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Die Psalmen

DIE PSALMEN

„Es ist schön, unserem Gott zu singen“ - (Ps 147) .

 

Halleluja.

Lobt, ihr Knechte des Herrn,

lobt den Namen des Herrn.

Der Name des Herr sei gepriesen

von nun an bis in Ewigkeit.

(Ps 113, 1+2)

Antike Mönche und Eremiten empfahlen ihren Jüngern, die Psalmen auswendig zu lernen.

Der heilige Benedikt schrieb in seiner Regel vor, den ganzen Psalter innerhalb einer Woche zu lesen, wie es die Liturgie in den jüdischen Synagogen vorsah.

Das Gebet der Kirche besteht zum größten Teil aus den Psalmen.

Was sind die Psalmen?

Wie soll man sie lesen?

Kann auch ich sie beten?

Einige kurze Überlegungen können dir helfen. Vielleicht bekommst du Mut, nicht nur einige Psalmen zu beten, sondern auch eine tiefere und vollständigere Erklärung zu lesen!

Don Vigilio Covi

 

Lobet den Herrn, alle Völker,

preist ihn alle Nationen!

Denn mächtig waltet über uns seine Huld,

die Treue des Herrn währt in Ewigkeit.

(Ps 117)

 

 

1. DIE PSALMEN: Eine Gebetsschule für den Sünder

Der Mensch ist ein Sünder. Jeder Mensch sündigt. Jeder Mensch spürt in seinem Herzen Gefühle und Gedanken, die nicht von Gott sind, die nicht von dem Gott, der nur Liebe ist, kommen können. Der Mensch ist Erbe Adams, von jenem Adam, der vor dem Blick Gottes flieht.

Schon von Jugend an merkt jeder Mensch, daß er diese Orientierung geerbt hat: die Schulter gegen Gott Vater gewendet. Der Mensch ist ein Sünder. Er ist ein Sünder, auch wenn er sich entscheidet, zu beten.

Die Gebete, die der Mensch zum Vater richtet, sind Gebete, die seine Situation widerspiegeln.

Nur Jesus lehrt das wahre Gebet, aber der Mensch ist nicht imstande, sofort die Worte Jesu auf seine Lippen zu setzen; Worte, welche Vergebung, Demut und Milde voraussetzen. Die Psalmen sind eine Gebetsschule für den sündigen Menschen. Sie sind eine Gebetsschule für den Gewalttätigen, für den Rachsüchtigen, für den Menschen, der die Sünde des Bruders nicht ertragen kann. Wieviele Personen bitten Gott um Gerechtigkeit, und sie bitten darum, wie sie können: mit einem Rachegeist und mit Haß.

Und Gott erbarmt sich ihrer, und Er bietet uns Psalmen an, die für diese Fälle gerade geeignet sind.

„Seine Kinder sollen zu Waisen werden

und seine Frau zur Witwe.“ (Ps 109,9)

„Niemand sei da, der ihm die Gunst bewahrt“. (Ps 109,12)

„Er liebte den Fluch, er komme über ihn“. (Ps 109,17)

Auch der rachsüchtige und der verbitterte Mensch soll beten dürfen, soll dem Gott der Liebe und des Vergebens begegnen können. Wer weiß, ob er sich nicht ändert, wenn er sich mit Ihm abgibt. Er soll so, wie er ist, zu Ihm gehen, mit seinen spontanen Gefühlen. Er soll so zu Ihm gehen. Sicherlich wird er Gutes davon erfahren. Wenn der sündige Mensch mit Sündgefühlen entdecken wird, daß er Gott als Verbündeten hat, wird er Ihn vielleicht tiefer befragen und sich von Ihm befragen lassen. Die Verzweiflung und Verbitterung sollen ruhig zum Gebet werden: so werde der gehaßte und verfluchte Bruder vor Gott gebracht. Ihm sei die Rache und die Strafe überlassen.

Indem wir auf Gott schauen, dem allein die Aufgabe des Strafens und der Rache zukommt, werden wir sehen, wie die Rache dessen ausschaut, der nur lieben kann! Wir werden Jesus sehen, der den Fluch erleidet, den wir gegen den Sünder ausgesprochen haben.

Die Psalmen sind eine Gebetsschule: sie lassen den sündigen Menschen beten, und langsam, langsam, ändern sie seine Gedanken, Gefühle und Wünsche. Der sündige Mensch, der sich Gott nähert, wird auf jeden Fall verwandelt.

„Da bekannte ich dir meine Sünde

und verbarg nicht länger meine Schuld vor dir.

Ich sagte: Ich will dem Herrn meine Frevel bekennen.

Und du hast mir die Schuld vergeben.“

(Ps 32,5)

 

2. DIE PSALMEN: Gebete, für wen? an wen?

Was sind die Psalmen?

Es sind Gebete, die von verschiedenen Personen in verschiedenen Epochen geschrieben worden sind. Sie sind in einem Buch des alten Testaments gesammelt, das Buch der Psalmen oder Psalter genannt wird. Psalm ist ein Wort, das allgemein mit „Lob“ übersetzt werden könnte; Lob, das mit dem Psalter - einem Saiteninstrument - begleitet wird.

Viele dieser Gebete sind David zugeschrieben, einige Salomo, andere bekannten und unbekannten Personen in der Geschichte des Volkes Israel. Die Gelehrten sind sich nicht immer einig in der Zuschreibung, die sich neben dem Psalmtitel befindet. Sie sagen, daß jene, die sie gebetet haben, wahrscheinlich an den großen König und Sänger dachten, den Stammvater der königlichen und messianischen Familie, oder an ein Ereignis seines Lebens.

Einige dieser Gebete sind sehr alt, vielleicht vor demselben David. Andere stammen direkt von ihm, andere sind jünger oder sie sind umgeschrieben, verlängert und ergänzt worden, infolge eines besonderen Ereignisses, um sie zu beten in Zeiten, in denen neue Schwierigkeiten und Bedürfnisse entstanden sind: während des Exils in Babylon oder nach der Rückkehr und dem Wiederaufbau der Stadt und des Tempels.

