wilden Tiere“, die mein Leben umgeben, und in deren Mitte Jesus Sieger blieb.

Es sind Tiere, die beißen, die das Herz zerreißen und manchmal auch den Körper, die danach trachten, sich von meinem Blut zu ernähren. Inmitten dieser Tiere bleibt Jesus standhaft, ohne zu fliehen, ohne einen Ort frei von Leid zu suchen, eine Situation der Bequemlichkeit, eine Möglichkeit, ohne Kreuz zu leben – Jesus flieht nicht.

Jesus bleibt der Liebe treu, auch inmitten von feindlichen Situationen. Er bleibt ständig in der Liebe zum Vater und in der Liebe zu den Menschen, obgleich in gefährlichen, schwierigen und leidvollen Situationen.

„Er lebte bei den wilden Tieren“ ist die Zusammenfassung seines ganzen Lebens und die Zusammenfassung des Lebens seiner Jünger, seiner Kirche.

Jesus ist das Samenkorn, das inmitten des Unkrauts wächst; Er ist das Lamm mitten unter den Wölfen, bleibt aber Lamm.

Wer in der Liebe lebt und in der Sohnschaft zu Gott Vater verharrt, Ihn mit vertrauensvollem Gehorsam und in völliger Abhängigkeit liebt, wird keinen Schaden erleiden durch widerwärtige Situationen.

Leiden, Sündenfälle und bittere Überraschungen zerstören nicht seine Gotteskindschaft, seine Teilhabe am göttlichen Leben!

Im Gegenteil: „Die Engel dienten ihm!“

Die Boten Gottes geben ihm immer neue Möglichkeiten, seine Fähigkeit zu lieben und Sohn zu sein zu entfalten.

Ich stelle mir kein Geflattere von Engeln um Jesus in der Wüste vor, nein! Aber ich sehe Jesus, der vom Vater Eingebungen und Licht bekommt, auch durch Ereignisse und Personen, die ihm dazu dienen, seine Sohnschaft zu leben.

Alles wird für Jesus zum Engel Gottes, zum Boten der Liebe:

Die Vögel und die Blumen, die Fische und die Lämmer, die Kinder und die Hirten, die Bauern mit ihren Werkzeugen und die Hausfrauen. Alles wird für Jesus zum Anlaß, die Liebe des Vaters zu sehen und Ihm mit Zuversicht, mit Vertrauen und Hingabe zu antworten.

Das ist das Geschenk, das derjenige erhält, der sich zum Kind des Vaters macht. Er kann mit den Widerwärtigkeiten und Leiden leben, ohne Schaden für seine Beziehung zu Gott und sein Menschsein zu nehmen.

Er erhält ständige Hilfe vom Vater, ständige Bezeugungen (Engel) Seiner ewigen Liebe.

Herr, Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich meiner, des Sünders.

16. Der Preis des Siegers

Jesus geht als Sieger aus der Wüste hervor. Seine Liebe hat sich als reine Liebe erwiesen, nur als Geschenk seiner selbst, ohne Erwartung von Anerkennung, ohne eine Spur von Egoismus.

Die Versuchungen des Satans hat Jesus dazu verwendet, dem Vater seine Sohnes-Treue zu bekunden.

In seinem ganzen Leben, in all den folgenden Tagen, lebt Jesus weiterhin so wie in der Wüste, im Ausharren in der reinen Liebe zum Vater.

Und der Vater findet im Sohn den Ort seiner Offenbarung, so daß er sagen kann:

Wer den Sohn sieht, der sieht den Vater. Wahrlich, wer den Sohn sieht, sieht das reine Geschenk seiner selbst, und das ist Liebe, das ist Gott!

Wer den Sohn liebt, liebt den Vater. Ja, wer sich mit dem Sohn in uneigennütziger Liebe vereint, tritt in das Geheimnis der Gott-Liebe ein.

Wer auf den Sohn hört, hört den Vater, denn der Sohn ist der totale und vollkommene Ausdruck des Willens, des Verlangens und des Planes von Gott Vater.

