ME
NU

Die Hingabe

DIE HINGABE

 

“Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder....“

„Ich aber bin im Haus Gottes

wie ein grünender Ölbaum;

auf Gottes Huld

vertraue ich immer und ewig.“

(Ps 52,10)

 

 

EINLEITUNG

Ein Satz des Propheten Jesaja (30,15) stellt zwei gegensätzliche Worte nebeneinander:

„... nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft.“

Den Vertrauenden sehen wir auf den ersten Blick wie einen Verzichtenden, wie einen, der seine eigene Persönlichkeit nicht selbst schützen, verteidigen und retten kann.

Und dies ist aus der Haltung der Hingabe nicht ausgeschlossen, es sei denn, die Hingabe ist ein Verlassen auf einen, der sich um mich kümmert, nämlich auf Gott. Darauf spielte Jesaja gewiß mit dem Wort „Vertrauen“ an. Ich übergebe mein Leben im völligen Vertrauen und in der Gewißheit, daß es einen Vater gibt, der sich bereits darum sorgt.

Sobald der Mensch entdeckt, daß er kein Kind mehr ist oder keines mehr sein will, will er das Leben erobern, darüber Herr sein, selbst seine Tage und seine Zeit bestimmen. Wieviel Aufregung und Ärger gibt es, wenn sogenannte Zufälle oder einfach Unvorhergesehenes meine klaren Ideen und durchdachten Pläne durchkreuzen. Jede Regung von Ärger, Zorn oder Anmaßung sind Zeichen eines Lebens, das sich besitzen will.

Es ist die tragische Widerspiegelung der Entscheidung Adams. Adam, der Mensch, entscheidet autonom über sein Leben, als wäre Gott stumm geworden oder als sei Gott ersetzbar durch den eigenen Willen. Der Mensch findet sich sofort nackt wieder, nicht an Kleidern, sondern an Freude und Freiheit. Es gibt viele Dinge, die ihn hindern oder hemmen, sofort seine eigenen Entscheidungen zu verwirklichen. Er sieht sich dann wie ein Versager und reagiert entweder wie ein Ringkämpfer oder wie ein Besiegter. Er wird überheblich oder er resigniert!

Die Hingabe, mit der wir uns jetzt befassen, ist eine Art und Weise, mit der der Mensch seine Beziehung zu Gott ausdrückt. Es ist die Haltung, durch die der Mensch die Gegenwart des Vaters verwirklicht. Eine so gelebte Hingabe ist keine Passivität, auch wenn es oberflächlich betrachtet so scheinen mag, sondern es ist große und tiefgreifende Aktivität.

Ohne einen mühevollen und - manchmal - schmerzhaften Sieg über sich selbst und über den Einfluß der Erwartungen meiner Umgebung oder der landläufigen Meinung, wird eine wahre Hingabe nicht möglich sein. Hingabe an Gott erfordert die Umsetzung eines entschiedenen Glaubens, eine Liebe, die bereit ist, in den Tod zu gehen, eine Hoffnung wider alle Hoffnung.

Dieses Sich-Verlassen auf Gott gibt Kraft, macht ganz stark, Schwierigkeiten, Gefahren und ausweglose Situationen mutig und gelassen in Angriff zu nehmen.

Wer sich Gott überläßt, rechnet mit der Kraft Gottes!

„... nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft.“

Don Vigilio Covi

 

 

DIE HINGABE JESU

„Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“

Jesus zeigt uns in seiner Art von Beziehung zum Vater, bis zu welchem Punkt die wahre Hingabe geht. In seinem Sohnsein lebt er in einem Verhältnis vollen Vertrauens und liebevollen Gehorsams zum Vater.

Er weiß nicht nur, daß der Vater existiert, sondern daß er wirklich Papa ist und daß er seine Vaterschaft ausüben will. Deshalb vertraut sich Ihm Jesus ganz an.

Wir beobachten dies während seines ganzen irdischen Lebens, aber in stärkerem Maße bemerken wir es in jenen Momenten, in denen Jesus in Versuchung geführt wird: in der Wüste und auf dem Kalvarienberg.