Für wen sind sie geschrieben worden? Von wem sollen sie gebetet werden?

Einige sind geschrieben worden für den einzelnen Gläubigen, der den Gott der Väter, den treuen Gott anflehen oder loben oder ihm danken will. Andere sind bestimmt für das liturgische Gebet im Tempel, andere für das pilgernde Volk, das am Ende der Reise die Stufen zum Tempel hinaufsteigt, andere an die Sänger, die mit ihrer Teilnahme die Liturgie der verschiedenen Feiern festlich gestalten, andere sind dem Tag der Inthronisierung oder der Weihe des Königs vorbehalten, andere sind für die Feste gedacht, die an dramatische Ereignisse der Geschichte des Volkes erinnern.

Einige Psalmen sind Bitten um Vergebung für den reuigen Gläubigen, andere sind der Anruf eines Schwerkranken, oder von jemandem, der die Ungerechtigkeit der Mächtigen auf sich lasten fühlt. Andere Psalmen drücken die unfaßbare Freude eines Menschen aus, der die Liebe Gottes spürt und sie erfahren hat.

An wen sind diese Gebete gerichtet? An einen Gott, der anders ist als der unsere?

Manchmal scheint es tatsächlich so. Manchmal scheint der Gott der Psalmen ein Gott zu sein, der imstande ist, zu verfluchen oder sich zu rächen; ein Gott, der den Menschen verlassen hat und mit niemandem Erbarmen hat. Wir sind an das Evangelium zu sehr gewöhnt, an die gute Nachricht über die treue Liebe des Vaters. Wir erfreuen uns der vollen Offenbarung des Angesichtes Gottes, des Freundes der Menschen, deswegen nehmen wir Anstoß an der Unvollkommenheit, mit der das Volk Israel im Alten Testament Gott erkennt.

Es ist der gleiche Gott, unser Vater, aber angerufen von Personen, die Ihn unvollkommen erkennen, von Personen, die Ihm die Reaktionsweisen der Menschen zuschreiben.

Wir werden nicht Anstoß nehmen, sondern wir werden versuchen, das Gebet zu „vollenden“ mit der neuen und vollkommenen Erkenntnis Gottes, die uns von Jesus, dem Sohn, geschenkt worden ist.

„Herr, steh auf in deinem Zorn,

erheb dich gegen meine wütenden Feinde!

Wach auf, du mein Gott!

Du hast zum Gericht gerufen.

Die Bosheit der Frevler finde ein Ende,

doch gib dem Gerechten Bestand, gerechter Gott,

der du auf Herz und Nieren prüfst.“

(aus Psalm 7)

 

3. DIE PSALMEN: Das Gebet Mariens

Die Psalmen sind nicht Gebete, die nur fürs Papier geschrieben sind. Sie wurden nämlich vom Volk an den Vorhöfen des Tempels gesungen, sie wurden auf den Wallfahrten wiederholt, in den Häusern gemurmelt, in den Synagogen gebetet. Der fromme Jude betet dreimal am Tag zu seinem Gott, so wiederholt er einige dieser Gebete dreimal am Tag: morgens, mittags und abends.

Die Frömmeren begnügen sich nicht mit diesen offiziellen Gebetszeiten, sie vermehren sie bis zur vollkommenen Zahl: siebenmal! „Siebenmal am Tag lobe ich Dich“, sagt eben eines von diesen Gebeten.

Der treue und fromme Mensch wiederholt auch zwischen dem einen und anderen Gebet in seinem Herzen die Worte oder die Sätze, die ihn „aufgeweckt“ haben; er murmelt sie mit einer Liebe, die seine Anhänglichkeit zum treuen und barmherzigen Gott, den ihm die Gebete offenbaren, ausdrückt.

Wenn ein besonderes Ereignis geschieht, eine Freude oder ein unerwartetes Leid, dann fließt von den Lippen des ans Gebet gewohnten Menschen ein neues Gebet, das aus Sätzen verschiedener Psalmen besteht, die er verbindet zu einem neuen Lob und Preis des göttlichen Willens. In den ersten zwei Kapiteln des Lukas Evangeliums finden wir drei Beispiele von neuen „Psalmen“: von Maria, Zacharias und Simeon gesprochen. Diese Personen - Zeugen der Erfüllung der Geheimnisse Gottes und seines Heils - brechen in einen Lob- und Preisgesang aus.

Von den Worten, die sie spontan gebrauchen, verstehen wir, daß sie Personen sind, die ans Psalmengebet gewohnt sind! Sie verbinden spontan Sätze und Worte aus Psalmen oder Lobliedern, die in der Schrift enthalten sind. Sie sind Menschen, die gewohnt sind, mit dem Wort Gottes zu beten! Von den Psalmen, die in ihrem Herzen geflüstert und gesungen werden, quellen neue hervor zum Lob jenes Gottes, der in immer neuen Formen in der Geschichte der Menschen wirkt und der nie aufhört, seine Treuen mit neuen Formen seiner Liebe zu überraschen.

Maria, unsere Mutter, hat die Psalmen gebetet. Sie hat sie nicht nur so gebetet, weil es so Brauch war, sondern sie hat damit ihre Liebe zu Gott ergänzt. Wie anders sollte man sonst ihr Magnifikat erklären, ihr Loblied, in dem sie spontan Worte der Psalmen und anderer Loblieder verbindet?

„Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.

Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.

Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.

Denn der Mächtige hat Großes an mir getan,

und sein Name ist heilig.

Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht

über alle, die ihn fürchten.

Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:

Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;

er stürzt die Mächtigen vom Thron

und erhöht die Niedrigen.

Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben

und läßt die Reichen leer ausgehen.