Jesus, der Sohn Gottes, der die Steine nicht in Brot verwandeln wollte, wird von Gott die Freude empfangen, den eigenen Leib in Brot zu verwandeln, damit sich die Menschen davon ernähren und Sein Leben empfangen können, Seine eigene Fähigkeit zur göttlichen Liebe.

Und Jesus wird die Gnade empfangen, das Brot in seinen eigenen geopferten Leib zu verwandeln, damit auch die Menschen, die auf vielerlei Weise vom Teufel versucht werden, sich mit Ihm aufopfern können, um dem Vater wohlgefällig zu sein.

Das Brot, das sein Leib ist, und sein Leib, der das Brot ist, werden der Eckstein sein, der das Fundament für die ganz neue Welt bildet, die sich auf Ihn stützt.

Jesus ist das Brot, das den Menschen sättigt!

Jesus, der Sohn Gottes, hat den Vorschlag, sein eigenes Wort zugunsten seiner eigenen Unabhängigkeit vom Vater zu interpretieren, nicht angenommen. Er hat nichts unternommen, um Ehre von den Menschen zu erlangen und lehnte daher den Vorschlag ab, sich von der Zinne des Tempels zu stürzen, um den Vater zu zwingen, ihm trotz allem Leben und Gesundheit zu geben.

Und so empfängt Jesus – wie geschrieben steht: „Nicht wer sich selbst empfiehlt, sondern wen der Herr empfiehlt“ - die Gnade, selbst das Wort Gottes für alle zu sein.

“Hört auf ihn!“, ertönte es auf dem Berg.

Außerdem erfährt Jesus Ehre von Gott – ohne sie zu suchen -, indem Er selbst, durch seine Gegenwart, zur Gesundheit und Heilung für Blinde und Krüppel, für Gelähmte und Taube, zur Auferstehung für die Toten und zur Freude für alle wird.

Und am Ende werden ihn alle betrachten, alle Blicke werden auf IHN gerichtet sein, wenn ER erhöht sein wird, nicht auf der Zinne des Tempels, sondern auf dem Berg der Schädelstätte. Das ist der Berg, der für alle zum Ort des Lebens wird, für alle, die sterben.

Jesus ist das Wort, Er ist die Ehre Gottes, die Gesundheit und das Heil des Menschen.

Jesus, der Sohn Gottes, hat den Vorschlag Satans nicht angenommen, sich zum König der Menschen zu machen, ebenso nicht den Vorschlag der Menschen, die ihn zu ihrem eigenen König einsetzen wollten.

Deshalb erwählt Gott selbst, DER VATER, ihn zum universalen und ewigen König, indem Er Ihn zu seiner Rechten erhebt.

Und die Menschen, die auf Gott hören, nehmen die Königsherrschaft Jesu an: in ihrem eigenen Herzen, in ihrem eigenen Leben, bis hin zum Sterben für Ihn.

Jesus ist der wahre König, der nicht befiehlt, aber dem die Volksmengen aus allen Nationen, Sprachen, Völkern und Rassen zu allen Zeiten gehorchen und nachfolgen, und den sie lieben.

„Nun gehört die Herrschaft über die Welt

unserem Herrn und seinem Gesalbten;

und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“

(Offb 11,15)

 

 

Anmerkungen

oder Verzeichnis der Verhaltensweisen, die von häretischen Äußerungen über den Glauben herrühren (oder dazu führen).

(1) Diese „Überzeugungen“ könnten zu einer Art „Manichäismus“ führen, d.h. man sieht das Böse auf derselben Stufe wie das Gute, man sieht nicht den Erlöser.

(2) Glauben, daß Gott eine „einzige“ Person ist und nicht Dreifaltigkeit (ein Gott in drei Personen), führt zur Zerstörung aller geoffenbarten Glaubenswahrheiten, führt zu abwegigen Interpretationen des Evangeliums und daher zur Apostasie, d.h. zur Ablehnung des christlichen Glaubens im ganzen.