In der Wüste wird Jesus versucht, in autonomer Weise seine Macht zu gebrauchen, die ihm gegeben ist durch sein Sohn-Gottes-Sein. „Wenn du Gottes Sohn bist“, scheint ihm die Versuchung einzuflüstern, „tu das, was ein Gott tun kann.“

Dieser Gedanke - scheinbar „richtig“ vom logischen Verstand her - wird von Jesus als teuflisch erkannt. Es ist ein Gedanke, der ihn nicht mehr Sohn sein ließe, ein Gedanke, der den Sohn unabhängig vom Vater machen würde und der ihn seiner eigenen Identität als Sohn berauben würde.

Wenn der Sohn nicht mehr das Leben vom Vater bekommt, wenn er die Lebensimpulse und die Lebensorientierung nicht mehr vom Vater erhält, dann kann er sich nicht mehr Sohn nennen: er ist es nicht mehr!

Jesus reagiert auf diese Versuchung einfach mit der Hingabe an den Vater. Es scheint, daß man aus seinem Herzen folgende Überlegung herauslesen kann: Wenn ich Gottes Sohn bin, dann ist Gott mein Vater.

Ich kümmere mich darum nur um das, wozu Er mich beauftragt, ich tue nichts anderes, als das, was Er mir aufzeigt. Ich vertraue Ihm, Er weiß, was ich brauche und sorgt für mich, eben weil Er für mich Vater ist! Jesus bleibt in totaler Hingabe an die treue Vaterschaft Gottes.

Auf dem Kalvarienberg ist die innere Situation Jesu identisch, obwohl die äußeren Bedingungen viel dramatischer sind.

Die Versuchung zeigt sich in gleicher Weise: Wenn du Gottes Sohn bist, steig herab! Wenn Jesus sein Sohn-Gottes-Sein als Ehre, als Ehrgeiz, als Anlaß für Ruhm und Macht betrachtet hätte, dann hätte er sicher nicht gezögert, dieser Stimme zu gehorchen.

Aber Jesus sieht als erste Pflicht, oder besser, als beständige Liebe zum Vater sein Sohnsein und darum will er vor allem diese Sohnschaft lebendig, real und rein erhalten.

„Wenn ich Gottes Sohn bin, sorgt Gott ganz bestimmt für mich.“

„Wenn ich Gottes Sohn bin, will ich Ihm gehorsam sein.“

„Wenn ich Gottes Sohn bin, nehme ich an, was Er weiß und verspricht.“

„Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“

In der Hingabe an den Vater wird jede Versuchung besiegt. Und der Vater greift mit seiner ganzen Allmacht ein: Er gibt Jesus das Nötige zum Leben, ja, Er läßt ihn sogar die Brote vermehren.

Er verleiht ihm auf dem Tabor und bei anderen Gelegenheiten eine Herrlichkeit, die weitaus größer ist als jene, welche er bekommen hätte, wenn er sich unversehrt von der Zinne des Tempels gestürzt hätte.

Und anstelle einer Herrschaftsgewalt, die Angst hervorruft bei dem, der sie erleidet und bei dem, der sie ausübt, wird Jesus vom Vater eine solche Vollmacht erhalten, so daß ganze Scharen ihm folgen und gehorchen werden!

Und sein GEIST, den er am Kreuz dem Vater übergibt, endet nicht im Nichts: Er belebt von innen her fortwährend die Kirche, seinen neuen, lebendigen Leib, die in der Welt wirkt.

Die Hingabe Jesu an den Vater war vollkommen. Die Vaterschaft Gottes konnte sich an Ihm in ihrer ganzen Fülle offenbaren!

 

 

MEINE HINGABE

„Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder ...“

Die Hingabe Jesu an den Vater ist die Richtschnur für mich. Er, Jesus, ist der Meister und Er ist der Herr.

Ich weiß aber, daß ich zu einer Hingabe wie Jesus und mit Jesus nur allmählich gelangen werde durch ständige Übungen bei kleinen Gelegenheiten, die auf mich zukommen. Ich will mich Gott hingeben, einfach weil ich glaube, daß Gott VATER ist. Ich bekenne es oft: Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen. Dieses mein „Glaubensbekenntnis“! hat Konsequenzen!