Er nimmt sich seines Knechtes Israel an

und denkt an sein Erbarmen,

das er unsern Vätern verheißen hat,

Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.“

(Lk 1,46-55)

 

4. DIE PSALMEN: Das Gebet Jesu

Auch Jesus, der Sohn Gottes und unser Lehrer, hat die Psalmen gebetet. Vor allem betete Er sie auch, wie jeder Jude, in der Synagoge, als Er nach Jerusalem kam und zum Tempel hinaufstieg, und als Er die Hausliturgie des Paschamahles feierte. Daß Ihm die Psalmen geläufig waren, davon haben wir in den Evangelien mehrere Beweise: an einen erinnern wir uns besonders. Am Kreuz fängt Jesus an, den Ps 22 zu beten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Die Evangelisten haben nur den ersten Vers aufgeschrieben, und sicher hatte Jesus keine Kraft um den ganzen Psalm laut fortzusetzen. Aber in seinem Herzen muß er ihn bis ans Ende gebetet haben:

„Ich bin ein Wurm, kein Mensch,

der Leute Spott, vom Volk verachtet.

Viele Hunde umlagern mich,

sie durchbohren mir Hände und Füße.

Sie verteilen unter sich meine Kleider ...

Der Herr regiert als König ...

meine Seele, sie lebt für ihn ...“

(Ps 22)

Er, der nicht gekommen ist, um das Wort aufzuheben, sondern um es zu erfüllen, erfüllt auch das Gebet der Psalmen. Auf seinen Lippen bekommen diese Gebete ihren vollkommenen und wahren Sinn. Sie bereichern sich mit einem tieferen spirituellen Verständnis. Der Feind, den das Volk, indem es sich auf die umliegenden Völker und auf einen mächtigen Unterdrücker bezieht, in den Psalmen ständig nennt, wird im Munde Jesu der Böse, der wahre Feind des Menschen und Gottes.

Der Gerechte, der gelobt wird, weil er den Willen des Vaters erfüllt, wird auf dem Munde Jesu jener, der den Gesandten Gottes annimmt, den Messias, und in seine Nachfolge tritt.

Das Land - erwartet, ersehnt und vom Volk unter der Leitung des Mose erreicht - wird im Munde Jesu die endgültige Heimat, das ewige Reich, wo wir schon anfangen, zu leben durch die Sakramente der heiligen Kirche!

Jesus hat die Psalmen gebetet; wenn wir sie beten, beten wir sie mit Ihm, als Glieder des Leibes, dessen Haupt Er ist; der sie mit uns und für uns betet. Wir verstehen sie oft nicht in ihrem letzten und vollkommenen Sinn: Er kann sie beten, wie es dem Vater wohlgefällig ist. Wir leihen Ihm die Stimme, Er gibt sein Herz. Wir sprechen die Worte aus, Er macht sie dem Vater wohlgefällig, Er macht sie zu einem wohlgefälligen Opfer, zum wahren Lob, zur einflußreichen Macht über das Herz des Vaters.

Jesus hat in seinem Erdenleben die Psalmen gebetet: Er betet sie weiter aus unserem Herzen und mit unseren Lippen.

Der heilige Augustinus schreibt dazu: „Wenn wir im Gebet zu Gott sprechen, trennen wir nicht den Sohn vom Vater, und wenn der Leib des Sohnes betet, trennt er nicht von sich das Haupt, sondern Er selber, der einzige Retter seines Leibes, unser Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, betet für uns, betet in uns und wird von uns gebetet. Er betet für uns als unser Priester, er betet in uns als unser Haupt, Er wird von uns gebetet als unser Gott. Erkennen wir also unsere Stimmen in Ihm und Seine Stimme in uns!“

 

5. DIE PSALMEN: Das Gebet der Kirche

Die Kirche, die auf Jesus gegründet ist wie auf einen sicheren Fels, setzt das Gebet ihres Herrn und Meisters fort. Die Kirche fährt also fort, die Psalmen zu gebrauchen und sei liest sie in dem neuen Licht, das der Tod und die Auferstehung Jesus ihrem Leben und der ganzen Geschichte gibt.

Auch die Psalmen sprechen von diesem Höhepunkt der Heilsgeschichte. Der auferstandene Jesus sagt selber: „Alles muß in Erfüllung gehen, was über mich im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen gesagt ist“ (Lk 24,44).

Die Kirche gibt deshalb diese prophetischen Loblieder nicht auf, weil sie von Jesus reden, weil sie uns helfen, unseren Herrn und Bruder kennenzulernen, weil sie uns helfen, Ihn zu lieben, und weil sie in uns seine Gefühle und sein eigenes Gebet übertragen.

Die Verkündigung und die Schriften der Apostel geben den Psalmen großen Raum. Es genügt, die ersten Aufforderungen des Petrus zu lesen, die in der Apostelgeschichte überliefert werden, um dies zu merken. Auch in seinen Briefen bezieht sich Petrus ausdrücklich auf die Psalmen. So zitiert auch Paulus in seiner Predigttätigkeit und in den Briefen öfters Ausschnitte aus den Psalmen. Er lädt auch wie Jakobus ein, sie in der Gemeinde zu singen mit Hymnen und Liedern. Das Echo des Psalmengebets ertönt lebendig auch in der Offenbarung.

Die Kirche ist mit diesem Gebet entstanden: die erste Gemeinschaft in Jerusalem war einmütig im Gebet und ging jeden Tag in den Tempel, wo man mit dem Psalmengesang betete. Die Kirche gibt diese Art von Gebet nicht auf, im Gegenteil, je mehr sie in der Liebe zum Herrn wächst und sich vom Geist der Welt trennt, desto mehr versucht sie, mit diesen Gebeten ihre Verehrung und ihre Anhänglichkeit zu ihrem Haupt und Retter auszudrücken.

Diese Gebete sind und bleiben Wort Gottes, lebendig und scharf, Wort das urteilt und rettet. Die härtesten Sätze, die in ihnen enthalten sind, geben Licht und Kraft, um dem Bösen zu widerstehen, die zartesten und sanftesten geben Trost und Stütze, wenn man vom Bösen getroffen wird.

Mit den Worten der Psalmen drückt die Kirche ihr Verständnis und ihren Dank aus, mit diesen Worten lädt die Kirche die guten und die traurigen Situationen auf sich, in denen sich ihre Kinder befinden.