(Vgl. Zeugen Jehovas: Ausgehend von der Leugnung der Dreifaltigkeit, leugnen sie die Gottheit Jesu und des Heiligen Geistes. Sie behaupten, daß die Kirche götzendienerisch und teuflisch ist, daß die Sakramente satanische Handlungen sind und daß die Christen Vertreter Satans sind... ).

(3) Das ist die Säkularisierung = Verweltlichung: Die Welt, die den Glauben ausschließt, zeigt sich als „Welt“, d.h. sie lehnt die Inkarnation (Menschwerdung) des Sohnes Gottes ab, sie ist gleichgültig Gott gegenüber und von Gott selbst getrennt.

Gott und Mensch - jeder geht seinen eigenen Weg. Wenn der gläubige Christ der Welt in ihren säkularisierten Äußerungen folgt, schließt er sich selbst vom Zeugnis Jesu (als Sohn Gottes) aus.

(4) Materialismus: Der Mensch ist das, was man von ihm sehen oder berühren kann, oder das, was er selbst fühlt (alles Wirkliche geht auf Kräfte der Materie zurück).

(5) Die Trennung von Verstand und Herz, von Wissen und Lieben, bringt verheerende Früchte.

Christen, die alles über Gott wissen, aber nicht in der Liebe leben und nicht auf den Vater vertrauen, sind die schlimmsten Atheisten, sie geben falsches Zeugnis.

Es ist eine Art Schizophrenie, eine Krankheit der Religiösität.

So gibt es atheistische Theologen; es gibt Eltern, die ihren Kindern zürnend und fluchend Gehorsam gegenüber Gott beibringen.

Ein kleines Beispiel für diese Haltung ist die verbreitete Unfähigkeit, Jesus mit diesem seinem Namen anzusprechen: er wird „der Christus“ genannt, dabei wird in unserem Herzen die Liebeszuneigung zu Ihm verdeckt.

(6) Der Intellektualismus (das einseitige verstandesmäßige Denken) führt dazu, auf Recht und Unrecht zu achten. Man entfernt sich leicht vom Heiligen Geist. ER läßt die Vernunftgründe durch das Streben nach der Ehre Gottes im Liebesgehorsam zu Jesus überwinden.

Es interessiert mich also nicht, ob ich recht habe, sondern ob ich ein „Gottesträger“ bin, ob ich um mich herum den Geist des Friedens, der Freude und der Liebe ... ausbreite.

(7) In der öffentlichen Meinung existiert eine Lust, vom Ungehorsam in der Kirche zu hören, um denjenigen Unrecht zu geben und sie zu kritisieren, die den Dienst der kirchlichen Autorität ausüben.

Es ist der Böse, der den Ungehorsam rechtfertigt und begrüßt und der versucht, die Kirche Gottes als demokratische Gesellschaft hinzustellen, wo man sich mit den Meinungen der Menschen konfrontiert, anstatt mit dem Wort Gottes und seiner Diener.

(8) Das Grübeln über sich selbst oder die Überprüfung der eigenen Triebe wird wichtiger als die Kontemplation (Betrachtung) Gottes und das Hören auf seine Pläne. Das ist eine Form von Egozentrismus (Ichbezogenheit).

(9) Anthropozentrismus: Der Mensch ist die Norm (Richtschnur) von allem, man braucht nicht das Licht Gottes.

Im Menschen ist bereits all das vorhanden, was er braucht. Man gelangt so in die Nähe des Pantheismus, d.h. zur Weltanschauung, nach der Gott und Mensch eins sind.

Die Aufmerksamkeit ist auf das gerichtet, was der Mensch erlebt und spürt und nicht auf die Pläne Gottes für ihn. Der Mensch wird nur in Beziehung zum Menschen gesehen.

Konsequenzen in der Erziehung: man befürwortet das freie Ausleben der

eigenen Gefühle und Triebe, ohne „Selbstbeherrschung“ zu verlangen.

Konsequenzen für geistliche Berufungen: es gibt nicht mehr „Berufungen durch Gott“, sondern nur eine Wahl des Menschen; es gibt nicht mehr einen Bezug zu Gott im Zusammenleben von Ehepaaren, sondern nur einen Bezug zu den Gefühlen und den persönlichen Vorlieben.