Die erste Konsequenz ist ein Daraufachten, daß ich von Gott den Antrieb für mein Leben bekomme, daß ich von Ihm Gefühle und Gedanken in mein Herz aufnehme. Ich weiß, wenn mein Leben nicht seine Quelle in Gott hat, wenn es nicht Stunde für Stunde aus Ihm entspringt, kann ich mich nicht Sohn nennen, kann ich Ihn nicht Vater nennen.

Die zweite Konsequenz ist ein großes Vertrauen: Ich habe einen Vater, der ein wirklicher Papa ist. Er sorgt sich jeden Tag um mich. Er ist nicht verbannt, sozusagen im Altersheim, wie ein Vater, der seine Aufgabe als Papa beendet hat und zu dem ich hin und wieder gehe, um ihn zu sehen und zu grüßen, an den Festtagen. Er ist heute und auch morgen Vater im vollen Sinne des Wortes. Ich kann mich Ihm vertrauensvoll hingeben. Das Kind, das dem Vater die Hand gibt, ist ein Bild, das meine innere Haltung auf echte Weise darstellt.

Das Kind hat keine Angst, weil der Papa da ist. Das Kind sorgt sich nicht um das Morgen, weil der Papa da ist. Das Kind fragt nicht, um alles zu verstehen, weil der Papa es ja weiß.

So überlasse ich mein Leben der Obhut des Vaters: Er kennt bereits das Warum jeden Geschehens; Er kennt den wahren Grund eines jeden Mißgeschicks. In den Mißgeschicken kann ich danken, weil das die Gelegenheiten sind - für mich zwar unvorhergesehen und unvorhersehbar -, durch die aber der Vater in direkter Weise mein Leben führt und orientiert.

Der Vater kennt meine Bedürfnisse, auch die ich morgen haben werde. Deshalb sorge ich mich nicht darum. Das Kind fragt nicht seinen eigenen Papa, ob er an das Brot für den kommenden Tag gedacht hat; es weiß in der Tat, daß es nicht nötig ist, gewisse Dinge dem Papa zu sagen.

So brauche ich auch dem VATER gewisse Dinge nicht zu sagen. Ich gebe mich hin. Er trägt Sorge für mich.

Der Vater selbst versucht dagegen, mir Dinge zu sagen und einzugeben, an die ich nicht gedacht oder geglaubt hätte. Und manchmal übersteigt das, was Er mir sagt, meinen Verstand:

Also überlasse ich mich Seinem WORT, tue das, was Er mir sagt. Manchmal scheint das, was Er mir sagt, unmöglich zu sein. Aber wenn Er es sagt, dann werde ich es tun. Haben so nicht auch Abraham und Maria gehandelt?

Wenn ich weiß, daß Gott sich auf mich einläßt, indem Er Gehorsam verlangt, gebe ich mich diesem Gehorsam hin. Es gibt immer Gründe und Einwände gegen den Gehorsam, aber sie kommen aus dem Geist meines Verstandes und nicht aus dem Geist des Glaubens, aus dem meine Hingabe an Gott hervorgehen sollte.

Wenn ich auf meine Vernunftgründe achte, dann gewinnt mein Ich die Oberhand, und Gott dient nur dazu, meinem Geschmack zuzustimmen, meine Bequemlichkeit zu rechtfertigen und meine Ideen zu bekräftigen. Zuerst bringe ich mich zum Ausdruck und dann suche ich Gott, um mir selbst und den anderen zu zeigen, daß Er mit mir einverstanden ist. Wenn ich mich aber dem Vater hingebe, suche ich zuerst Sein Wort und diesem unterstelle ich meinen Willen. Und um sicher zu sein, daß dieses Wort nicht eine Widerspiegelung meines Ichs ist - immer schlau, wenn es darum geht, zufriedengestellt zu werden -, suche ich das Wort Gottes im Gehorsam.

Dann ist meine Hingabe konkret, dann ist sie echte Hingabe an Gott!