„Seht doch, wie gut und schön es ist,

wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen.“

(Ps 133)

„Gott sei uns gnädig und segne uns.

Er lasse über uns sein Angesicht leuchten,

damit auf Erden sein Weg erkannt wird,

und unter allen Völkern sein Heil“

(Ps 67,2-3)

 

6. DIE PSALMEN: Mit vier Schlüsseln

Wenn ich die Psalmen bete, habe ich nicht Zeit, viel zu denken. Ich bete sie und fertig.

Aber wenn es einen Moment der Pause gibt, ein Innehalten zum Überlegen oder eine Vorbereitung aufs Gebet, dann versuche ich den Psalm zu lesen mit den Schlüsseln, die mir verschiedene und interessante Erklärungen geben.

Zuerst versuche ich den Psalm in seinem literarischen Sinn zu verstehen; so wie der erste, der ihn gebetet hat, gedacht haben muß: das Volk Israel oder ein Mitglied desselben! Ich stelle mir das Umfeld und die Situationen vor, in denen der Verfasser gelebt hat, eine Situation von Krankheit oder Krieg, von Sieg oder Niederlage, von Schuld oder Sicherheit, von Vertrauen oder Verzweiflung, von überschäumender oder ruhiger Freude.

Aber ich begnüge mich nicht damit. Wie kann Jesus ihn gebetet haben? Wie hat Er jene Worte und jene Gefühle ausgelegt? Wie fand Er seine Geschichte in jenen Worten wieder? Welche neuen Motive hatte Er, um den Vater zu loben und ihm zu danken?

Weiters: Was sagen mir diese Worte? Was drücke ich mit ihnen dem Vater gegenüber aus, ich, der ich Gott treu sein will? Denn jetzt bete ich, jetzt bin ich vor dem Allmächtigen, vor dem Barmherzigen. Wie können diese Gebete meine Anliegen dem gegenüber ausdrücken, der mich liebt und den ich liebe?

Und weiters: Ich bin ein Glied einer betenden Kirche. Ich bin eine Stimme jenes wandelnden Volkes, das die Etappen der Sünde und der Heiligkeit ging; Etappen, welche schon das Volk Israel gegangen ist, die in diesen Gebeten aufgezeichnet sind. Meine Stimme vereint sich mit tausend Stimmen, nein mein Herz schlägt zusammen mit Tausenden von Herzen, mein Glaube fängt die Untreue anderer auf, und meine Schwachheit und meine Entmutigung sind von der Liebe und dem Lob der Geschwister getragen.

 

Indem ich einen Psalm bete, irgendeinen Psalm, bin ich in einem Leib, der zugleich leidet und lobpreist, sich freut und klagt, denn es ist immer ein Leib, der seufzt, und dessen Seufzer vom Geist übersetzt werden in Worte des Flehens und des Lobes an den Vater. Das sind die vier Arten, die Psalmen zu lesen, zu verstehen und zu beten. Nicht alle vier auf einmal, dazu wäre ich nicht imstande. Einmal eine Art, ein anderes Mal eine andere machen mein Beten demütig und vielfältig, arm und vollkommen nur als Wunsch. Die Barmherzigkeit Gottes und die Stimme des Geistes nehmen sich meines Unvermögens und meiner Zerstreuung an.

Ich habe den Herrn beständig vor Augen.

Er steht mir zur Rechten, ich wanke nicht.

Darum freut sich mein Herz

und frohlockt meine Seele;

auch mein Leib wird wohnen in Sicherheit.

Denn du gibst mich nicht der Unterwelt preis;

du läßt deinen Frommen das Grab nicht schauen.

Du zeigst mir den Pfad zum Leben.

Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle,

zu deiner Rechten Wonne für alle Zeit.

(Ps 16, 8-11)

 

7. DIE PSALMEN:

Ein Gebet für den Menschen, auf jeden Fall

Das Gebet ist für alle notwendig. Sowohl der Mensch, der hauptsächlich den Materialismus im Leben kennt, nur an Materiellem interessiert, besorgt ums Geld, um die Gesundheit, um den wirtschaftlichen Erfolg, um die irdische Liebe, als auch der geistliche Mensch, der ganz hingewendet ist auf den Sieg über die Leidenschaften und auf das Lob Gottes beten.

Der „natürliche“ Mensch und der „geistliche“ Mensch beten. Sie sind aber nicht so unterschiedlich und so voneinander entfernt. Sie sind in verschiedenem Maß in jeder Person vermischt.

Es gibt keinen „natürlichen“ Menschen, der nicht manchmal die Reinheit und die Schönheit der Trennung von den eigenen Interessen spürt und der sich ein glückliches, inneres, mystisches Verhältnis mit Gott wünschte! Es gibt keinen „geistlichen“ Menschen, der nicht manchmal Besorgnis um seine Gesundheit spürt, oder Angst vor dem Tod, oder die Last der Wirtschaft, oder die Reaktion auf die Ungerechtigkeit, oder die Spannung der eigenen Sünde.

Natürlicher und geistlicher Mensch leben zusammen in einer Person. Mit einem gesunden Realismus trägt das Psalmengebet dieser Situation Rechnung. Es rechnet damit, daß der natürliche Mensch tiefere Sehnsüchte hat und imstande ist, die Tröstungen des Geistes zu genießen und daß der geistliche Mensch nicht so fleischlos ist, daß er nicht Leiden und Mühen spürt. Die Psalmen sind realistische Gebete, die jene erheben, die in der Tiefe sind und jenen Demut einflüstern, die sich oben fühlen.

Der Mensch in der Welt und der Mensch aus Gott begegnen sich in den Psalmen.

Der Mensch, der immer das „Ich“ in seinem Munde führt, wird angeleitet zu verstehen, daß es auch das „Du“ Gottes und das „Wir“ des Volkes gibt; dem Menschen, dem geschenkt worden ist, in der Kontemplation Gottes zu leben, wird geholfen, nicht zu vergessen, daß auch er ein Sünder ist und daß ganz wenig genügen würde, um den Versuchungen nachzugeben, die die Menschheit leiden lassen. Das Vertrauen wird immer auf Gott gesetzt, auf Ihn, der der Freund der Menschen, der Unterdrückten und der Armen ist, all derer, die nur Ihn als Verteidiger haben.