(10) Modernes Heidentum: Horoskope, Zaubereien, Kartenlegen, Pendeln und Wunderheiler (Pranotherapeuten, Radioästhesisten usw.), Yoga, Zen, Transzendentale Meditation usw. sind alles Lehren und Techniken, die das eigene Ich in den Mittelpunkt rücken und eine materialistische Sichtweise des Lebens begünstigen.

(Sie suchen um jeden Preis die Gesundheit und die eigene physische und psychische Vervollkommnung oder versuchen, die Zukunft vorauszusagen, ohne sich auch nur im mindesten auf den Vater zu verlassen!)

Sie nehmen den Menschen jegliches Vertrauen und jegliche Hingabe an Gott, den man (unabsichtlich) als Vater für unfähig erklärt.

(11) Der Mensch maßt sich unrechtmäßig den Platz Gottes an. Er ahmt nicht Gott als Vater nach, sondern einen Gott, der als Herrscher angesehen wird: Hochmut des Lebens.

(12) Haltungen gegenüber Satan: Verleugnung seiner Existenz oder krankhafte Nachforschung nach ihm, um ihn zum Objekt der Neugierde zu machen (Journalisten!), dadurch wird die Dramatik in Bezug auf den Glauben bagatellisiert.

Beide Haltungen spielen dem Teufel in die Hand: nämlich ihn für abwesend, nur als Schreckgespenst oder als nicht existent zu betrachten.

So gelangt man dazu, Gott für das Böse in der Welt zu beschuldigen, vor allem nicht nach geistlicher Urteilsfähigkeit zu suchen, um die inneren Orte aufzudecken, wo der Satan sich versteckt oder sich tarnt und wirkt. Auch die Bedeutung des Exorzismus (der Geisterbeschwörung) wird unterschätzt.

(13) Die Tatsache, daß der Mensch sich nicht als Kind Gottes betrachtet und nicht in einem Geist des Gehorsams und der Abhängigkeit lebt, führt zu Identitätskrisen des Menschen.

Er fragt sich: Wer bin ich? und vergißt zu fragen: Wem gehöre ich? Die Antwort auf diese zweite Frage bringt Licht und Klarheit auch für die Bewältigung der ersten.

Durch dieses Vergessen sind Krisen auch bei gottgeweihten Personen (Priester und Ordensleute) entstanden, die dazu führten, auf den Geist der Welt zu hören, ihre „Identität“ in der Begegnung mit den Menschen zu finden, dabei haben sie die Begegnung mit DEM vernachlässigt, der sie berufen und gesandt hat.

(14) Das ist die Säkularisierung angewandt auf die menschliche Natur, als ob der Mensch ohne Bezug zu Gott existieren könnte.

Es ist die Verleugnung der ersten Aussage des Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“

(15) Christliche Pläne und Vorhaben, ohne den Glauben an Jesus, sollte es nicht geben. Es gibt keinen erlösten Menschen ohne IHN!

Der Mensch kann nicht in zwei Bereiche geteilt werden: in einen menschlichen Bereich und in den Bereich des Glaubens, in einen natürlichen und einen übernatürlichen. Jesus ist der Erlöser des ganzen Menschen.

(16) Im Dialog mit der Welt sind die Christen manchmal „Salz ohne Geschmack“.

Da sie mit der Welt Schritt halten wollen, weisen sie nicht auf die Person Jesu hin, den einzig wahren Retter, sondern treten nur für humanitäre Aktionen ein, die auch von einem Atheisten anerkannt werden; aber das ist nichts „Neues“, nichts „Göttliches“.

(17) Die Einheit der Jünger des Herrn ist Ort der Gegenwart Gottes, „Leben und Gnade in Ewigkeit“, wo die Jünger vereint sind. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

Der Ungehorsam zerstört diese Einheit.

Es gibt keine gültigen Vernunftgründe, um ungehorsam zu sein (die Augenscheinlichkeit der Sünde natürlich ausgenommen).

(18) Moralismus: Die Aufmerksamkeit nur auf die Suche nach dem, was gut und was böse ist, beschränken, nur auf das Tun des Guten und auf das Vermeiden des Bösen.