 

 

FRÜCHTE DER HINGABE

„Wirf deine Sorge auf den Herrn, er hält dich aufrecht!“

(Ps 55,23)

Es liegt mir daran zu unterstreichen, daß die wahre Hingabe nicht ein Drücken vor den Aufgaben ist. Es ist die Mühe, sich auf den Glauben und auf die Liebe zum Vater einzulassen. Es ist der Eifer, das Herz eines vertrauenden Sohnes zu bewahren, gerade dann, wenn die Lust aufkommt, außerhalb des offenkundigen Willens Gottes und außerhalb eines Geistes, der die Liebe und Geduld des Heiligen Geistes widerspiegelt, Initiativen zu ergreifen.

Mangelt mir diese Art von Hingabe, wächst und gewinnt zuerst die Unzufriedenheit Raum in mir, dann die Ungeduld, die Eile und bald der Ärger. Zum Schluß ergreife ich Initiativen, welche die genannten Merkmale aufweisen.

Wenn diese Haltung der Hingabe fehlt, nimmt in mir die Kritik und die Beschuldigung des anderen Gestalt an, weiters der Ungehorsam, die Abwendung meines Herzens von den Menschen, mit denen ich nach Gottes Willen in Einheit leben soll

Die Aufzählung der negativen Situationen ließe sich fortsetzen, aber es soll genügen, um uns verständlich zu machen, daß die echte Haltung der Hingabe die Quelle vieler geistlicher Güter ist.

„Wirf deine Sorge auf den Herrn, er hält dich aufrecht!“ sagt der Psalmist. Er hat es erlebt. „Vertrau auf Gott, er wird dir helfen,“ sagt Jesus Sirach (2,6) und nochmals: „Vertraut auf ihn, und er wird euch den Lohn nicht vorenthalten.“ (2,8) „Schaut auf die früheren Generationen und seht: Wer hat auf den Herrn vertraut, und ist dabei zuschanden geworden?“ (10)

Im Buch der Sprichwörter finden wir diese Feststellung: „Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, bau nicht auf eigene Klugheit.“ (3,5)

Die Hingabe ist demzufolge der Übergang vom Vertrauen auf mich selbst, vom Bauen auf meine Kräfte, auf meine Vernunftgründe und auf meine Entscheidungen hin zum Vertrauen auf Gott, der unvermutete Möglichkeiten des Eingreifens hat, der mit einer unvergleichlichen Phantasie zu Hilfe eilt, wenn der Mensch - wir sehen es im Beispiel Gideon! – auf IHN vertraut.

Verlasse ich mich auf Ihn, lastet nicht mehr das Gewicht meines Lebens und meine, wenn auch große, Verantwortung auf mir. Das Leben wird für mich leicht, es ist von Ihm getragen. Meine Verantwortungen sind Aufgaben, die Er mir gegeben hat: Er wird mir zu seiner Zeit das nötige Licht und die Kraft geben, um diese Aufgaben auszuführen.

Wie mein Leben in seiner Hand ist, so sind es auch die Aufgaben meines Lebens.

So lasten meine Gedanken nicht mehr auf meinem Leben. Ich kann ohne Spannungen leben, mit dem einzigen Wunsch, Gott gehorsam zu sein, ja geradezu froh, mein Vertrauen in seine Vaterschaft setzen zu können.

So belastet mein Leben auch nicht mehr die Herzen anderer. Wie unerträglich werde ich, wenn ich besorgt bin! Ich werde unruhig und säe um mich herum Unruhe, werde unfähig, die Herzen zu Gott zu führen. Ich bin wie ein Blinder, sehe nicht mehr das Ziel. Ich bin ohne Heiligen Geist, der der Geist der Liebesbeziehung zum Vater ist und der Liebesannahme Jesu, des Sohnes. Besorgt um Dinge und Geschehnisse, bin ich auf mich fixiert und befinde mich außerhalb des Geistes Gottes. Ich bin beschwert und quasi seelisch und körperlich erdrückt!

Gebe ich mich vertrauensvoll dem Vater hin - und siehe es kehren Leichtigkeit, Lächeln und Vertrauen zurück; auch Ruhe und Gelassenheit erhalte ich wieder. Die innere und auch die äußere Ruhe kehren zurück.