 

Ganz langsam beginnt derjenige, welcher die Psalmen mit Ausdauer betet, zu merken, daß ihm geholfen wird, das Vertrauen weder auf sich selbst zu setzen, noch auf andere, noch auf die Politik der Mächtigen, noch auf die Gewalttätigen, noch auf das Geld, oder in die Intelligenz, sondern nur auf Gott, bis zur Hingabe an Ihn, wie ein kleines Kind in die Arme der Mutter.

Der Herr stützt alle, die fallen,

und richtet die Gebeugten auf.

Aller Augen warten auf dich,

und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit.

Du öffnest deine Hand

und sättigst alles, was lebt, nach deinem Gefallen.

Gerecht ist der Herr in allem, was er tut,

voll Huld in all seinen Werken.

Der Herr ist allen, die ihn anrufen, nahe,

allen, die zu ihm aufrichtig rufen.

Die Wünsche derer, die ihn fürchten, erfüllt er,

er hört ihr Schreien und rettet sie.

Alle, die ihn lieben, behütet der Herr,

doch alle Frevler vernichtet er.

(Ps 145, 14-20)

Herr, du hast mich erforscht, und du kennst mich.

Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir.

Von fern erkennst du meine Gedanken.

Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt;

du bist vertraut mit all meinen Wegen.

Noch liegt mir das Wort nicht auf der Zunge -

du, Herr, kennst es bereits.

Du umschließt mich von allen Seiten

und legst deine Hand auf mich.

Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen,

zu hoch, ich kann es nicht begreifen.

(Ps 139, 1-6)

 

8. DIE PSALMEN: Eine Lebensschule

In den vielen Ausgaben, die wir von den Psalmen zur Verfügung haben, findet man oft ein spezielles Inhaltsverzeichnis, das uns helfen will, das für den Augenblick geeignete Gebet auszusuchen; das Gebet, das meine gegenwärtigen Gefühle besser ausdrückt, das meinem Seelenzustand besser entspricht.

So kann man Gattungen von Psalmen finden, die Vertrauen oder Angst ausdrücken. Andere, die man in Momenten der Versuchung oder Krankheit gebrauchen kann. Andere wieder, um Dank auszudrücken oder um Vergebung zu bitten usw.

Aber die Psalmen sind nicht nur eine Gebetsschule, sie sind auch eine Lebensschule: sie üben uns im Gehorsam, sie leiten uns an, nicht an uns zu denken, sondern auf diejenigen aufmerksam zu werden, welche neben uns leben, und welche wir vergessen wollen.

Diese Gebete tragen eben nicht meinen gegenwärtigen Gefühlen Rechnung, sie achten nicht auf meine „Launen“, sie folgen nicht den Regeln meines Temperamentes.

Was sind nämlich meine Gefühle, meine Seelenzustände vor Gott? Es sind Haltungen und Situationen, die von Ihm erleuchtet werden sollen, sie müssen sich verbessern oder ändern lassen von der Wärme seiner Liebe. Gott sieht mich als Glied seines Volkes, wie teilhaftig am Leib seines Sohnes. Seine Liebe zu mir hält mich als solches, und als solches hört Er das Gebet des ganzen Volkes und des ganzen Leibes. Er selbst also - mit den Gebeten, die Er mir auf die Lippen legt - will meinem Ich vergessen lassen, wichtig zu sein, auf sich selbst aufmerksam zu sein, damit ich Ausdruck jenes Volkes und jenes Leibes werde, dessen kostbares Glied ich bin.

So geschieht es, daß ich Psalmen des Lobes bete, wenn ich traurig bin, oder Psalmen der Angst, wenn ich jubeln könnte. Mein Volk nämlich, die Kirche, folgt nicht meinen Launen: die Kirche lobt immer den Vater mit dem Leben Jesu und mit seinem Opfer. Die gleiche Kirche leidet immer in ihren Gliedern die Versuchung und die Verfolgung Christi mit. Sie fährt immer fort, den Kelch des Leidens zu trinken. Ich kann nicht meine Geschwister vergessen, die wegen unseres gemeinsamen Glaubens leiden, noch kann ich aufhören, das freudige Lob der Heiligen und Märtyrer zu singen.

Wenn ich am Anfang, um die Psalmen lieben zu lernen, sie auswähle nach meinem momentanen Geschmack, so werde ich mich später von ihnen leiten lassen, um im Namen der ganzen Kirche zu beten, ohne auf meine persönliche gegenwärtige Situation zu schauen. So lerne ich den Gehorsam: heute bete ich die Psalmen, welche mir die Kirche in ihren liturgischen Texten vorschlägt. Der gelebte Gehorsam auch im Gebet drückt eine größere Liebe aus, eine Liebe, die auch sich selber opfern kann und die eigenen Gefühle aufopfert. Und der Vater, der den gehorsamen Sohn liebt, wird mich mit der gleichen Liebe erreichen, denn Er findet in mir die gleiche entschlossene Haltung, die mich wahren Sohn sein läßt: den Gehorsam. Dies ist eigentlich das größte Gewicht, welches das Gebet auf dem Herzen Gottes haben kann. Er verweigert dem nichts, der ein gehorsames Herz hat.

Wie schwierig sind für mich, o Gott, deine Gedanken,

wie gewaltig ist ihre Zahl!

Wollte ich sie zählen, es wären mehr als der Sand.

Käme ich bis zum Ende, wäre ich noch immer bei dir.

Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz,

prüfe mich, und erkenne mein Denken!

Sieh her, ob ich auf dem Weg bin, der dich kränkt,

und leite mich auf dem altbewährten Weg!