Wenn man bei dieser Suche nach dem Guten und Bösen nicht direkten Bezug auf das Wort Gottes nimmt, besteht ständig die Gefahr, das zu tun, was Eva getan hat: Ihrer Meinung nach war das gut und schön, was Gott weder erlaubt, noch geschenkt, sondern im Gegenteil verboten hatte.

Der Jünger Jesu fragt nicht, was gut und was böse ist, sondern er fragt Gott: „Was willst Du, daß ich tun soll?“ „Mir geschehe nach deinem Wort.“

Die Haltung Mariens bei der Verkündigung war keine moralische Haltung, sondern eine gottbezogene; sie hat nicht gefragt, was gut ist, sondern sie hörte auf das Wort Gottes und stellte sich ihm zur Verfügung.

Der Gehorsam überwindet den Moralismus!

(19) Die Gabe Gottes kann nicht durch Gaben des Menschen ersetzt werden.

(20) Es gibt kein christliches Leben ohne geistliches Leben, es hat keine Kraft, es überwindet nicht die inneren und äußeren Schwierigkeiten.

Es gibt Arten der „Seelsorge“, die auf Aktivitäten, auf das Zupacken, auf das Organisieren und Sozialisieren ausgerichtet sind. Ohne geistliches Leben ist das Handeln wie die Schale eines leeren Eies. Daraus wird nichts, auch wenn man jahrelang darüber brütet.

(21) Eine weit verbreitete Tendenz besteht darin, daß man die Zeiten der Stille im Leben des Christen für überflüssig, fruchtlos hält (vgl. Nr. 19).

Dabei wird die Frucht des christlichen Lebens in materiellem Sinne verstanden.

Es werden Stunden der Anbetung angeboten, ohne auch nur zehn Minuten der Stille einzuschalten. Unsere Worte können nicht das persönliche und tiefste Reden Gottes ersetzen!

(22) Die Kirche ist kein soziales Hilfswerk und keine Gewerkschaft für Menschen gegen andere Menschen.

(23) Ein Anspruch Gott gegenüber, DER als Zauberer betrachtet wird.

(24) Quietismus: Eine Haltung des Untätigseins, ohne auf die Zeichen des Willens Gottes zu achten. Die Dinge laufen lassen, wie die anderen wollen, ohne die Frucht der Kontemplation weiterzugeben.

(25) Aktivismus: Ständiges Arbeiten, ohne sich der Frage zu stellen: Was will Gott? Er kann etwas anderes wollen, als das, was ich gerade mache.

(26) Geistliche Blindheit: Es wird nicht die Gabe der Unterscheidung der Geister eingesetzt. Man denkt und handelt auf oberflächliche Weise nach dem Gefühl, nach den Kriterien der Logik und nach den üblichen Verhaltensweisen der Menschen.

(27) Pastorale Herrschaft: Eine zarte Versuchung für uns Priester, die oft durch das Schweigen der Laien gefördert wird.

Wenn der Priester nicht das geistliche Leben für sich und seine Pfarrangehörigen sucht, drückt sich diese Herrschaft unbewußt auf vielerlei Weise aus.

Man sieht leicht die Charismen der anderen in Funktion zu dem eigenen Charisma als Hirte, anstatt daß ich mich in den Dienst der Entwicklung der Charismen (Geschenk und Berufung Gottes) eines jeden Menschen stelle.

Außerdem besteht häufig ist die Gewohnheit, Gebete zu formulieren, um den anderen damit etwas beizubringen... (Instrumentalisierung des Gebetes, das dann widerwärtig wird).

(28) Psychologismus: Verabsolutierung der Kenntnis der menschlichen Seele, ihrer Formung und ihrer Reaktionen.

Sie läßt dem Wirken des Heiligen Geist keinen Raum, vor allem denkt sie nicht daran, den Geist Gottes in sich wirken zu lassen oder Ihm zu gehorchen.

Diese Verabsolutierung wird zur Herrschaft über den schwachen Menschen, sie läßt ihm keine Freiheit.