Die Haltung der Hingabe an den Vater ist ein großer Gewinn. Es ist ein Akt des Glaubens, der mir sogar Gesundheit gibt! „Das ist heilsam für deine Gesundheit und erfrischt deine Glieder.“ (Spr 3,8)

Aber meine Haltung der Hingabe ist vor allem ein großes Geschenk an den Vater: Er erhält so die Möglichkeit, mir und anderen zu zeigen, daß seine väterliche Aufmerksamkeit konkret ist, daß seine Hand eingreift, daß Er wirklich VATER ist!

 

 

ERMAHNUNGEN

„Sorgt euch um nichts...“ (Phil 4,6)

Sie sagen: „Wie sollte Gott das merken?

Wie kann der Höchste das wissen?“

Wahrhaftig, so sind die Frevler!

...

Hätte ich gesagt: „Ich will reden wie sie“,

dann hätte ich an deinen Kindern Verrat geübt.

Da sann ich nach, um das zu begreifen;

es war eine Qual für mich,

bis ich dann eintrat ins Heiligtum Gottes.

...

Mein Herz war verbittert,

mir bohrte der Schmerz in den Nieren,

ich war töricht und ohne Verstand,

war wie ein Stück Vieh vor dir.

Ich aber bleibe immer bei dir,

du hältst mich an meiner Rechten.

Du leitest mich nach deinem Ratschluß

und nimmst mich am Ende auf in Herrlichkeit.

...

Gott ist der Fels meines Herzens...“ (Ps 73,11 ff)

Dies ist nicht der einzige Psalm, der mir hilft, so zu beten, d.h. eine Beziehung dcr vollkommenen Sohnschaft und der vertrauenden Hingabe an Gott aufzubauen. Wenn ich zweifle, nicht an der Existenz Gottes, sondern an seiner konkreten Gegenwart neben mir, bin ich ein Frevler und verrate diejenigen, die glauben. Mein Verstand weigert sich zu glauben:

Ich will sehen, ausprobieren, erfahren, um in das „Heiligtum“ der Wahrheit Gottes einzutreten.

Wenn ich kleine Akte der Hingabe in kleinen Dingen setze, dann merke ich, daß Gott nicht abwesend ist. Aber ich muß Ihm vertrauen, wenn auch in kleinen Dingen, damit Er mir den Beweis seiner Eingreifsmöglichkeit geben kann. Welches sind die Gelegenheiten?

Ich nenne ein paar ganz einfache, die für alle täglich möglich sind. Ich bin verspätet: anstatt mich zu beunruhigen, vertraue ich mich Gott an. Es fehlt Geld: anstatt mich aufzuregen, überlasse ich mich seiner Vorsehung. Es gibt ein Mißgeschick: anstatt mich zu ärgern, vertraue ich mich dem Vater an, usw. usw.

Jede Stunde hat ihre Last, jede Stunde können wir uns in dieser Haltung üben.

Jesus selbst verlangte es von den Seinen, aber er gab ihnen natürlich das Beispiel. Das Boot, in dem er schlief, füllte sich mit Wasser. Die Seinen waren noch nicht geübt in der konkreten Hingabe an den Vater. Sie sind besorgt, wecken Ihn nicht nur, sondern beschuldigen ihn der Gleichgültigkeit gegenüber ihrer gemeinsamen Lebensgefahr. Und er: „Warum seid ihr so ängstlich? Habt ihr noch keinen Glauben?“

Bei einer anderen Gelegenheit hält er eine lange Rede, um sie zur Gleichgültigkeit gegenüber Dingen und Bedürfnissen zu ermahnen. Dies ist nicht eine verantwortungslose Gleichgültigkeit, sondern eine heilige Gleichgültigkeit, und zwar eine Haltung der Freiheit gegenüber jeder materiellen Sorge, denn es existiert ja DER, der sich verantwortlich für unser Leben erklärt hat. Eine heilige Gleichgültigkeit, wie die Hingabe heilig ist, weil sich in dieser Haltung die Gegenwart und die Liebe des Heiligen Vaters widerspiegelt. „Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? ... Euer himmlischer Vater weiß, daß ihr das alles braucht.“ Die Heiden sind es, die sich sorgen, denn sie wissen nicht, daß sie einen VATER haben. Sie kennen Gott nur in Ansätzen, aber sie ignorieren völlig die Vaterschaft.