(Ps 139, 17-18)

(Ps 139, 23-24)

 

9. DIE PSALMEN: Das wahre Gebet

Auch wenn wir anfangen zu beten, zeigen sich in uns immer wieder unsere spontanen Neigungen: wir versuchen Worte zu meiden und Gefühle zu vertuschen, von denen wir meinen, daß sie Gott nicht gefallen könnten. Wir verhalten uns mit Ihm so, wie wir mit Menschen umzugehen pflegen: wir nehmen Haltungen von Schmeichelei ein oder von Verzweiflung, von falscher Freude oder von großem Ernst, von Verantwortung oder von Kleinmütigkeit je nachdem, was wir für geeigneter halten, um das Herz oder die Entscheidungen von dem zu beugen, der vor uns steht.

So sind wir auch versucht, im Gebet „falsch“ zu sein. Die Psalmen erlauben uns dies aber nicht.

Es gibt Psalmen, die uns Dinge sagen lassen, die wir nie sagen würden, denn wir würden uns schämen, sie so laut zu sagen, obwohl wir sie im Geheimen hegen. Niemand würde zum Beispiel in seinem Gebet sagen: dem würde ich den Kopf einschlagen. Aber es gibt Psalmen, die dich zu dieser Ehrlichkeit zwingen. So bist du gezwungen, mit dir selber ehrlich zu sein, zu zeigen, wie tief du gefallen bist, tiefer als jene Person, der du den Kopf einschlagen möchtest! Dann wirst du imstande sein, für dich um Erbarmen zu bitten, und dann auch für die anderen, auch für deinen Feind, der - besiegt von der Versuchung des Geizes, der Präpotenz, der Gewalt - dich leiden macht.

Der Psalm ist imstande, dich von deiner realen Situation, die du ohne Abschweife zugibst, emporzuheben und dich zu führen, eine Treue dem Gott gegenüber zu leben, der nicht den Tod des Sünders will, bis du dich mit ihm identifiziert und dem Leben schenkst, der den Tod verdient hat. Indem du die Psalmen betest, merkst du eben, daß nicht nur die anderen Sünder sind, sondern auch du selber. „Gegen dich habe ich gesündigt“. „In der Sünde hat mich meine Mutter empfangen!“. Und wenn ich als Sünder geboren bin, wie kann ich den Fluch auf die Sünder herabrufen? Ich würde ihn auf mich selbst herabrufen! „Dann lehre ich die Abtrünnigen deine Wege, und die Sünder kehren um zu Dir“. Wenn meine Seele so weit kommt, und mein Gebet sich so verändert hat, dann öffnet Gott selber meine Lippen, und mein Mund wird sein Lob verkünden, jenes freudige Lob, das viele Psalmen ausdrücken, indem sie auf die Schöpfung, auf die Geschichte des Volkes, auf das persönliche Leben und auf die Erfahrung der väterlichen Liebe Gottes schauen.

Die Psalmen sind ein echtes Gebet! Sie stellen uns vor Gott, so wie wir sind und nicht wie wir scheinen möchten. Sie sind ein echtes Gebet, denn sie verwandeln uns, sie formen unser Herz, sie führen uns heraus aus dem Grab unseres Ichs, um in uns die lebensspendende Bewegung der dreifaltigen Liebe und Gemeinschaft hineinzulegen; so sind sie wahre Hilfe für unsere Umkehr.

Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten!

Ihr blutgierigen Menschen, laßt ab von mir!

...

Soll ich die nicht hassen, Herr, die dich hassen,

die nicht verabscheuen, die sich gegen dich erheben?

Ich hasse sie mit glühendem Haß,

auch mir sind sie zu Feinden geworden.

Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz,

prüfe mich, und erkenne mein Denken!

Sieh her, ob ich auf dem Weg bin, der dich kränkt,

und leite mich auf dem altbewährten Weg!

(Ps 139, 19 / 21-24)

 

10. DIE PSALMEN: Verschiedenartiges Gebet

Welch ein Unterschied zwischen dem einen und dem anderen Psalm! Diese Gebete bringen eine große Vielfalt von Gefühlen und Gedanken ins Herz. Manche sind Anbetungsgebete, andere freudiges Lob, andere drücken den Glauben des Gläubigen aus und schmähen die Dummheit des Ungläubigen, andere verfluchen das Böse und den Frevler, andere flehen um Erbarmen. Einige sind ein Gejammer, wieder andere sind ein Aufzählen von Ungerechtigkeiten, die die Menschen verursachen, und wieder andere sind ein Erzählen vom Eingreifen Gottes, um zu strafen oder um das Volk zu retten. Einige sind Versprechungen von Treue, andere eine Erinnerung an Untreue.

In ihnen ist Platz für den Segen Gottes und des Menschen und für die Bitte um Schutz und für das feierliche Lob. Eine große Verschiedenheit, ein bunter Blumenstrauß, eine Symphonie von Gefühlen, ein vielstimmiger Chor, der ein harmonisches Konzert bildet.

Wenn du dich die ersten Male dem Psalter näherst, hast du das Gefühl von Unsicherheit und von einem Durcheinander. Wenn dir niemand hilft, kannst du nicht ausharren und weitermachen, um das Geschenk des Gebetes, das dir angeboten wird, auszukosten. Du hast den Eindruck, daß nicht du vor Gott stehst, daß du entpersönlicht wirst und nicht in deiner Spontaneität geschätzt wirst.

Aber wenn du dich nicht entmutigen läßt und mit Entschlossenheit weitermachst, wirst du bald entdecken, daß du ins Herz eines Volkes, des Volkes Gottes eingetreten bist! Du wirst entdecken, daß du mit den Gaben aller bereichert worden bist und daß du der Träger der Schwachheit aller Menschen geworden bist. Du wirst teilhaben an der Symphonie der Schöpfung, du wirst die Gnade bekommen, selber Gebet zu werden, Gebet aller Art und aller Zeiten: von dir wird das Wort jene Stimme erhalten, welche in der Vergangenheit erklungen ist und die in der Zukunft widerhallen wird, und so wirst du Erinnerung der Heilsgeschichte Gottes für die Menschen.

Durch die Psalmen wirst du spüren, daß nicht mehr du betest, sondern daß das Gebet in dir ist. Ich „Ort des Gebetes“, Ort der echten und verschiedenartigen Begegnung des Menschen mit dem ewigen Gott, der „immer Wunder für den Menschen wirkt“.