Die Apostel greifen in ihren Briefen die Worte Jesu auf: Petrus (1 Petr 5,7) bezieht sich wieder auf Psalm 55 und sagt: „Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch.“ Und Paulus an die Philipper (4,6.7): „Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.“

Es gibt nur eine einzige ernsthafte Sorge für einen Christen: nämlich Herz und Sinn in Jesus bewahren. Damit das geschehen kann, ist Gott bereit, über unsere Verstandesfähigkeit hinaus, einzugreifen.

 

 

ART DER HINGABE

„Auf Gottes Huld vertraue ich immer und ewig" (Ps 52,10b)

„Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“, heißt ein hiesiges bekanntes Sprichwort, das gewiß aus dem christlichen Leben genommen ist, aber manchmal in heidnischer Weise interpretiert wird.

Die Hingabe an Gott darf gewiß nicht die Faulheit, nicht den Quietismus und die Bequemlichkeit fördern. Die Hingabe an Gott bedeutet nicht Rechtfertigung des Müßigganges und des Essens auf Kosten anderer. Schreckliche Worte stehen in der Heiligen Schrift über die Müßiggänger und Faulen.

Die Hingabe hat ihren Ursprung nicht in unserer Menschlichkeit, die immer zum Egoismus neigt und folglich jede Mühe scheut.

Die Hingabe - die heilige Hingabe - hat ihren Ursprung in der Gegenwart Gottes, im Rechnen mit seiner Nähe und mit seiner Verheißung. Sie ist daher vor allem Gehorsam und befreit nicht vom anspruchsvollen Gehorsam Gott gegenüber.

Wenn Er mir eine Aufgabe anvertraut, setze ich mich ganz dafür ein. Seine Aufgabe kann Matierielles betreffen, wie das Brotverdienen, Intellektuelles oder auch Spirituelles. Ich entziehe mich nicht der Aufgabe, die Gott mir schenkt.

Aber beim Erfüllen dieser Aufgabe bleibe ich gelassen, vertrauensvoll. Gott beauftragt mich nicht, mich nur auf meine Kräfte zu verlassen, weder gibt Er mir die Aufgabe, mich zu ärgern, und schon gar nicht mich zu beunruhigen.

Ich gehorche, ich handle, ich tue das, was mir aufgetragen ist, indem ich mich auf Ihn verlasse, auf Ihn vertraue.

Was bedeutet dann dieses: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott?“

Wenn schon, dann verstehe ich es als Aufforderung, meine Aufgabe zu erfüllen, ohne mir Spielräume der Faulheit zu reservieren. Aber meine Pflicht erfinde nicht ich, ich setze mich nicht an die Stelle DESSEN, der „... alles in allem wirkt“. Ich bin ein „armer Knecht“ und will es bleiben. Deshalb kann ich diese Selbsthilfe nicht trennen von einer guten Dosis des Hörens auf Gott, von der Kontemplation, von der Verfügbarkeit für Ihn.

Ich helfe mir, ja, aber nachdem ich verstanden habe, in welche Richtung und mit welchen Mitteln Gott will, daß ich mich einsetzen soll. Ohne diese Auslegung empfinde ich dieses Sprichwort heidnisch, wenn nicht sogar atheistisch. Wenn ich versuchen würde, mir nach meinen Kriterien zu „helfen“, dann ließe ich sicher in meinem Herzen Gefühle des Egoismus und des Egozentrismus, der Eitelkeit und vor allem des Materialismus aufkommen und wirken.

Wenn jemand dieses Sprichwort in oberflächlicher Weise gebraucht, dann arbeitet er vielleicht auch am Sonntag, beginnt eine doppelte Arbeit, hat einen erstickenden Lebensrhythmus und beginnt sogar, den Nächsten auszubeuten. Ihm dient mehr der erste Teil des Satzes als der zweite. Er wird dazu neigen, Gott nicht viel Vertrauen entgegenzubringen.

SEINE Hilfe kann nicht beanspruchen, wer Ihm nicht gehorcht durch Untätigsein, durch Habsucht oder Aktivismus.

Die erste Hilfe, die Gott dem einen wie dem anderen geben will, ist, daß er als VATER anerkannt wird: ein Vater, der Verantwortung überträgt und Aufgaben anvertraut und gleichzeitig ein Vater, der persönlich für die Bedürfnisse dessen sorgt, der sich zu seinem Sohn macht.

Wenn ich die Aufgaben erfülle, die Gott mir anvertraut hat, kann ich in Frieden und Vertrauen leben. Er ist treu. Mir wird nichts fehlen von dem, was ich brauche, damit mein Leben mit meiner Arbeit für das Reich Gottes fruchtbar wird. Und für das Reich Gottes zählen - in der Familie oder in einer größeren Gemeinschaft - vielmehr die Geduld, die Gelassenheit und der Frieden, den ich verbreite, wenn ich einem Mißgeschick begegne. Das zählt mehr, als wenn ich eine körperliche Arbeit zu einer bestimmten Zeit sowie Art und Weise verrichte.

Für das Reich Gottes werden die Freude und das Vertrauen, mit denen ich die Krankheit ertrage, fruchtbringender, als wenn ich Werke, auch wichtige, verrichte. Für das Reich Gottes in den Herzen der Kinder sind die ihnen entgegengebrachte Liebe und Geduld sicher fruchtbringender, als ein geplantes Vorhaben, das sie mich nicht beenden ließen.

Die „Frucht“ unseres Lebens können wir nicht materiell aufrechnen, weil Gott sie – wenn schon - geistlich aufrechnet.

Es wird nie derjenige selig gepriesen, welcher sich um die Vollendung der Arbeit bemüht, sondern derjenige, welcher den Geist der Armut, den Geist der Güte und des Friedens verbreitet!

 

 

KONSEQUENZEN

„Wenn ich an dich denke, kann ich jubeln

im Schatten deiner Flügel.“

(vgl. Ps 63,7-8)

Die Zahl sieben hat den Menschen immer gefallen: sie hat ihren Zauber, einen göttlichen Klang. Auch ich werde sieben Konsequenzen der echten Haltung der Hingabe an den Vater aufzeigen.

Die erste Konsequenz ist vorteilhaft für Gott. ER kann in den Tagesablauf und in die Geschichte desjenigen eingreifen, der sich Ihm vertrauensvoll über1äßt. ER kann so konkret seine Gegenwart, seine eigene Vaterschaft, seine Fähigkeit, kleine und große Wunder zu tun, offenbaren.

Wunder sind nicht nur aufsehenerregende Ereignisse, sondern jedes Eingreifen Gottes. Wenn ich mich Ihm hingebe, dann freut Er sich, seine aufmerksame, zarte und zuvorkommende Liebe aufleuchten lassen zu können, auch in den ganz profanen Dingen des Lebens. Wer es erlebt hat, weiß, was ich sagen will. Und jeder kann es probieren!

Die zweite Konsequenz - wie alle folgenden - ist vorteilhaft für den Menschen. Wenn ich eine kindliche Haltung einnehme, merke ich, daß in mir Vertrauen und Glauben entstehen und wachsen. Die Angst verschwindet, eventuelles Zittern und Zagen lösen sich auf. Ich sehe optimistisch in die Zukunft: und es ist kein leerer, illusorischer Optimismus, sondern der basiert auf der Gewißheit der Gegenwart Gottes. Wenn ich mich auf IHN verlasse, betreten meine Füße sicheren Boden.

Die Freude des Herzens ist die dritte Konsequenz. Es ist unmöglich, zufrieden zu sein, solange ich mich als Herr meines Lebens fühle und es sein will. Nur wenn ich mein Leben dem Vater übergebe, taucht in mir das befreite Lächeln auf, die stille Freude dessen, der sich überall in Sicherheit weiß, auch im Tod.

„Du machst ihn zum Segen für immer; wenn du ihn anblickst, schenkst du ihm Freude.“

(Ps 21,7)

Auch die Apostel Jesu werden dauerhafte und wahre Freude erfahren, sobald sie wissen, daß ihr Name im Himmel aufgeschrieben ist, d.h. wenn sie volles Vertrauen in die Liebe des Vaters haben werden.

Eine weitere Auswirkung eines Herzens mit Gottvertrauen ist die Fähigkeit, großzügig und für die Bedürfnisse der Brüder verfügbar zu sein. Solange ich über meine Zeit und meine Tätigkeiten selbst bestimme, neige ich eher zum Geiz, verschließe mehr oder weniger meine Zeit und meine Hände.