 

Der Herr ist gnädig und barmherzig,

langmütig und reich an Gnade.

Der Herr ist gütig zu allen,

sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.

Danken sollen dir, Herr, all deine Werke

und deine Frommen dich preisen.

Sie sollen von der Herrlichkeit deines Königtums reden,

sollen sprechen von deiner Macht,

den Menschen deine machtvollen Taten verkünden

und den herrlichen Glanz deines Königtums.

(Ps 145, 8-12)

 

11. DIE PSALMEN: Immerwährendes Gebet

Jesus hat einmal ein Gleichnis erzählt von der Notwendigkeit, ohne Unterlaß zu beten. Nun, das Psalmengebet ist ein Gebet, das dich einlädt und dir hilft, lange zu beten!

Wenn du anfängst, einen Psalm zu beten, spürst du den Wunsch, ihn zu Ende zu lesen. Und am Ende entsteht das Verlangen, einen anderen anzufangen. Und wenn du aufhören mußt und zu einer anderen Beschäftigung übergehst, bleibt in deinem Gedächtnis ein Satz, ein Wort, das du laut gesprochen oder gesungen hast, wie ein Refrain, der dir hilft, dein Herz Gott zugewandt zu halten, der dir immer mehr zum Freund wird.

Halleluja!

Lobe den Herrn, meine Seele!

Ich will den Herrn loben, solange ich lebe,

meinem Gott singen und spielen, solange ich da bin.

Verlaßt euch nicht auf Fürsten,

auf Menschen, bei denen es doch keine Hilfe gibt.

Haucht der Mensch sein Leben aus und kehrt er zurück zur Erde,

dann ist es aus mit all seinen Plänen.

Wohl dem, dessen Halt der Gott Jakobs ist

und der seine Hoffnung auf den Herrn, seinen Gott, setzt.

Der Herr hat Himmel und Erde gemacht,

das Meer und alle Geschöpfe;

er hält ewig die Treue.

Recht verschafft er den Unterdrückten,

den Hungernden gibt er Brot;

der Herr befreit die Gefangenen.

Der Herr öffnet den Blinden die Augen,

er richtet die Gebeugten auf.

Der Herr beschützt die Fremden

und verhilft den Waisen und Witwen zu ihrem Recht.

 

Der Herr liebt die Gerechten,

doch die Schritte der Frevler leitet er in die Irre.

Der Herr ist König auf ewig, dein Gott, Zion,

herrscht von Geschlecht zu Geschlecht. Halleluja!

(Ps 146)

Halleluja!

Gut ist es, unserem Gott zu singen;

schön ist es ihn zu loben.

Der Herr baut Jerusalem wieder auf,

er sammelt die Versprengten Israels.

Er heilt die gebrochenen Herzen

und verbindet ihre schmerzenden Wunden.

Er bestimmt die Zahl der Sterne

und ruft sie alle mit Namen.

Groß ist unser Herr und gewaltig an Kraft,

unermeßlich ist seine Weisheit.

Der Herr hilft den Gebeugten auf

und erniedrigt die Frevler.

Stimmt dem Herrn ein Danklied an,

spielt unserem Gott auf der Harfe!

(Ps 147, 1-7)

 

12. DIE PSALMEN: Erhörtes Gebet

Wie schön ist es zu sagen: mein Gebet ist erhört worden!

Daß man im Gebet erhört wird, heißt, die Sicherheit der Vaterliebe zu haben, sicher zu sein - als ob man es direkt sehen würde -, daß sein Angesicht uns freundlich und froh zugewandt ist. Weiters, wenn unser Gebet nicht erhört würde, was nützte es?

Was heißt, daß das Gebet erhört wird? Heißt es einfach, daß Gott verwirklicht hat, worum ich ihn gebeten habe? Aber viele Gebete sind nicht Bitten, sondern Lob und Dank, Anbetung und Hören! Was heißt dann erhörtes Gebet?

Der Hauptdarsteller meines, unseres und des Gebets der Kirche ist der Heilige Geist. Er ist es, der in unseren Herzen ruft: „Abba, Vater“. Er ist es, der „für uns mit unaussprechlichem Seufzer eintritt“, denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen. „Und Gott, der die Herzen erforscht, weiß was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es will, für die Gläubigen ein“. Der Heilige Geist betet in uns und wird vom Vater erhört.

Das Psalmengebet ist nicht ein Gebet unserer Gefühle, es ist wirklich Gebet des Geistes, ja des Heiligen Geistes. Es ist Wort Gottes, ein Wort in uns vom Heiligen Geist gesprochen. Es ist ein Gebet, das immer Erhörung findet: wenn wir es beten, realisiert sich unser innigster Wunsch. Unser tiefster Wunsch, dessen wir uns nicht einmal bewußt sind, ist jener, der vom Heiligen Geist erfüllt wird.

Er ist das lebendige Wasser, das den Durst der Menschen stillt. Indem wir die Psalmen mit gehorsamer Liebe beten, bekommen wir den Heiligen Geist, jenen Geist, der Vertrauen zum Vater gewinnt und der Jesus „Herr“ nennt!

Die Psalmen stellen uns vor Gott, wie „ein kleines Kind in den Armen seiner Mutter“, wie ein Sänger, der ein Danklied anstimmt, wie ein Schaf, das vertrauensvoll dem Hirten ins finstere Tal folgt. Die Psalmen stellen uns vor Jesus, dem neuen Menschen, wie „den schönsten unter den Menschenkindern“ (Ps 45,3), „verlacht von denen , die ihn sehen“ (Ps 22,8), dessen Leben „nicht der Unterwelt preisgegeben worden ist“ (Ps 16,10). Er, der gesagt hat, „Siehe ich komme“ (Ps 40,8), ist jetzt der Herr „der zur rechten Gottes sitzt, Priester auf ewig“ (Ps 110,4). Und indem wir so eine Beziehung in Wahrheit mit dem Vater und mit dem Sohn herstellen, werden wir vom Heiligen Geist umhüllt.