Sobald ich mich dem Vater hingebe, sehen meine Augen viel mehr, sie werden zum Fernrohr und zum Mikroskop. Es gelingt mir, die kleinen und großen Bedürfnisse der Brüder wahrzunehmen, ihnen viel mehr meine Kräfte zu widmen und ihnen zuversichtliche Freude zu übermitteln.

Die fünfte Konsequenz ist die Klarheit, mit der ich immer und überall die Gegenwart des Vaters erkennen kann. Er ist Derjenige, „in dem wir leben, uns bewegen und sind.“

Aber wie weit ist die Ansicht verbreitet und wie tief die Überzeugung, daß es heilige und profane Dinge gibt, daß Gott nicht mit dem Geschäft vermischt werden soll, daß man auf Ihn in den kleinen Dingen und alltäglichen Situationen nicht zu achten braucht. Praktisch heißt das:

Der Atheismus lebt neben dem Glauben, sucht Kompromisse mit ihm, behält sich große Freiräume im Alltag vor. Meine Hingabe an Gott beseitigt die Leere, welche Gewissen und Willen befällt. Die vertrauensvolle Hingabe macht mich aufmerksam auf die handelnde GEGENWART Gottes in jeder Situation.

Ich möchte nicht zu früh die sechste Konsequenz nennen, lieber möchte ich noch fünfzig Jahre warten, aber ich denke, daß du sie sofort wissen möchtest. Nun, wer sich vertrauend dem Vater überläßt, schafft die Voraussetzungen für ein langes Leben! Der Friede und die Gelassenheit, die den Geist des Menschen durchdringen, der sich in die Hände des Vaters fallen läßt, breiten sich in seinem Körper aus und in allen Äußerungen und Dimensionen seines Seins.

Sicher, auch der Kranke kann sich mit Entschiedenheit dem Willen Gottes überlassen, und der Gesunde kann in jungen Jahren von Krankheit befallen werden oder sterben! Aber es ist genau so sicher, daß die Hingabe an den Vater eine Veranlagung zur Gesundheit ist.

Nicht die letzte Konsequenz, aber die letzte von meinem Gesichtspunkt aus, ist die Überwindung der Bedürfnisse, die Abwendung der Sklaverei des Geldes, der Eile und der Hektik der Welt. Wenn du dich dem Vater überläßt, scheint es dir, als wenn du „im Himmel wärest“. Du kommst in einen neuen Rhythmus des Lebens hinein, der dich aufatmen und frei sein läßt, auch frei von Bedürfnissen. Wenn dir irgend etwas fehlt, gelingt es dir,... so zu tun, als ob du es nie gehabt hättest, dich in den Rhythmus von Menschen früherer Zeiten hineinzuversetzen, die sich so etwas nicht einmal vorstellen konnten.

Wenn ich mich dem Vater überlasse, wird mein einziges Bestreben sein, als gelehriger einfacher Sohn zu leben, seine Liebe in meinem Herzen zu tragen, in welcher Situation ich mich auch immer befinde. Eine große, grenzenlose Freiheit, die man sich nicht einmal vorstellen kann.

 

***

Ich überlasse mich Dir, Vater!

Du bist treu,

ich lasse mein Leben in deine Hände fallen!

Du bist weise,

ich übergebe Dir meine Gedanken!

Du bist barmherzig,

ich bringe Dir mein unbeständiges Herz dar!

Du bist heilig,

ich vertraue Dir meinen Wunsch nach Heiligkeit an!

Du bist gut,

ich freue mich an Dir!

Du bist großmütig,

ich schaue Dich an mit dem Wunsch, Dich nachzuahmen!

Du bist Vater,

ich überlasse mich immer deiner Führung!

Vater, hier bin ich,

nimm mich,

ich überlasse Dir die Verantwortung

für mein Leben und für mein Sterben:

Ich gehöre Dir, als dein Kind!

Wie ein kleines Kind

bin ich in Frieden

und warte auf deine Zeichen,

um Dir in allem zu gehorchen!

Mach mit mir,

was in Deinem Plan liegt!