Das Psalmengebet ist erhörtes Gebet! Nach ihm ist unser Herz mild und barmherzig, gestärkt in der Treue, erfüllt von heiliger Gottesfurcht, erhellt von der Weisheit, um „unsere Tage zählen“ zu können und uns nicht von den vergänglichen Dingen, die uns enttäuschen, blenden zu lassen und vom Einfluß des Bösen befreit. Es ist erhörtes Gebet, denn von ihm wird unser Leben dort eingetaucht, wo es am besten zufriedengestellt und glücklich wird: in die Weisheit und in das Licht Gottes!

Viele sagen: „Wer läßt uns Gutes erleben?“

Herr, laß dein Angesicht über uns leuchten!

Du legst mir größere Freude ins Herz,

als andere haben bei Korn und Wein in Fülle.

In Frieden leg’ ich mich nieder und schlafe ein;

denn du allein, Herr, läßt mich sorglos ruhen.

(Ps 4, 7-9)

 

SCHLUSSFOLGERUNGEN

1.

Wenn wir beten, enden alle Psalmen mit der christlichen Doxologie: Ehre sei dem Vater, und dem Sohn und dem Heiligen Geist. So vollenden wir die Vorstellung von Gott, welche die Psalmen uns anbieten, indem wir uns erinnern, daß Er sich als Liebe, als vollkommene Liebe, als Gemeinschaft offenbart hat!

Fügen wir diese Ehrung des heiligen Namens Gottes jedem Psalm hinzu, indem wir uns an die Offenbarung, die uns Jesus von Ihm gebracht hat, erinnern: dieser letzte Zusatz hilft uns, dieses Gebet mit der Kirche zu interpretieren. Sie hebt den wahren und ewigen Sinn hervor und überwindet so den wörtlichen Sinn, der oft überholt ist.

„Ich will jauchzen und an dir mich freuen,

für dich, du Höchster, will ich singen und spielen“

(Ps 9,3)

2.

Hast du den Wunsch, die Psalmen zu beten? Aber wie?

Du kannst die Bibel nehmen: öffne sie beim Buch der Psalmen, beginne mit dem ersten Psalm, lies einige jeden Tag, mit Ruhe, ohne Sorge, sie zu verstehen oder dich mit jedem der ausgedrückten Gefühle zu identifizieren. Auch wenn du betest, bist du ein Glied von Christi Leib, du bist der Bruder vieler Geschwister, die von deinem Gebet profitieren und die - ohne daß du es weißt - ihre Gefühle zu Gott durch dich ausdrücken. Und wenn du nichts verstehst, mache dir keine Sorgen: Gott hört seinen Sohn, der mit deinem Gesang zu Ihm redet; Gott versteht den Geist, den du im Gebet in dir beherbergst! Mache dir keine Sorgen: Gott versteht dich besser, als das, was du Ihm sagen möchtest!

Anstelle der Bibel kannst du auch ein Psalterium nehmen, das mit Erklärungen, Gebeten, Hinweisen auf das neue Testament ergänzt ist und dir helfen kann, Bedeutungen und Aspekte der verschiedenen Verse zu verstehen, die sich auf das Leben des Herrn Jesus oder auf unser christliches tägliches Leben beziehen.

Wenn du ein Brevier hast, ein Buch, in dem für jeden Wochentag und für die verschiedenen Gebetsstunden (Morgen, Mittag, Abend, Nacht) Psalmen ausgewählt sind, benütze es mit Einfachheit. Es ist das Werkzeug, das die Kirche seit Jahrhunderten vorbereitet hat, um uns im Gebetsleben zu helfen. Mit ihm gliederst du dich direkt in das Lob des ganzen Leibes Christi ein. Die Psalmen bilden den Hauptteil; sie sind aufgegliedert, indem sie den Tag und Wochenrythmus berücksichtigen, um uns zu helfen, das Mysterium des Todes und der Auferstehung Christi zu leben. Sie werden eingeleitet von Hymnen und abgeschlossen von kurzen Lesungen und Gebeten, die uns in die verschiedenen Geheimnisse des jährlichen liturgischen Jahreskreises einführen. Dazu ist jeder Psalm überdies begleitet von Versen des neuen Testamentes und von Antiphonen, welche die Hauptaspekte hervorheben und den Zusammenhang mit dem Leben des Herrn und mit der Heilserfüllung, die Er vollbracht hat, herstellen.

Das Brevier ist nicht nur das Buch für das Gebet der Priester, sondern es ist das Gebetbuch, das die Kirche allen Christen vorschlägt! Vielleicht wird es auch für dich die Stütze, die dir hilft, das Leben in freudiges und dauerhaftes Lob zum Vater zu verwandeln; das Mittel, das dich ermutigt, in deinem Haus mit den Deinen, mit deinen Freunden und mit anderen Freunden des Herrn zu beten!

 

Der Herr ist allen, die ihn anrufen, nahe,

allen, die zu ihm aufrichtig rufen.

Die Wünsche derer, die ihn fürchten, erfüllt er,

er hört ihr Schreien und rettet sie.

Alle, die ihn lieben, behütet der Herr,

doch alle Frevler vernichtet er.

Mein Mund verkünde das Lob des Herrn.

Alles, was lebt, preise seinen heiligen Namen

immer und ewig!

(Ps 145, 18-21)

 

DIE PSALMEN

Gebetsschätze:

Wort Gottes

in Menschenmund!

Sie zeigen uns,

wie Gott wünscht,

geliebt

gesucht

erkannt

angehört

gefragt

gelobt

angebetet

erwartet zu werden!

Wenn wir die Psalmen beten,

üben wir die Gabe der Frömmigkeit,

wir bekommen von ihnen Rat und Stärke,

wir werden gekleidet mit Weisheit und Verständnis,

mit den Psalmen leben wir nach der wahren Wissenschaft

und drücken die heilige Gottesfurcht aus!

Wir verstehen die Psalmen, indem wir sie beten,

und indem wir sie beten, werden wir verwandelt!

Don Vigilio Covi